Militärs als Unternehmer
Es überrascht wenig, dass die meisten Großunternehmer des Landes laut einer Umfrage die Militärherrschaft einer zivilen Regierung vorziehen. Auch die übrigen Eliten Pakistans haben ihren Frieden mit der mächtigen Militärkaste gemacht.
Musharraf behauptete, mit dem am 2. November verhängten „Ausnahmezustand plus“ (wie er es nennt) wollte er nur verhindern, dass religiöse Extremisten den Staat erobern. Gleichzeitig geht es wohl darum, die exorbitante politische und ökonomische Macht der Streitkräfte zu bewahren, die von vielen als die größte politische Partei Pakistan bezeichnet wird. Der Kampf gegen den Terror ist nur Vorwand, um eine freie Justiz und die bürgerlichen Freiheitsrechte zu beseitigen.
Die Armee ist andererseits auch die einzige Institution, die Musharraf in die Schranken weisen könnte. Aber das ist wenig wahrscheinlich, denn die pakistanische Armee hat einen grundlegenden Wandel durchgemacht. Mittlerweile spielt sie als Finanzmacht eine bedeutende Rolle, und führende Generäle drehen auf wirtschaftlicher Ebene ein großes Rad. Musharraf hat als Staatschef dafür gesorgt, dass die Offizierskader nicht nur über den Verteidigungshaushalt mit staatlichen Geldern versorgt wird, sondern sich und ihre zivile Klientel auch bei den übrigen Wirtschaftssektoren bedienen kann.
Die Macht und Bedeutung dieser Armee fällt rasch ins Auge. In jedem Stadtzentrum steht ein gigantisches Denkmal, das die pakistanische Rakete feiert. Auf den Märkten werden massenhaft Produkte angeboten, die aus den Fabriken des Militärs stammen. Und die produzieren nicht nur Panzer, Kampfflugzeuge und Geschütze, sondern auch Porridge und Waschmittel, Mineralwasser und Zement, Kunstdünger und Strickwaren. Das Militär besitzt eine Bank und betätigt sich in der Landwirtschaft, im Dienstleistungssektor und in der Fertigungsindustrie. Sein Kapital investiert es sowohl im formellen als auch im informellen und illegalen Sektor. Die Armee bezieht auch einen weit größeren Anteil des staatlichen Budgets als jede andere staatliche Institution.
Diese ökonomische Macht des Militärs ist eine logische Konsequenz seiner politischen Macht, angelegt schon seit der Staatsgründung von 1947. Deren Folge war der erste Krieg mit Indien, nach dem 75 Prozent der Haushaltsmittel in den Verteidigungsetat flossen.
Das Militär hat auch ein bedeutendes – und kaum durchschaubares – privatwirtschaftliches Imperium aufgebaut. So werden große Unternehmen unter Beteiligung der Streitkräfte betrieben, die auf personeller Ebene durch aktive wie pensionierte Offiziere repräsentiert sind. Als Vorbilder dienen hier China und Indonesien, wo ebenfalls aktive Militärs in Wirtschaftsunternehmen tätig sind.
Dieses ökonomische Modell operiert auf drei Ebenen. Erstens unterhält die Armee in Pakistan drei gigantische Organisationen, die (wie auch hunderte kleine Unternehmen) als Kooperative organisiert sind. Die Frontier Works Organisation (FWO) ist das größte Bauunternehmen und engagiert sich bei Infrastruktur-Großprojekten; die National Logistics Cell (NLC) kassiert die Straßenmaut, ist aber zugleich das größte Transportunternehmen und übernimmt auch größere Bauprojekte; die Special Communications Organisation (SCO) ist das Telekommunikationsunternehmen für die nördlichen Provinzen und Kaschmir.
Die meisten Straßenbauprojekte gehen an die FWO und die NLC, weil sie im Ruf stehen, weniger korrupt und effizienter zu sein als zivile Unternehmen. Entlang den Autobahnen stehen große Plakate, auf denen die FWO und die Armee gepriesen und die Autofahrer aufgefordert werden, dem Unternehmen für ihre diese wunderbare Straße zu danken. Solche Werbesprüche sollen die mangelnde Professionalität und die Korruption dieser Unternehmen, die niemandem rechenschaftspflichtig sind, aus dem Gedächtnis verbannen. Zum Beispiel die Erinnerung an eine von der NLC gebaute Brücke bei Karatschi, die nur eine Woche nach ihrer Einweihung einstürzte und sieben Menschen in den Tod riss.
Die FWO, die 1966 für den Bau der Karakorum-Straße (die Verbindung zwischen Pakistan und China) gegründet wurde, ist auch mit dem Bau der Laih-Schnellstraße beauftragt. Der Auftrag im Wert von 18,8 Milliarden Rupien (zirka 200 Millionen Euro) wurde ohne Ausschreibung vergeben. Während dieses Projekt in Gang ist, das dem Unternehmen pro Kilometer 1,8 Milliarden Rupien einbringt, vernachlässigt die FWO ihre Hauptaufgabe, die Instandhaltung der Karakorum-Fernstraße. Darüber hinaus betreibt das Militär noch hunderte von Garagen, Bäckereien, Supermärkten, Restaurants und sogar Schönheitssalons, wobei diese Betriebe staatliche Räume oder Flächen in Anspruch nehmen können.
Die zweite Ebene bilden die fünf Tochterunternehmen des Militärs: die Fauji Foundation, eine wohltätige Stiftung unter Kontrolle des Verteidigungsministeriums; den von der Armee kontrollierten Army Welfare Trust (AWT); die Shahin Foundation der Luftwaffe; die Bahria Foundation der Kriegsmarine; und schließlich die Pakistan Ordnance Factories Foundation, also die Holding der militäreigenen Rüstungsbetriebe. Diese fünf Töchter operieren mit 100 großen Unternehmen in allen möglichen Branchen. Sie betreiben Zement-, Düngemittel- und pharmazeutische Fabriken, Fluggesellschaften und Banken, Unternehmen im Finanz-, Versicherungs- und Immobiliensektor wie auch in der IT-Branche und im Erziehungswesen. In der Schwerindustrie liegt der Anteil der Armeebetriebe an der Gesamtproduktion bei einem Drittel.
Die meisten Topmanager dieser Unternehmen leugnen ihre Verbindungen mit dem Militär und behaupten, sie seien Zivilisten, und im Übrigen beschäftige man nur pensionierte Offiziere. Tatsächlich ähneln die fünf „Stiftungen“ der Oyak, jener Stiftung des türkischen Militärs, die das Kapital aus ihrem Pensionsfonds in ein Konglomerat von hunderten Firmen investiert hat (siehe Türkei-Artikel S. 8). Auch im pakistanischen Fall beschränkt sich der Zweck dieser Unternehmen keinesfalls darauf, ausgeschiedene Offiziere zu beschäftigen. Der politische Einfluss des Militärs dient vielmehr gezielt dazu, ein Wirtschaftsimperium aufzubauen, dessen Strukturen nicht transparent sind. Obwohl die Unternehmen dieses Imperiums unter der Hand öffentliche Gelder beziehen, unterliegen sie nicht der strengen Rechenschaftspflicht, die für den öffentlichen Sektor gelten. In mehreren Berichten des staatlichen Rechnungshofs wurde offenbart, wie viele öffentliche Gelder in den Unternehmen des Militärs versickern. Eine zur AWT gehörige Firma namens Askari Aviation vermietet Hubschrauber, die sie sich völlig unentgeltlich von der Armee besorgen kann.
Der Marktwert dieser Unternehmen beträgt insgesamt etwa 250 Milliarden Rupien (2,7 Milliarden Euro). Inzwischen werden neun Aktiengesellschaften, die den genannten Stiftungen zugeordnet sind, an der Börse gehandelt und sind damit zwangsläufig transparenter als die übrigen Bereiche des militärischen Wirtschaftsimperiums.
Am wenigsten transparent ist die dritte Ebene der ökonomischen Macht des Militärs: die mannigfachen Vergünstigungen, die aktive und pensionierte Offiziere genießen. Ihnen gewährt der Staat Grundstücke und andere Versorgungsleistungen im Wert von vielen Milliarden Rupien, auch lukrative Posten nach der Pensionierung. Diese Leistungen werden ungleich verteilt: Die größten Nutznießer sind immer die höheren Ränge. Pensionierte Generäle bekommen zum Beispiel ihre Butler und Chauffeure bezahlt. Noch bedeutsamer sind die Immobilien. Die meisten höheren Chargen besitzen sechs oder sieben Grundstücke an verschiedenen Orten. Offiziere mit strengeren Moralvorstellungen begnügen sich mit einem oder zwei Domizilen. Musharraf besitzt acht teure Immobilien, die er mit Hilfe seiner Militär-Connections erworben hat.
Seit Musharraf an der Macht ist, wurden etwa 1 200 höhere Offiziere auf Schlüsselpositionen im öffentlichen Sektor berufen. Bei neun von zwölf Stromversorgern sitzen Offiziere auf den Managersesseln; hier handelt es sich praktisch um militärische Unternehmen. Hohe Militärs werden auch zu Botschaftern oder Vizerektoren staatlicher Universitäten ernannt.
Auch für die Privatwirtschaft sind ehemalige Offiziere interessant: Mit ihrem Einfluss und ihren Beziehungen zu alten Kameraden und Freunden in der Regierung sollen sie für neue Aufträge sorgen. Andere nutzen ihren Einfluss zugunsten ihrer privaten Firmen. Als Erster tat dies in den 1960er-Jahren der damalige Präsident General Ayub Khan, der seinen Sohn zum Großunternehmer machte. Auch die Söhne von General Zia-ul-Haq und von General Akhtar Abdul Rahman (Chef des Geheimdienstes ISI zur Zeit der pakistanischen Operationen in Afghanistan) machten mit ihren Geschäften viele Millionen Dollar.
Die geschilderten Privilegien und Nebenleistungen sind Teil des „Gesellschaftsvertrags“ zwischen der Institution Militär und ihrem Personal. Kein Wunder, dass die Angehörigen der Armee ihre politische Macht und ihre Dominanz über den Staat verteidigen. Als Unternehmer haben sie mittlerweile so viel zu verlieren, dass sie nicht scharf darauf sind, ihre Macht an zivile Politiker abzutreten. Ayesha Siddiqa
Aus dem Englischen von Niels Kadritzke Ayesha Siddiqa schreibt über Militärthemen. Sie publizierte das Buch „Military Inc.: Inside Pakistan’s Military Economy“, London (Pluto Press) 2007.