10.11.1995

Blick hinter die Kulissen

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Blick hinter die Kulissen

Blick hinter die Kulissen

Die vorliegende Ausgabe von Le Monde diplomatique ist die 500. Nummer der Monatszeitung, die Hubert Beuve-Méry vor 41 Jahren, im Mai 1954, gegründet hat. Unserer Zeitung geht es gut, vor allem wenn man bedenkt, daß die Medienwelt derzeit von der Wirtschaftskrise und dem Vormarsch neuer Informationstechnologien stark erschüttert wird (vgl. Artikel auf dieser und den folgenden Seiten); ihre Verbreitung nimmt zu (im Schnitt wurden 1995 bislang 155500 Exemplare pro Monat verkauft, 3% mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres), die Zahl ihrer Abonnenten (41500) wächst, die fremdsprachigen Ausgaben – ein Unikum in der europäischen Presselandschaft – werden mehr (zur italienischen, der schweizerisch-deutschen und der arabischen kommt diesen Herbst eine spanische Ausgabe hinzu), und schließlich schreibt Le Monde diplomatique trotz sehr geringer Werbeeinnahmen (knapp 3% des Umsatzes) schwarze Zahlen.

Doch insgesamt befinden sich die Printmedien – vor allem die Tages- und die Wochenzeitungen – in Frankreich wie in anderen Ländern in einer desolaten Lage. Einst spärlich und teuer, gibt es Information mittlerweile im Überfluß, weshalb viele meinen, daß sie eigentlich umsonst sein müßte. Bestärkt werden sie in dieser Ansicht durch quasi kostenlose Medien wie Radio und Fernsehen, deren Informationsangebot in den letzten Jahren erheblich größer geworden ist.

Dazu kommen nun die Informations-„Autobahnen“, insbesondere die berühmteste unter ihnen, Internet, jenes weltumspannende Netz, das es ermöglicht, auf riesige Datenbanken zuzugreifen und direkt an Diskussionsforen teilzunehmen. Auch wenn darüber nicht Einigkeit herrscht (vgl. den Artikel von Asdrad Torres, Seiten 8 und 9), bringen Netze wie das Internet die Welt der Information und vor allem die der traditionellen Presse noch einmal gehörig durcheinander.

Wie soll man den neuen Zeiten begegnen? Vielen Blättern ist in der Not nichts Besseres eingefallen als eine schrillere Aufmachung und eine extreme Verkürzung der Analyse. Soll man es ihnen nachtun? Sicher nicht. In unseren komplexen Gesellschaften, deren durchschnittliches Bildungsniveau sich unbestreitbar erhöht hat, verlangen immer mehr Menschen nach Informationen neuen Typs, die auf Schwarzweißmalerei verzichten, nicht die herrschende Meinung reproduzieren und einen Blick hinter die Kulissen erlauben. I. R.

Le Monde diplomatique vom 10.11.1995, von I. R.