13.10.1995

Mitbestimmung, wohin?

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Mitbestimmung, wohin?

IST es denkbar, daß die repräsentative Demokratie in den Unternehmen durch die Einführung einer direkten Beteiligung überwunden wird, und wenn ja, wird dann letztere notwendigerweise einer demokratischen Logik gehorchen? Dominique Martin macht diese doppelte Frage zur Grundlage seiner fundierten Untersuchung1 über den Sinn, die Modalitäten und die Irrtümer einer Thematik – mitten hinein in eine zugleich aktuelle wie zeitlose Debatte.

Ihr Urbild wurde von Proudhon und seinen Schülern geprägt, die allen großen Institutionen mehr als ablehnend gegenüberstanden. Da der Taylorismus den Arbeitern jegliche Mitwirkung verweigerte, wuchs der Wunsch der Arbeiter nach Einflußnahme auf die Organisation des Unternehmens zwangsläufig, ein Wunsch, dem die Unternehmer nur teilweise, sehr ungenügend, kompensatorisch nachkamen.

Diese historische Perspektive fortschreibend, beleuchtet Dominique Martin die heutigen Schwierigkeiten dieser einstmals so schönen Idee, die sich längst von ihren Ursprüngen entfernt hat. Denn zu Beginn war sie zu politisch – stellte sie doch die Machtfrage im Unternehmen –, als daß das beteiligte Management sie hätte in die effiziente Betriebsführung einbeziehen können. „Die Politik der Mitbestimmung hat keineswegs eine eindeutig demokratische Ausrichtung.“ Eine durch überzeugende Argumente gestützte Schlußfolgerung einer gründlichen Untersuchung.

JACQUES LE GOFF

1 Dominique Martin, „Démocratie industrielle. La participation directe dans les entreprises“, Paris (PUF) 1994

Le Monde diplomatique vom 13.10.1995, von Jacques le Goff