12.05.1995

Birmas lächelnde Diktatur

zurück

Birmas lächelnde Diktatur

MIT der offenkundigen Zustimmung des Westens, Südostasiens, Chinas und Japans hält die Diktatur von Rangun die birmesische Bevölkerung in einem Zustand, den man mit Fug und Recht als Sklaverei bezeichnen kann. Die Bevölkerung wird gezwungen, auf Baustellen zu arbeiten, die ausländische Investitionen erleichtern sollen. Und schon bald werden überall exotische Plakate mit bezauberndem Lächeln prangen: 1996 feiert Birma das „Jahr des Tourismus“.

Von ANDRÉ und LOUIS BOUCAUD *

Wiederherstellung der inneren Sicherheit, um ausländische Investitionen zu erleichtern – das ist der Sinn der brutalen militärischen Operationen, die die birmesische Diktatur nach einer einseitig verkündeten Unterbrechung von zwei Jahren wiederaufgenommen hat. Ende 1994 startete der Staatsrat zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung (State Law and Order Restoration Council, SLORC) neue Offensiven gegen die Karen- und die Mon-Rebellen.

Nachdem sie die Karen National Union (KNU) mit Erfolg religiös gespalten hatte, wobei sich die buddhistischen Mitglieder gegen die mehrheitlich christliche Leitung stellten, gelang es der Armee innerhalb weniger Tage, die Verteidigungslinien um den Zugang zum Hauptquartier in Manerplaw zu durchbrechen, die den wiederholten Angriffen zwischen Dezember 1991 und März 1992 noch gut standgehalten hatten. Am 26. Januar ordneten die Befehlshaber der Karen die Räumung ihrer Basis nach vorheriger Zerstörung an. Dieser Winkel des Dschungels hatte zwar kaum strategische Bedeutung, war aber zum Zentrum des politischen und militärischen Widerstands gegen die Diktatur geworden – sowohl von ethnischen Minderheiten wie von den Organisationen der birmanischen Opposition. Führer der Karen wie auch politische Oppositionelle haben die Bedeutung dieser Angelegenheit heruntergespielt und ihren Willen zur Fortsetzung des Kampfes betont. Doch dieses nahe an der Grenze zu Thailand gelegene „Medien-Schaufenster“, das ihnen einen gewissen internationalen Rückhalt verschaffte, haben sie verloren.

Diese Wende ist von großer Bedeutung für die Militärjunta. Die Neutralisierung oder Ausmerzung des bewaffneten Widerstands erleichtert ihr den Machterhalt. Zwar versuchen die Karen und die Mon, ihre Kräfte im Inneren des Landes neu zu entfalten, um dort Guerilla-Aktionen zu unternehmen, aber der Verlust ihrer Basis schwächt ihre Logistik, die ganz auf das thailändische Hinterland angewiesen ist. Mit der im März proklamierten Einstellung der Angriffe, um Verhandlungen zu erleichtern, haben die Karen praktisch das bevorstehende Ende einer Rebellion verkündet, die schon seit fast fünfzig Jahren andauert.

Thailand hat lange Zeit vom Schmuggel profitiert und dabei die Aufständischen in Birma indirekt unterstützt. Aber seit einigen Jahren hat es seine Politik geändert. Die Regierung in Bangkok glaubt, daß ein „konstruktives Engagement“ die Entwicklung des Regimes von Rangun in einem demokratischen Sinn fördern wird. Thailands einziges Ziel ist in Wahrheit eine Intensivierung der Handelsbeziehungen. Es hat einen großen Bedarf an Rohstoffen, die in Birma noch verfügbar sind, insbesondere an Energiereserven, die es für seine eigene Entwicklung braucht.

Um den Zufluß ausländischen Kapitals zu ermutigen, muß der SLORC beweisen, daß er für die Sicherheit von Gebieten garantieren kann, die für multinationale Firmen von Interesse sind. Von daher ist es nur logisch, den Widerstand der Karen in der Grenzregion auszulöschen. Der Süden Birmas hat durch ein Pipeline-Projekt beträchtlich an Bedeutung gewonnen – die Leitung soll von einem Gasvorkommen vor der Küste des Golfs von Martaban nach Thailand führen. Die Gasreserven von Yanada werden auf 50 bis 140 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Die 415 Kilometer lange Pipeline wird täglich 7 bis 8 Millionen Kubikmeter an ein Kraftwerk mit 2.100 Megawatt Leistung in Ratchaburi liefern. Der Vertrag darüber wurde wenige Tage nach dem Fall von Manerplaw von der französischen Firma Total, der amerikanischen Firma Unocal und der Thailändischen Ölgesellschaft (PTT) unterzeichnet. Das Grundkapital ist mit einer Milliarde Dollar veranschlagt worden. Dadurch wird die französische Firma zum größten ausländischen Investor im Lande – bisher rangierte Frankreich weit hinter Singapur und Thailand.1

Thailand auf der Suche nach Wasser

GENERAL Bo Mya, der Präsident der Karen National Union, hat erklärt, er sei im Prinzip nicht gegen den Verkauf von Gas an Thailand, solange die Gewinne nicht der Stärkung der Diktatur dienten. Zur Sicherung der künftigen Gasleitung hat die birmesische Armee 25 Bataillone Infanterie und Artillerie im Tavoy-Distrikt aufmarschieren lassen. Ein amerikanischer Verantwortlicher hat zu Beginn des Jahres verlauten lassen, daß jeder Versuch einer Sabotage der Anlagen die angemessene Antwort erhalten würde. Diese Drohung zielte auf die Karen – aber den Angriff auf eine Baustelle, bei dem es Anfang März fünfzehn Tote und Verletzte gab, konnte sie nicht verhindern. Die Information über dieses Attentat kam natürlich nicht von birmesischer Seite, sondern durch eine Mitteilung von Total, die klarstellte, daß sich unter den Opfern keine Franzosen befinden.

Thailand benötigt Energie, aber auch Wasser, da es seit Jahren unter Dürre leidet. Darum hat es dem SLORC vorgeschlagen, die birmanischen Wasserreserven zu erschließen. Die thailändische Stromgesellschaft (EGAT) hat sechs mögliche Stausee-Projekte unweit der Grenze untersuchen lassen, die eine Investition von 700 Millionen Dollar erfordern würden. Zwei davon sollen entlang des Flusses Salween angelegt werden, 90 Prozent der erzeugten Energie würden exportiert. Diese Wasserspeicher würden Tausende von Quadratkilometern des Shan-Staates überfluten, andererseits aber die Bewässerung von 70.000 Hektar Ackerland in Thailand ermöglichen. Sie lägen im Süden des Shan-Staates, auf einem Streifen zwischen dem Salween und der Grenze, der von der Mong Tai Army (MTA), der Shan-Armee unter Khun Sa, kontrolliert wird.

Khun Sa bezieht seine Einkünfte aus dem Drogengeld, hat aber seine Organisation nach und nach in eine politische Bewegung verwandelt, deren Einfluß sich auf den gesamten Shan-Staat erstreckt – zur großen Beunruhigung der Generäle in Rangun, die ihn in Ruhe ließen, solange er sich damit begnügte, Mohn anzupflanzen und Heroin zu verkaufen.2 Die Stausee-Projekte bringen Khun Sa allerdings in dieselbe Lage wie die Karen angesichts der Gasleitung. Sein Hauptquartier in Ho Mong liegt auf einmal in einer Zone von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Der Fall der Lager der Karen hat bei der MTA eine gewisse Beunruhigung ausgelöst, zumal die birmesische Armee die Shan-Stützpunkte umzingelt hat und mehrere Male versuchte, den Salween zu überschreiten. Die Kämpfe haben seit einem Jahr Hunderte von Toten gefordert. Doch anders als die Karen, die sich an ihr Hauptquartier geklammert haben, hat der Shan-Führer erklärt, daß er Ho Mong nicht um jeden Preis verteidigen wolle.

Eine Offensive gegen Khun Sa hätte für den SLORC einen doppelten Vorteil: Er könnte die Kontrolle über eine Region von großem wirtschaftlichem Potential gewinnen, und er könnte das Image der Diktatur vor allem in der amerikanischen Öffentlichkeit verbessern – indem er seinen Willen zeigt, das Drogenproblem anzugehen. Die Führer in Rangun haben begriffen, daß sie mit der amerikanischen Behörde zur Bekämpfung des Drogenhandels (Drug Enforcement Administration, DEA) kooperieren müssen, wenn sie die Wiederaufnahme der Hilfe der Vereinigten Staaten und damit auch anderer Länder sowie mehr Investitionen erreichen wollen – und die DEA ist von Khun Sa geradezu besessen. Der Shan-Führer dient als Alibi, um das Verlangen nach Militärhilfe – vor allem Hubschrauber – zu rechtfertigen. Was die birmesische Armee aber nicht daran gehindert hat, Ende 1994 in China eine neue Lieferung im Wert von 400 Millionen Dollar zu bestellen.3

Die Vertreter der DEA unterstützen die Forderungen des SLORC, ohne sich im geringsten um die Lage der Menschenrechte im Lande zu kümmern. Sie beteiligen sich auch an der Vernichtung von angeblich beschlagnahmten Drogen und arbeiten so den neuen Drogenbaronen in die Hände, die sich allesamt den Generälen des SLORC angeschlossen haben, wie Lo Hsing Han, Li Min Shin oder Yang Mu An.

Das State Department stellt sich gegen diese Haltung der DEA, was für einige Verantwortliche der Clinton-Administration gar nicht zutrifft. Der Drogenbeauftragte des Weißen Hauses, Lee P. Brown, ist für eine Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit der Diktatur. Er findet dafür Unterstützung beim Direktor des DEA, Thomas Constantine, sowie dem Unterstaatssekretär Timothy E. Wirth. Diese hohen politischen Beamten sind der Auffassung, daß alle Opiumanbaugebiete in Regionen liegen, die von separatistischen Minderheiten oder von bewaffneten Rebellen beherrscht werden. Das von Khun Sa kontrollierte Territorium gehört zu dieser Kategorie. Die mit dem Drogenhandel verbundene Korruption betreffe, so die amerikanischen Experten, nur die mittleren Ränge der birmesischen Armee.

Die DEA vergißt dabei zu erwähnen, daß UNO-Behörden über Satellitenfotos verfügen, nach denen die Mohn-Anbauzonen vor allem in Sektoren liegen, die entweder von ebendieser Armee kontrolliert werden oder von Milizen, die mit ihr Waffenstillstandsabkommen geschlossen haben. Die Grenzregion zu Laos wiederum, in der sich angeblich die Heroin-Laboratorien von Khun Sa befinden, unterliegt fast vollständig der Kontrolle von Li Min Shin, einem der mächtigsten Drogenbarone und engsten Freunde von General Khin Nyunt, dem starken Mann des SLORC.

So argumentieren auch all jene amerikanischen Verantwortlichen, die gegen eine Zusammenarbeit mit der Junta sind. Etwa der nationale Sicherheitsberater Sandy Berger und John Shattuck, Mitarbeiter des Ministers für Menschenrechtsfragen. Beide meinen, daß das Regime keinerlei Unterstützung in der Bevölkerung hat und daß der Kampf gegen die Drogen nur erfolgreich sein kann, wenn es eine demokratisch gewählte Regierung unter Einschluß der ethnischen Minderheiten gibt.

Allerdings zeigen sich immer mehr Staaten erfreut über die ökonomische Öffnung Birmas. Die jüngsten militärischen Erfolge der Machthaber sind durchaus geeignet, die Multis, die lieber mit starken und stabilen Regimen zusammenarbeiten, zu beruhigen. Sie äußern nur Sorge über Attentate von separatistischen Gruppen, die täglichen Übergriffe der Armee kritisieren sie kaum. Die Junta hat überdies alle Welt getäuscht, als sie glauben machte, es gäbe einen Dialog mit Aung San Suu Kyi, der berühmten Chefin der demokratischen Opposition, die nach wie vor in Rangun gefangengehalten wird. Gleich nach dem Ende der Sitzungsperiode der UNO ließ General Khin Nyunt die Maske fallen: Er erklärte, daß sie erst in zwei oder drei Jahren befreit werden könne, nachdem der Nationalkonvent seine Arbeit abgeschlossen hat.

Die sogenannte Entwicklungspolitik des Regimes besteht derweil in schamloser Unterdrückung der Bevölkerung, die auf dem gesamten Staatsgebiet zu Zwangsarbeiten herangezogen wird. Es handelt sich um regelrechte Sklaverei, die von der Armee zum Ausbau der Infrastruktur gesteuert wird. Amnesty International, aber auch anderen Menschenrechtsorganisationen – besonders die Gruppe des Kanadiers Kevin Heppner – haben diese Methoden mit denen der Roten Khmer oder der Nazis in den besetzten Ländern verglichen.

Die großen Bauvorhaben haben sowohl eine strategische wie eine wirtschaftliche Bedeutung. Eine Straße zwischen den Städten Tachilek, Kengtung und Dalua soll eine echte Handelsverbindung zwischen Thailand und China ermöglichen. Der Warenaustausch zwischen der Provinz Yunnan und Birma ist in weniger als zehn Jahren von 150 auf 800 Millionen Dollar gestiegen.

Das Eisenbahnnetz wird ausgebaut. Die Trasse zwischen Ye und Tavoy dient der Logistik der künftigen Gasleitung. Für den Bau der Eisenbahnlinien zwischen Shwe Nyawng und Nam Sang (im Shan-Staat) sowie zwischen Loikaw und Aungban (im Karen-Staat) sollen mehrere zehntausend Zwangsarbeiter eingesetzt worden sein. Zum Schutz gegen Rebellen müssen die an der Bahntrasse gelegenen Dörfer Wächter abstellen, die mit ihrem Leben für jeden Sabotageakt einstehen.

Dieses System betrifft jede Familie, Männer und Frauen zwischen 12 und 60 Jahren. Auf Märkten und auf Bahnsteigen werden Razzien durchgeführt, wobei alle Vorwände gut sind, um die Arbeitslager zu füllen. Die einen arbeiten als Träger, die anderen werden auf Baustellen im Dschungel geschickt. Die Armee liefert fast keine Nahrung. Mißhandlungen, Vergewaltigungen, Morde, Erpressung, Ausplünderung von Dörfern sind an der Tagesordnung. Daher fliehen die Menschen zu Tausenden nach Thailand. Dort aber fürchtet man die Wiederholung der Ereignisse an der Grenze zu Kambodscha in den achtziger Jahren, und deshalb werden die Flüchtlinge abgewiesen, manchmal sogar der birmesischen Armee ausgeliefert.

General Tin Oo, Stabschef der birmesischen Armee, sagte im Februar 1995 in Bangkok, als er bei seinem Amtskollegen zu Besuch war, daß Thailand alle Flüchtlinge zurückschicken solle: so würde es sich einer Last entledigen und den großen Bauvorhaben Arbeitskräfte zuführen.

Denn schließlich hat ja die Junta 1996 zum „Jahr des Tourismus“ in Birma erklärt. Die Aufenthaltserlaubnis, die bisher auf eine Woche begrenzt war, ist auf dreißig Tage ausgedehnt worden. Man will die Zahl der Besucher verzehnfachen und so den Devisenzufluß verstärken. Charterflüge wurden erlaubt mit Direktflügen nach Mandalay, Pagan und Kengtung. Auch Moulmein und Kawthaung sind nun den Touristen zugänglich sowie die Badeorte auf den Inseln im Archipel von Mergui: diverse Hotelketten haben 180 Millionen Dollar investiert, darunter die Accor-Gruppe, die zur thailändischen LP Holding gehört. Siebzehn Luxushotel-Komplexe sind im Bau, andere werden renoviert, darunter das berühmte Strand in Rangun. Ein Teil der in die touristische Infrastruktur investierten Summen stammt aus dem Drogenhandel – geschickte Geldwäsche.

Und natürlich muß saubergemacht werden. Bewohner Mandalays, der zweitgrößten Stadt im Land, die kein Geld haben, um sich von den Zwangsarbeiten freizukaufen, müssen dafür drei Tage im Monat zur Verfügung stehen. Dabei sind sie in Gesellschaft von politischen Gefangenen oder gewöhnlichen Kriminellen, die mit Ketten an den Füßen in der Nähe des ehemaligen Königspalastes arbeiten. Eine Praxis, an der die Freunde der neuen Liberalität des Regimes keinen Anstoß nehmen. Sie begrüßen die „Aktion Wohlstand“ dieser Diktatur auf dem birmanischen Weg zum Kapitalismus.

1 Die ausländischen Investitionen (einschließlich Gasleitungen) betragen 2,377 Milliarden Dollar. Ende 1994 betrugen sie noch 1,339 Milliarden, wobei die Anteile von Singapur und von Thailand 293 bzw. 264 Millionen Dollar betrugen.

2 Dazu: André und Louis Boucaud: „Derrière les sourires de la narco-dictature birmane“, in: Le Monde diplomatique, Juni 1994.

3 Dazu: André und Louis Boucaud: „Pékin – Rangoun, nouvel axe asiatique“, in: Le Monde diplomatique, Mai 1993.

* Verfasser von „Golden Triangle. On the Trail of Opium Warlords“, Asia 2000, Hongkong 1992.

Le Monde diplomatique vom 12.05.1995, von A. Boucard und L. Boucard