10.10.2003

Ökologisches Vorbild USA

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Ökologisches Vorbild USA

IN Deutschland bewegt sich der Güterverkehr zu 63 Prozent auf der Straße, zu 20 Prozent auf der Schiene und zu 17 Prozent auf den Binnenwasserwegen. Nach einer Prognose der Bundesregierung wird sich der Gesamtgüterverkehr bis 2015 um 65 Prozent erhöhen, der Straßenverkehr dagegen um 100 Prozent. Angesichts solcher Zuwachsraten und ihrer ökologischen Konsequenzen peilt der Bundesverkehrswegeplan 2003 erstmals die Gleichberechtigung von Schiene und Straße an. Bis 2015 sollen etwa 150 Milliarden Euro in die Verkehrswege investiert werden, davon 77,5 Milliarden Euro in das Straßennetz, 77,9 Milliarden in die Schienenwege und 7,5 Milliarden in die Wasserstraßen. Auch die Mautgebühr für Lkws über 12 Tonnen soll die Wettbewerbsbedingungen von Schiene und Straße egalisieren. Denn hier wird erstmals auch der Straßengüterverkehr für die Nutzung der Infrastruktur zur Kasse gebeten. Doch der ökologische Effekt würde verpuffen, sollten deutsche Transportunternehmen tatsächlich für die Mautkosten indirekt kompensiert werden. Zudem wird die Alternative zur Straße nicht gerade gefördert, wenn man die Transportkapazitäten der Schiene verringert. So baut die Deutsche Bahn tausende von Verladestellen ab, weil sie sich auf die lukrativen langen Strecken konzentrieren will.

Doch die Zunahme des Güterverkehrs ist vor allem ein europäisches Problem. Das Zusammenwachsen der Märkte, die immer stärkere Arbeitsteilung und Verflechtung und zumal das „Just-in-time“-Kalkül der Speditionen, die mit „rollenden Warenlagern“ die Straßen verstopfen, haben die Zahl der gefahrenen Lkw-Kilometer drastisch erhöht. Um Kooperation in Wirtschafts- und Umweltfragen kommen europäische Staaten also nicht herum, denn nur mit EU-einheitlichen Mindeststandards – etwa bei Mautgebühren oder Fahrzeiten – lässt sich ein rabiater Wettlauf zwischen einzelnen Standorten verhindern.

In den EU-Beitrittsländern liegt der Marktanteil der Bahn zur Zeit – nach einer Studie der Europäischen Umweltagentur – bei 40 Prozent gegenüber 19 Prozent der Straßentransporte. Doch hier droht eine Anpassung an das schlechte Vorbild der alten EU-Länder, denn als Folge des Rückgangs der Schwerindustrie und der Öffnung der Märkte für westeuropäische Speditionen verlagert sich der Güterverkehr auch hier zusehends auf die Straße. In den USA, die sonst kaum als Vorreiter nachhaltiger Verkehrspolitik gelten, ist die Schiene übrigens weitaus erfolgreicher als in Europa. Dort werden 40 Prozent aller Güter per Bahn und nur 25 Prozent per Lkw transportiert.

PATRICK BATARILO

Le Monde diplomatique vom 10.10.2003, von PATRICK BATARILO