13.07.2007

Schiiten, der neue Feind

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Schiiten, der neue Feind

Konsterniert musste die Welt nach dem 11. September 2001 feststellen, dass manche der von US-Präsident Ronald Reagan noch als Verbündete im Kampf gegen das „Reich des Bösen“ gelobten afghanischen „Freiheitskämpfer“ durchaus eigene Vorstellungen von Freiheit hatten. Die Mudschaheddin, von den USA finanziert und bewaffnet, machten Front gegen ihre Gönner. Al-Qaida war ein Produkt dieser verblendeten Politik.

 Zwanzig Jahre sind seit dem Bündnis mit den Mudschaheddin vergangen. Hat man diesen Fehler in Washington mittlerweile aufgearbeitet? Der bekannte New Yorker Journalist Seymour Hersh glaubt das nicht. Im März 2007 berichtete er in der Zeitschrift The New Yorker, dass die USA auf eine Koalition mit gemäßigten sunnitischen arabischen Staaten hinarbeiten, die antiiranische und antischiitische Bewegungen unterstützen soll – darunter auch sehr radikale Gruppierungen.

 Als Paradebeispiel für solche Strategien verweist Hersh auf den Libanon. Dort wird die Regierung von Fuad Siniora von einer Oppositionsbewegung bedrängt, in der die schiitische Hisbollah die Hauptrolle spielt. Noch bevor die Fatah al-Islam von sich reden machte, verwies Hersh auf den wachsenden Einfluss radikaler sunnitischer Gruppen, die Verbindungen zu al-Qaida pflegen und finanziell von Kräften aus dem Umfeld der libanesischen Regierung und der Partei von Saad Hariri unterstützt werden. Wenn Gelder aus den USA und Saudi-Arabien an solche Gruppierungen fließen, fragt Hersh: „Wieso unterstützen wir jetzt Gruppen, die man für Salafisten halten muss und deren Anhänger wir noch vor zwei oder drei Jahren verhaftet und nach Guantánamo geschickt hätten? Nur weil sie als potenzielle Verbündete gegen die Hisbollah gelten.“

 Diese Einschätzung bestätigt David Samuels in einem ausführlich recherchierten Beitrag in der Juniausgabe von The Atlantic Monthly. Demnach verschärfte sich nach den Kongresswahlen im November 2006 die Kontroverse zwischen den Anhängern einer auf Sieg setzenden Strategie im Irak und den Verfechtern von Verhandlungen auch mit dem Iran und Syrien. Nach Samuels haben sich daraufhin Außenministerin Condoleezza Rice und ihre Kabinettskollegen auf eine riskante Alternative geeinigt, die auf Kooperation der Geheimdienste Saudi-Arabiens, Ägyptens, Jordaniens, Israels und der Vereinigten Emirate setzt: „Die Regierung entschied sich für eine raffinierte Mischung aus Diplomatie, wirtschaftlicher Einflussnahme, großen Militärmanövern, psychologischer Kriegsführung und verdeckten Operationen. Für geheime Aktionen sollen Gelder in Höhe von 300 Millionen Dollar an religiöse Bewegungen und paramilitärische Gruppen im Irak, im Iran, in Libanon und den Palästinensergebieten fließen. Gezahlt werden diese Gelder von Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten.“ Washingtons „Feind Nr. 1“ ist inzwischen offenbar der Iran und nicht mehr al-Qaida. Alain Gresh

Le Monde diplomatique vom 13.07.2007, von Alain Gresh