Cheikh Tidiane Diop
Nirgends schafft die Globalisierung Chancengleichheit und wirtschaftliche Gerechtigkeit. Im Gegenteil, sie vergrößert und verschärft die Unterschiede (…)
Die traditionellen Formen der Gesellschaftsorganisation wurden alle von dieser Dampfwalze der wirtschaftlichen Gleichmacherei erdrückt. Die Solidargemeinschaften an der Basis haben sich mehr und mehr aufgelöst, je weiter der Markt in alle Sphären der gesellschaftlichen Organisation vordrang und sich in den Alltag der Menschen einmischte. Die soziale Frage, die durch kulturelle Verelendung und nie da gewesene Ungleichheit verschärft wird, ist dadurch nur noch brennender geworden.
Unter solchen Rahmenbedingungen ist Afrika aufgerufen, sich einen Ruck zu geben und vor allem auf die eigenen Kräfte zu bauen. In der Tat lässt das rücksichtslose Beharren auf einem bestimmten Lebensstil nicht mehr viel Raum für Solidarität über die Grenzen der Kontinente hinweg. Wir werden noch erleben, dass diese Quellen der Solidarität vollständig versiegen, weil in den entwickelten Ländern der Lebensstandard bedroht ist.
Die Unterschiede zwischen den Gesellschaften, die mancherorts völlig gescheiterten Bemühungen um einen gewissen Entwicklungsstand, die Krise des westlichen Modells, dies alles trug dazu bei, dass über neue Wege nachgedacht wird, wobei andere, namentlich kulturelle Faktoren stärker in den Blick rücken. (…) Diese neue Einsicht war das Ergebnis einer vernichtenden Bewertung durch bestimmte Regierungen, durch Experten, durch internationale Institutionen wie der UNO und andere Organisationen, und namentlich durch solche, die in sogenannten Dritte-Welt-Ländern vor Ort tätig sind. (…)
Vor allem Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre wurden solche neuen Ansätze entwickelt, die das Spektrum der symbolischen Felder der von den Entwicklungsstrategien anvisierten Gesellschaften betonen. Der radikale Marktmythos mit seinem Anspruch auf universale Geltung scheitert gewissermaßen an den Inkohärenzen und Widerständen bestimmter soziokultureller Realitäten.
Aus: Cheikh Tidiane Diop, „L’Afrique en attente?“, Paris (L’Harmattan) 2006, S. 82.