10.11.1995

Rettungsaktionen

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Rettungsaktionen

ALS im vergangenen Dezember die Peso-Krise ausbrach, war Mexiko noch der Star unter den „Schwellenmärkten“ und das Hätschelkind der ausländischen Investoren, die sich auf die tesobonos (auf Dollar lautende Regierungsobligationen mit hoher Rendite) gestürzt hatten.1 Die auf die Finanzkrise folgende „Rettung“ des Landes spielte sich unter ungewöhnlichen Umständen ab. Statt sich Schlachten mit dem Kongreß zu liefern, deren Ausgang höchst ungewiß gewesen wäre, zog es der Präsident der USA vor, aus einem Geheimfonds, der im Prinzip für die Verteidigung der amerikanischen Währung vorgesehen ist, eine internationale Kreditlinie in Höhe von 50 Milliarden Dollar einzurichten. Allein der amerikanische Beitrag belief sich auf 20 Milliarden Dollar (das sind 40% mehr als der Gesamtetat für Auslandshilfe), der Rest kam vom Internationalen Währungsfonds, von der Bank für internationalen Zahlungsausgleich und aus anderen Quellen.

Dabei berief sich Präsident Clinton auf den „Nutzen für unser Land, für unsere Arbeitsplätze und auf die Stabilität der Region“2, um eine Maßnahme zu rechtfertigen, die von 79% der Amerikaner abgelehnt wurde. Obwohl ihre Truppen rebellierten, stellten sich wenigstens dieses Mal die republikanischen Führer des Kongresses, Robert Dole und Newt Gingrich, hinter den Präsidenten. Andere Politiker, wie zum Beispiel der konservative Patrick Buchanan, einer der möglichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten, prangerten die „Wall-Street-Rettungsaktion“ aufs heftigste an.

In der Tat sind trotz einer katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Situation (die Inflation liegt bei 50%, die Arbeitslosigkeit bei 25% und der Rückgang des Bruttosozialprodukts bei 7%) die gesamten Gelder bis heute ausschließlich für die Rückzahlung der tesobonos verwendet worden, von denen 19,5 Milliarden Dollar im Laufe des ersten Halbjahres 1995 fällig wurden. Für Präsident Ernesto Zedillo hat die Stabilität der Finanzmärkte absoluten Vorrang, denn nur dadurch kann Mexiko das Vertrauen der ausländischen Investoren zurückerlangen.

I. W.

1 Siehe: Ibrahim Warde, „Die Tyrannei des „ökonomisch Korrekten“, Le Monde diplomatique (dt.), Mai 1995.

2 The New York Times, 2. Februar 1995.

Le Monde diplomatique vom 10.11.1995, von I. W.