09.11.2007

Kapitaldoping

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Kapitaldoping

von Ignacio Ramonet

Während der kritische Diskurs über die Schrecken der Ökonomie, der eine „andere Globalisierung“ im Auge hatte, sich verzettelt und kaum mehr vernehmbar ist, etabliert sich ein neuer Kapitalismus, der noch rücksichtsloser ist als der bislang gewohnte. In Gestalt der Private Equities betritt ein neuer Typ des Investors die Bühne der globalen Ökonomie: raubgierige Finanzfonds, die nicht nur einen mächtigen Appetit, sondern auch gigantische Geldsummen zur Verfügung haben.

Die Namen der neuen Titanen sind einem breiteren Publikum kaum bekannt. Schattenhafte Unternehmen wie Carlyle Group, Blackstone, Apollo, Cerberus ode Texas Pacific Group versuchen die gesamte Weltwirtschaft in ihre Hand zu bringen. Die Fonds verfügen über eine phänomenale finanzielle Feuerkraft von 1.100 Milliarden Euro. In den USA haben die Private Equities 2006 rund 290 Milliarden Euro in Unternehmensbeteiligungen angelegt, im ersten Halbjahr 2007 waren es schon 220 Milliarden, mit denen etwa 8 000 Unternehmen übernommen wurden.

Schon heute ist jeder vierte Arbeiter in den USA und jeder zwölfte in Frankreich bei einem dieser ökonomischen Kolosse beschäftigt. Bekannte französische Unternehmen werden inzwischen von meist englischen Private Equities beherrscht, die nun die größten 40 Konzerne am französischen Aktienmarkt (CAC 40) ins Visier nehmen.

Solche Fonds gibt es zwar schon seit etwa 15 Jahren, aber diese bedrohliche Aggressivität haben sie – „gedopt“ mit billigen Kredite und immer raffinierteren Finanzinstrumenten – erst in jüngster Zeit entwickelt. Dabei ist ihr Erfolgsrezept ganz simpel: Ein Klub reicher Investoren beschließt, Unternehmen zu kaufen, die sie dann nach eigenem Gusto leiten, ohne die Börsenregeln beachten und sich vor „pingeligen“ Aktionären verantworten zu müssen. Die Idee besteht im Kern darin, die Regeln der alten „kapitalistischen Ethik“ zu umgehen und an deren Stelle die Gesetze des Dschungels zu etablieren.

Wie zwei Experten in Capital verrieten, läuft das Ganze so ab: „Beim Kauf eines Unternehmen, das 100 Einheiten wert ist, zahlt der Fonds 30 Prozent aus eigener Tasche und leiht sich 70 Prozent von der Bank (…) Innerhalb von drei, vier Jahren reorganisiert er dann den Laden, rationalisiert die Produktion, entwickelt neue Aktivitäten und verwendet die Profite teilweise oder ganz dazu, den aufgenommenen Kredit zu bedienen. Dann verkauft er das Unternehmen zum Wert von 200 – oft an den nächsten Fonds, der das Spiel von Neuem beginnt. Hat der erste Fonds die Kredite von 70 Prozent abbezahlt, bleiben ihm also 130. Bezogen auf die eingesetzten Eigenmittel von 30 Prozent macht das in vier Jahren einen Profit von über 300 Prozent. Was will man mehr?“

Weil dabei die Fondsmanager aberwitzige Vermögen machen, setzen sie in den erworbenen Unternehmen skrupellos die vier Hauptprinzipien der Rationalisierung um: Personalabbau, Lohndrückerei, Arbeitsintensivierung und am Ende Produktionsverlagerung ins Ausland. Das Ganze wird, wie in Frankreich, von einem Staat ermuntert, der von der „Modernisierung“ des Produktionsapparats träumt, und von Gewerkschaften verdammt, die das Ende des geltenden Sozialvertrags beklagen.

Bis vor kurzem glaubten einige, mit der Globalisierung sei der Kapitalismus endlich satt zu kriegen. Doch offenbar hat seine Gefräßigkeit keine Grenzen. Wie lange noch?

Le Monde diplomatique vom 09.11.2007, von Ignacio Ramonet