12.07.1996

Toulon - ein Versuchslabor des Front national

zurück

Toulon - ein Versuchslabor des Front national

■ Das südfranzösische Toulon, das lange Zeit im Schatten seiner beiden größeren Nachbarstädte Marseille und Nizza lag, hört nicht auf, von sich reden zu mache

Das südfranzösische Toulon, das lange Zeit im Schatten seiner beiden größeren Nachbarstädte Marseille und Nizza lag, hört nicht auf, von sich reden zu machen. Toulon – ein französisches Chicago, Toulon – Hafen der Angst, Toulon – Hochburg Le Pens, Toulon – die Stadt der Citoyens... Seit den Kommunalwahlen im Juni 1995 stellt der Front national (FN) in drei Städten Frankreichs den Bürgermeister – Toulon ist mit 170000 Einwohnern die größte unter ihnen. Ein Jahr nun schon dient diese Stadt dazu, alle Dämonen des französischen öffentlichen Lebens zu beschwören. Doch diese Art, sich um die Nation verdient zu machen, ist nicht gerade dazu angetan, der Stadt den Weg in die ökonomische, soziale und kulturelle Prosperität zu ebnen.

Von

YASMINA SALHI

und GILBERT ROCHU *

WIR befinden uns auf dem Cours La Fayette, der letzten Bastion der kleinen Händler in der Touloner Altstadt, die gerade von Grund auf saniert und für Supermarktgiganten à la Carrefour präpariert wird. Es ist die einzige noch lebendige Straße des alten, völlig zerstörten Stadtkerns, in dem sich Schilder wie „Geschäftsräume zu vermieten“ und „Räumungsverkauf“ gegenseitig Konkurrenz machen.

Eine junge Floristin: „Ich habe mir viel versprochen vom FN, ich bin enttäuscht, sie unternehmen nichts.“ Eine ältere Ladenbesitzerin: „Ein bißchen besser ist der FN schon als seine Vorgänger. Die Stadt ist sauberer geworden, aber jetzt würde man sich wünschen, daß auch die Wirtschaft wieder in Schwung kommt.“ Eine junge Maghrebinerin: „Die Stimmung in der Stadt hat sich nicht verändert, seit der FN hier das Sagen hat, es gibt so wenig Arbeit wie zuvor.“ Eine junge Frau: „Ich weiß nicht einmal, wie der Bürgermeister heißt. Die Stadt ist ganz einfach tot.“

Toulon, eingezwängt zwischen dem Mont Faron im Norden und dem von der Marine beanspruchten Stadtgebiet im Süden, ist eine in die Länge gezogene Stadt. Folgt man der Achse Marseille-Nizza, so reihen sich von West nach Ost zunächst die Arbeiterviertel, gefolgt vom jenem Stadtteil, der „Klein-Chicago“ getauft wurde; daran schließen sich die Altstadt und das Centre Mayol an, ferner die gehobenen Wohnbezirke von Le Mourillon, La Mitre und dem Cap Brun. Es ist nicht viel geblieben von der Stadt, die Stendhal, Farder und Saures beschrieben haben – mit ihrem Hafen, ihrem Zuchthaus und der Tonking-Expedition. In den Straßen gibt es keine Marinesoldaten mehr, einzig noch Armee-Ingenieure in Zivil; es ist eine Hafenstadt ohne Meer, seit eine Reihe von Betonhochhäusern den Blick auf das Wasser verwehrt. Bestimmte Gruppen bekämpfen, offenbar im Verlangen nach starken Emotionen, ihre Langeweile mit Satanskult und Grabschändung. Das erste Grab wurde am 8. Juni zerstört, seither haben ähnliche Gewalttaten die Stadt immer wieder in Unruhe versetzt.

„Toulon hat kein Zentrum, keine Persönlichkeit mehr, es ist nur noch eine Ansammlung einzelner, auf sich selbst bezogener Stadtteile“, erklärt die Lehrerin Andrée-France Baduel.

Diese Auffassung teilt auch Robert Mesini, Präsident des progressiven Cercle Condorcet: „Toulon hat seine Identität verloren – wie Marignane1, dieses alte Zentrum der Luftfahrtindustrie, dem man die Verfügung über seinen Flughafen entzogen hat, oder wie Orange, einst legendäre Garnisonsstadt, und Vitrolles, das zu einer Neustadt umgemodelt wurde. Alles Hochburgen des Front national.“

Denkzettel für korrupte Demokraten

DER frühere Bürgermeister von Toulon – der leutselige Maurice Arreckx vom Parti républicain (PR), der beinahe dreißig Jahre im Amt war – hat zwar ein Talent dafür, moralische Fragen sich wundersam verflüchtigen zu lassen, doch sicherlich war er nicht der Mann für die Erhaltung und Gestaltung der Stadt. Während seiner Amtszeit ließ sich alles bauen: irgendwie, irgendwo. Das Projekt eines Straßentunnels, der die Stadtdurchquerung erleichtern sollte, erfuhr nicht nur im Lauf von dreißig Jahren insgesamt dreiundsechzig Veränderungen, es bereicherte auch die Großunternehmen, brachte den Honoratioren Vorteile und den Bürgern der Stadt eine massive Verschuldung, ehe es jüngst einmal mehr torpediert wurde. François Trucy, bereits seit 1971 zentrale Figur in der Stadtverwaltung, der 1985 Arreckx' Nachfolge antrat, brach eine Modernisierung übers Knie, die die Mittel der Stadt bei weitem überstieg: Bau des Centre Zénith- Omega, des Centre Mayol, des Mayol-Stadions, eines Kongreßzentrums, einer Mediathek und anderes mehr.

Toulon ist der Stein gewordene Katalog all jener Fehler, die man in der Stadt- und Verkehrsplanung tunlichst vermeiden sollte. Die wenigen annehmbaren Projekte wiederum sind Mahnmale der Korruption – so die Maison des technologies, in deren Bau umgerechnet rund 445000 Mark an Schmiergeldern flossen.

André Bertrand, Professor für Wirtschaft und regionaler Vizepräsident der Liga für Menschenrechte, räumt ein: „Jeder wußte, daß die Kostenvoranschläge für Projekte der öffentlichen Hand immer um 20 Prozent höher lagen als im restlichen Frankreich, da sie Schmiergeldzahlungen mit einbezogen. Und daß es stets ein einziges Unternehmen war – Campenon- Bernard, eine Tochtergesellschaft der BÛtiment et travaux publics (BTP), die wiederum Teil ist der Générale des eaux –, das alle Aufträge an sich riß.“

Die großen Firmengruppen Générale und Lyonnaise des eaux hatten begriffen, daß mit der Dezentralisierung die Lokalpolitiker enorme Geldsummen verwalteten, ohne sonderlichen Kontrollen zu unterliegen. So importierten sie in die französische Provinz die internationale Gepflogenheit der Bakschisch- Zahlungen. Hierbei zeigten sich die Touloner Politiker zugänglicher als andere.

Die Touloner Bürger erwachten erst, als sich das Ganze mit der Ermordung der Abgeordneten von Hyères, Yann Piat, durch zwei Motorradkiller am 25. Februar 1994 zum nationalen Skandal und Medienereignis ausweitete. Die Stadt, die sich während der Revolution freiwillig den Engländern unterworfen und 1942 ihre eigene Flotte versenkt hatte, hatte ihren schlechten Ruf weg: Unterschlagung öffentlicher Gelder, Erbschleicherei, schwarze Kassen des Fußballclubs, Erpressung, Attentate und politische Korruption. 1990 wurde der ehemalige Marseiller Fußballspieler Roland Courbis, Manager des Sporting- Club de Toulon, wegen fingierter Rechnungen verhaftet, was beinahe den Sturz des „Monsieur Publicité“ des französischen Fußballs, nämlich Jean- Claude Darmons, und der Führungsspitze des Marseiller Fußballvereins Olympique de Marseille nach sich gezogen hätte. Auch bei Betrügereien in Spielcasinos sollte er die Hand im Spiel haben. 1996 entging er nur knapp den Schüssen gegen die Manager des Fußballclubs von Bastia. Im Oktober 1988 kam es zur Festnahme Pierre Bombes, Gerichtsvollzieher von Toulon, weil er Geldmittel für Behinderte unterschlagen hatte. Im Dezember 1986 wurde Jean Solignon verhaftet, als er eben mit der Kasse der Touloner Anwaltskammer das Flugzeug Richtung Rio de Janeiro besteigen wollte. Mittlerweile wird gegen den Präsidenten der Handelskammer, fünf Vizepräsidenten und eine Reihe von Unternehmern ermittelt, und Maurice Arreckx sitzt im Marseiller Gefängnis Les Baumettes ein... Eine „Cauchemarville“ (Alptraumstadt) der Krimiautoren.

So ging es bei der Stimmabgabe für den Front national in erster Linie darum, dem Parti républicain einen Denkzettel zu verpassen. „Tous pourris (Sie sind alle verdorben) – dieser Slogan mußte hier ziehen“, meint Claude Ardid, Schriftsteller und Journalist beim Var-Matin.2

Die Empörung der Bevölkerung, daß ihre Stadt dank der herrschenden Clique geschunden und geschröpft worden war, gilt als entscheidend für die Touloner Wahlen vom Juni 1995, in deren Folge der PR das Rathaus an den FN abgeben mußte.

Indes zeitigte die „Protestwahl“ in einer Gemeinde unweit von Toulon, nämlich in La Seyne-sur-Mer, ein ganz anderes Ergebnis. Hier wird gegen zwei Bürgermeister, Charles Scaglia vom PR und seinen Nachfolger, Doktor François Hérisson vom RPR (Rassemblement pour la République), wegen passiver Bestechung ermittelt; überdies beträgt seit der Schließung der Werften die Arbeitslosigkeit 30 Prozent. Doch trotz dieser nahezu gleichen Voraussetzungen wählten hier die Bürger einen Kommunisten.

In Toulon trug im zweiten Wahlgang am 18. Juni 1995 die von Jean-Marie Le Chevallier angeführte Liste des FN mit 37,02 Prozent der Stimmen den Sieg davon vor der PR-Liste, die vom scheidenden Bürgermeister François Trucy (34,81 Prozent) angeführt worden war, und der Liste des Sozialisten Christian Goux (28,16 Prozent).

„In Toulon enthielten sich 44,77 Prozent der Stimmberechtigten“, erläutert Robert Mesini. „Von den 55,23 Prozent derer, die gewählt haben, stimmte ein Drittel für Le Chevallier. Anders gesagt: Gerade mal 18 Prozent haben dem Front national ihre Stimme gegeben.“

Der FN profitierte im Juni 1995 von einem überaus günstigen Zusammenspiel mehrerer Faktoren: Die Rechte ist gespalten – ihr Spitzenkandidat François Trucy ist selber durch die Machenschaften von Arreckx in Mißkredit geraten; Louis Bernardi vom RPR kocht als weiterer konservativer Kandidat sein eigenes Süppchen; und Louis Colombani, ein PR-Abtrünniger, ruft zur Stimmabgabe für die Linke auf. Im linken Lager fordern die Anhänger einer „Stoppt den FN um jeden Preis“-Politik ihre Wählerschaft auf, im zweiten Wahlgang für François Trucy zu stimmen, während der Sozialist Christian Goux, der über wenig Popularität verfügt und keinerlei Chancen hat, gewählt zu werden, seine Kandidatur aufrechterhält: unterstützt zwar von der französischen Kommunistischen Partei, jedoch ohne Rückendeckung auf nationaler Ebene durch die eigene Partei, die ganz vom Wahlkampf in Vitrolles absorbiert ist, wo die Nummer zwei des Front national, Bruno Mégret, antritt.

Die Demokratie erwacht

DIE Übernahme der Mairie durch den Front national reißt die Demokraten aus ihrer Schläfrigkeit. Es entstehen unzählige Vereine. In ChÛteauvallon startet der Leiter des Nationalen Tanztheaters, Gérard Paquet, den Widerstand mit einer Reihe von spektakulären Aktionen, die heute umstritten sind: „Ich habe die städtischen Subventionen von Toulon abgelehnt. Gewiß, es handelt sich um das Geld der Touloner, nicht des Front national, aber mir war die symbolische Geste lieber als ein Streit unter Politikern. Ich wollte auf dem Terrain des FN kämpfen, der ja ein Meister der Indienstnahme von Symbolen und Mythen ist. Ich holte Soziologen, Sänger, Intellektuelle aus Paris hierher, auch Bernard-Henri Lévy. Natürlich ist Toulon nicht Sarajevo, aber ich habe lauter Leute eingeladen, die uns etwas zu sagen hatten.“

Der Präfekt, dessen Aufgabe es ist, die Verwendung öffentlicher Gelder zu kontrollieren, ist der Meinung, daß staatliche Schulen und kulturelle Vereine nicht subventioniert werden, um Politik zu machen, weshalb er am 7. Juni „als Vertreter des Staates, als Christ und als Mensch“ dem Festival de ChÛteauvallon zur Auflage gemacht hat, die französische Rap- Gruppe NTM (Nique ta mère, Fick deine Mutter) wieder auszuladen. Seine Begründung: Diese Lieder verletzten die Würde der Frau und der Polizei. „Wir organisieren in ChÛteauvallon Begegnungen, um das Gespräch wieder in Gang zu bringen“, hält dem Gérard Paquet entgegen. „Und genau dies ist die Rolle der Kultur.“

Coordination toulonnaise pour les valeurs républicaines (Koordination für die republikanischen Werte), Rassemblement des citoyens toulonnais pour la démocratie (RCTD, Touloner Bürger für die Demokratie), Collège méditerranéen des libertés (mittelmeerisches Freiheitskollegium), Observatoire de la démocratie (Observatorium der Demokratie), Toulon debout (Toulon erheb dich), Toulon c'est nous aussi (Auch wir sind Toulon), Turbulences (Turbulenzen) – so heißen einige der unzähligen Vereine, die das Versagen der Parteien kompensieren, laut ihrer Unzufriedenheit Ausdruck geben und die nach den Gründen suchen, die den Sieg des Front national möglich machten.

„Die Beste der Partein“

WIR haben gewonnen, weil wir die Besten waren“, konstatiert nüchtern der neue Bürgermeister von Toulon, Jean-Marie Le Chevallier. Er hat nicht ganz unrecht. Während des Wahlkampfs 1995 war der FN die einzige Partei, die wirklich Politik machte. Mit Überzeugungen und einer Ideologie (dem Nationalismus), und mit aktiven Parteikämpfern, die sich darauf verstanden, jene Leerräume zu füllen, die die anderen Parteien geschaffen hatten. Er verstand es überdies, sich die Situation in der Region zunutze zu machen. Die Bewohner der besseren Viertel entschieden sich – anders als die Bewohner der benachbarten Arbeiterstadt La Seyne – in ihrem Elan, den herrschenden Politikern eins auszuwischen, für den Front national statt für die Kommunistische Partei. Zumal im Wahlkomitee von Jean-Marie Le Chevallier auch drei Admiräle saßen, darunter der Admiral Guy Nachin, jetzt stellvertretender Bürgermeister, und André Gempp, früher Chef des Marinearsenals.

Mit seinen Lieblingsthemen Immigration und Sicherheit gelang es dem Front national, alle, die sich bedroht fühlten, um sich zu scharen: die Villenbewohner mit ihrem Wachschutz, die sich die Armen und Aufmüpfigen vom Leib halten wollen, die tief verschuldeten Eigenheimbesitzer, die durch die Nachbarschaft der Wohnsilos (HLM) in Unruhe versetzt sind, die Alten, die in jedem Ausländer einen Verbrecher vermuten, und die Facharbeiter des Marinearsenals, die in den Ingenieuren aus dem Norden ebenso wie in den Gelegenheitsarbeitern aus dem Süden nur eine Bedrohung sehen.

Gilles Montaland, Gewerkschaftsdelegierter der CFDT (Confédération française démocratique du travail) im Arsenal, schätzt, daß von den Beschäftigten seines Betriebs, „ob Militär- oder Zivilangestellte, einer von dreien für den FN gestimmt hat. Weder die Wartung der Marineflotte noch die strategische Bedeutung des Mittelmeers stehen in Frage. Aber wir befinden uns mitten in einer Umstrukturierung, und wie überall werden auch hier Solidarstrukturen zerstört, die einst die Arbeiterbewegung prägten.“

Der FN hat das Arsenal, aber auch die Wohnbezirke eingekreist. Er hat erfolgreich den Nachbarschaftshaß geschürt, die Arbeitslosen gegen die Fremden, die Harkis gegen die „Fellaghas“3, die eingebürgerten Einwanderer gegen die jüngsten Immigranten, die Roma gegen die Araber ausgespielt.

Der Front national bewegt sich in der Touloner Bevölkerung längst wie ein Fisch im Wasser. Er gibt sich als Vichy-Anhänger für die pensionierten Marinesoldaten, als katholischer Royalist für die Offiziere, als Militarist für die Unteroffiziere aus dem Arsenal, als Poujadist für die Kleinhändler aus der Altstadt, als OAS-Veteran für die zahlenmäßig starke Pieds-noirs- Bevölkerung.4

Unter Le Pens Nationalismus („weder links noch rechts, sondern französisch“) vereinigen sich hier in Wirklichkeit die unterschiedlichsten überkommenen Ideologien. Was seine Stärke, aber auch seine Schwäche ausmacht. Als am 28. August 1995 der stellvertretende Referent für Kommunikation, Jean-Claude Poulet-Dachary, der als einer der starken Männer im Rathaus galt, nach einer Runde durch diverse Homosexuellenlokale mit einem Hammer erschlagen wurde, traten die Zwistigkeiten offen zu Tage.

Einige FN-Kader aus dem Var jubelten.5 Sie waren dagegen gewesen, daß Jean-Claude Poulet-Dachary, ein „hinlänglich bekannter Homosexueller“, und Jean-Marie Le Chevallier, „1956 vom Armeedienst befreit“, einfach in ihren Wahlbezirk importiert worden waren. Ein achtzig Kilo schwerer Fremdenlegionär, der sich in den Schwulenbars „Gloria“ nennen ließ, und ein „Deserteur“ des Algerienkriegs machen sich schlecht in der Partei der Ordnung und der katholischen Moral, auch wenn dies von einer Toleranz und Menschenrechte propagierenden Opposition kaum ausschlachtbar ist.

Beunruhigender noch ist die Sache mit Richard Lopez, vierundsechzig Jahre alt, stellvertretender Personalreferent, der sich bei seinem Wochenendhobby – dem Hantieren mit einer Handgranate – verletzt hat, oder jene vielsagenden verbalen Ausfälle gegen „Sozialverräter“ und „antifranzösische“ Autoren, die auf der Fète du livre aufgetreten seien, gegen „Koalitionen, die zwischen willfährigen Polizisten und politikhörigen Staatsanwälten“ bestünden, gegen „jüdisch- freimaurerische Vereine“ und „Schakale des kosmopolitischen Frankreich“ ...

Jean-Marie Le Chevallier ist ein Mann, der die diversen Entgleisungen geschickt auffängt. Sein Erscheinungsbild eines Marketingchefs trug ihm die Verachtung solcher FN-Hardliner wie Jean-Pierre Stirbois, ehemaliger Generalsekretär seiner Partei und Abgeordneter von Dreux, ein. In Toulon jedoch gibt ihm dies die Statur eines honorigen Bürgers.

„Als wir in die Stadt einzogen, reagierte die Presse mit Warnrufen: Die Braunhemden kommen, es wird zu ausländerfeindlichen Ausschreitungen, zu Zusammenstößen in den Cités kommen. Nichts dergleichen ist geschehen. Die Stadt wird völlig normal verwaltet, es ist nur ein bißchen sauberer als zuvor“, erklärt er bedächtig.

Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hat Le Chevallier ein paar populistische Maßnahmen ergriffen, unter anderem eine Verordnung über das Betteln in der Innenstadt. Jedoch: Der sozialistische Bürgermeister von Angoulême tat dies vor ihm. Nicht nur Le Chevallier, auch der Parti républicain ist vom Thema Sauberkeit besessen. Zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang hatte Trucy auf den städtischen Reinigungsfahrzeugen den folgenden unglücklichen Slogan anbringen lassen: „Reines Toulon, Sauberkeit an allen Fronten“.

Die Sicherheit ist ein anderes Lieblingsthema des neuen Bürgermeisters. Das sogenannte Chicago erscheint zwar mit seinen drei Matrosenkneipen weniger gefährlich als anachronistisch, doch dient dieses von Maghrebinern bewohnte ehemalige Red-light- Viertel als Vorwand für alle Sicherheitsmaßnahmen, die ergriffen werden. So wollte der Bürgermeister die Stärke der police municipale von 23 auf 70 Beamte erhöhen – und zu diesem Zweck nur „Moccos“ (wie sich die alteingesessenen Touloner nennen) einstellen. Dem widersetzte sich der Stadt-Präfekt: Verwaltungsposten würden per öffentlicher Ausschreibung vergeben und nicht nach Geburtsort. Doch: Französischer Staatsbürger muß man sein. „Der Präfekt hat sich gegen einen Toulon-Bonus und für einen Nationalitäten- Bonus entschieden“, läßt sich der Bürgermeister ironisch vernehmen.

Obwohl Jean-Marie Le Pen seinen Anhängern am 3. November 1995 die Leviten las, will Le Chevallier, wie bei seiner Wahl angekündigt, im Rahmen der Gesetze agieren. Er begnügt sich damit, in solchen Fällen, wo er eine „verdeckte illegale Einwanderung“ vermutet, die Wohnsitzbescheinigung zu verweigern. „Ich habe nur beratende Stimme“, bemerkt Le Chevallier. „Ich habe 80 Bescheinigungen verweigert, und der Präfekt, der einen anderen Beschluß hätte fassen können, hat kein einziges Mal anders entschieden.“ Jean-Charles Marchiani, der Präfekt des Départements Var, der als Emissionär des Innenministers Charles Pasqua in den achtziger Jahren über die Freilassung der Geiseln im Libanon verhandelt hat, hat wahrlich nicht den Ruf, ein Humanist zu sein. Die Immigranten, mit denen wir sprachen, fürchten ihn aufgrund der verschärften Kontrollen mehr noch als den Bürgermeister.

Aber der Nationalitäten-Bonus kommt meist schleichend zur Anwendung. Eliane Guillet de la Brosse, die als eine Hardlinerin im Front national gilt und dem royalistischen Flügel angehört, macht in ihrer Funktion als Sozialreferentin nicht viel Federlesens: In den Sozialstationen und Obdachlosenheimen wird unbarmherzig jeder Ausländer abgewiesen, der keine Papiere hat. Und Cendrine Le Chevallier, Gattin des Bürgermeisters und Jugendreferentin – Tendenz: Grece6 –, verkehrt auf meisterhafte Weise die Themen der Linken: Sie ist gegen den Ausschluß (der Franzosen natürlich) von sozialen Unterstützungsleistungen, sie ist für die Verteidigung der republikanischen Werte (gegen eine eigenständige kulturelle Identität der Einwanderer). Ebensowenig schreckt es sie, wenn man sie des ethnischen Regionalismus verdächtigt: Neben der Gedenkfeier zur Taufe von Chlodwig I., dem ersten Frankenkönig, unterstützt sie auch die Feier zum fünfzigsten Todestag von Raimus, einem „Sohn des Südens“; darüber hinaus sorgt sie für die Wiederbelebung des alten provenzalischen Festes der Belle de Mai.

Zu Protesten sämtlicher Vereine und demokratischer Parteien kam es, als die Stadtverwaltung die Bedingungen für die Gewährung (oder Streichung) städtischer Subventionen bekanntgab. Nachdem Jean- Marie Le Pen seinen Adepten die Leviten gelesen hatte, kürzte die Stadtverwaltung von Toulon am 17. November 1995 die Subventionen für eine ganze Reihe gemeinnütziger und wohltätiger Vereine wie: Français musulmans (französische Muslime), Entraide protestante (protestantische Hilfe), Secours populaire (Volkswohlfahrt), Aides Provence (Provence- Hilfen, eine Aids-Hilfe-Organisation), Fédération des conseils de parents d'élèves (Verband der Elternbeiräte), Ligue de l'enseignement (Liga für Unterricht und Ausbildung) und so weiter. Am selben Tag weist sie auch die Gewerkschaften aus den stadteigenen Räumlichkeiten, während sie allerdings der christlichen Gewerkschaft CFTC einen Zuschuß von 15000 Franc gewährt, den diese gar nicht beantragt hat, und nebenbei auch die Subventionen für den Verein der Katzenfreunde erhöht. Auf die allgemeine Empörung antwortet Eliane Guillet de la Brosse barsch, daß man „Leuten, die einem ins Gesicht spucken, kein Geld gibt“.

Um diesen „Patzer“ seiner Untergebenen wieder auszuwetzen, bemüht sich der Bürgermeister, nachzuweisen, daß die Vereine öffentliche Gelder verschwendet hätten. Dafür verwischt er willentlich die Trennlinie zwischen den Scheinvereinen, die der frühere Bürgermeister gegründet hatte, um Parteiangestellte seines Parti républicain zu bezahlen, und angestammten linken Vereinen.

Zugleich ruft der FN eigene Vereine ins Leben: den Front antichômage (gegen Arbeitslosigkeit), die Fraternité française (französische Brüderlichkeit), den Front national des locataires (Mieterfront), Comité de défense des commerçants et des artisans (Komitee zur Verteidigung der Kleinhändler und Handwerker), Cercle national des agriculteurs (Bauernverband), Gens d'armes (Menschen der Waffen), Toulon écologie (Ökologie), Toulon habitat (Toulon Wohnen, in den Sozialwohnungsblocks), Vie des quartiers (Leben in den Stadtteilen, zielt darauf, die lokalen Interessenverbände des früheren Bürgermeisters zu unterwandern). Letztendlich setzt die Stadtverwaltung einfach jene Taktik fort, die ihr bei den Wahlen zum Erfolg verholfen hat: bürgernahe Aktivitäten, zum Beispiel die vermehrte Organisation von Festen, die um einen Berufsverband oder um eine gemeinsame Vergangenheit herum ausgerichtet werden – ganz so, wie dies in den fünfziger Jahren die Kommunisten gemacht haben.

Was die Gewerkschaftsverbände betrifft, so haben sich die aktiven Mitglieder des FN darauf spezialisiert, die Confédération française des travailleurs chrétiens (CFTC) und Force ouvrière (FO) zu unterwandern. Marc Blondel, Frankreichs FO-Gewerkschaftsvorsitzender, hat den Rücktritt von Jean-Pierre Calone gefordert: Der Gewerkschaftsdelegierte in den HLMs von Toulon ist inzwischen nicht nur Vereinsvorsitzender von Toulon habitat, sondern erklärt auch offen seine Sympathien für den Front national. Und nicht nur, daß der Departementsvorsitzende der CFTC, Pierre Resseguier, sich an Cendrine Le Chevalliers Jeunesse enfance toulonnaise (Touloner Kindheit und Jugend) beteiligt; darüber hinaus betätigt sich der CFTC-Vertreter in der Caisse d'allocations familiales – jener Kasse, die für die Vergabe von Zuschüssen an Familien zuständig ist – auch als Regionaldelegierter des Front antichômage und als Präsident des Cercle national des rapatriés7.

Die Ideologie vermauert vorhandene Perspektiven

DIE Verträge, die von den Vorgängern mit der korrupten, in Toulon allgegenwärtigen Générale des eaux geschlossen wurden, sind nicht gekündigt worden: Das gilt für die Wasserwirtschaft wie die Stadtreinigung (die Tochtergesellschaft Berla), für das Fernsehkabelnetz wie die Modernisierung der Datenverarbeitung in der Stadtverwaltung (die Tochter Setex), die Überwachung und Wartung der Parkuhren, die Verwaltung des Stellplatzes für polizeilich beschlagnahmte Fahrzeuge (Setex), den Bau von Stadiontribünen, für Großbauprojekte (die Tochter Campenon-Bernard) ebenso wie für die Verkehrsbetriebe des Departements Var.

„Diese Stadt ist zweimal zerstört worden: einmal durch den Krieg, das zweite Mal durch den PR. Wir zahlen die Schulden unserer Vorgänger. Ich habe ein ex-zukünftiges Rathausgebäude übernommen, dessen Kosten sich auf 75 Millionen Franc belaufen und von dem nichts als eine Betonplatte existiert; dann eine Mediathek, Kostenpunkt 50 Millionen, auch hier nur eine Betonplatte; schließlich einen Kongreßpalast, der immerhin existiert, aber an schlechter Stelle, und schon halb einstürzt. Wenn ich das geregelt habe und wenn endlich der Stadttunnel fertiggestellt ist, werde ich mich mit dem Oberirdischen befassen und mit der ästhetischen Seite einiges anstellen, hübsche Stadteinfahrten, Verschönerung der Innenstadt, Rückbau von Wohnblöcken. Und einen sauberen öffentlichen Nahverkehr einrichten, eine Straßenbahn oder so etwas...“ Jean-Marie Le Chevalliers Strategie ist offensichtlich: Er will aus Toulon – der höchstverschuldeten Stadt Frankreichs – ein Schaufenster für den Front national machen und durch seinen Erfolg unter Beweis stellen, daß er das ganze Land regieren kann. Um dies zu erreichen, greift der Touloner Bürgermeister zur simpelsten Methode: Die Stadt finanziert nichts mehr, keine Kultur, keine Sozialmaßnahmen und auch keine Wirtschaftsprojekte. Statt dessen erhöht sie ihre Einnahmen, das heißt die Steuern (eine Erhöhung um 9,18 Prozent, die am 22. März 1996 – gegen die „Ratschläge“ von Le Pen – verkündet wurde).

„Nach einem Jahr FN an der Spitze der Stadt ist das Ergebnis bereits verheerend“, meint Danièle De March, kommunistische Stadträtin. „Die Immobilienspekulationen mit der Semtad, einem Trucy-Unternehmen, gehen weiter, die Steuern werden um 9 Prozent erhöht, die Vereine zerschlagen. Und nirgends in der Politik des FN kommt das Wort „Beschäftigung“ vor. Traditionellerweise gab es hier zwei Zentren: das Arsenal und die Werften von La Seyne. Mit der Schließung der Werften Ende der achtziger Jahre wurden 2000 Touloner Arbeiter und Angestellte in die Arbeitslosigkeit entlassen. Nach diesem wirtschaftlichen Beben bangen wir nun auch um das Überleben des Arsenals. Aber dieses Thema wird bei Le Chevallier nicht einmal erwähnt, es sei denn, um seine Forderung nach einer Berufsarmee zu verteidigen.“

„Mit einer Arbeitslosenrate von 20 Prozent und den höchsten Gemeindesteuern in ganz Frankreich ist Toulon auf dem besten Weg, eine unterentwickelte Region zu werden“, fährt André Bertrand fort. „Toulon sollte sich lieber mit den umliegenden Gemeinden zusammenschließen. Dann wären sie ein Stadtverbund von 400000 Einwohnern. Aber so etwas ist nie zustande gekommen. Früher hat Toulon immer auf seine Nachbarn La Seyne, La Garde und so weiter runtergeschaut. Aber heute, nachdem sich die Unternehmen und Supermärkte außerhalb der Stadt angesiedelt haben, weil in der Innenstadt kein Platz mehr war, haben diese Gemeinden ein hohes Steueraufkommen und weigern sich nun, mit der armen Großstadt einen Verbund einzugehen. Ganz abgesehen davon, daß diese Gemeinden jetzt links regiert sind.“

Das einzige bislang existierende Wirtschaftsprojekt für Toulon hat der frühere Bürgermeister François Trucy angekurbelt: Toulon-Var-Technologie (TVT), ein Technologie-Park im Rahmen der „Straße der Spitzentechnologie“ auf der Achse zwischen Marseille-Europole und Nizza-Sophia-Antipolis.

Jacques Valverde, Direktor der TVT, erläutert das Projekt. „Es ist aus dem Zusammentreffen zweier Realitäten entstanden. Das Arsenal von Toulon wartet ja nicht nur Kriegsschiffe, sondern ist auch ein Forschungszentrum für Militärgerät; es ist eine Techno- City, wo mehr Know-how und Kreativität versammelt sind als in Sophia-Antipolis. Zum anderen hat die Schließung der Werften von La Seyne das Bewußtsein dafür geschärft, daß Umstrukturierungen notwendig sind. TVT ist zuallererst ein Abkommen zwischen militärischer Forschung (400 Ingenieure), Universität und lokalen Betrieben.“

Thierry Bernardi jedoch, CFDT-Gewerkschaftler und im neugegründeten Verein Turbulences aktiv, bleibt skeptisch: „Seit zehn Jahren plädiert die CFDT für eine Diversifizierung der Aktivitäten des Arsenals. Aber die Beschäftigten haben Angst, ihren Status als Staatsangestellte zu verlieren. Außerdem führt das Militärgeheimnis dazu, daß die militärischen Forschungen sich frühestens nach fünfzehn Jahren im Zivilbereich niederschlagen können.“

Es wäre nur logisch, wenn Toulon sich zum Mittelmeerraum hin öffnen würde, doch paradoxerweise dreht die Hafenstadt dem Meer den Rücken zu. Durch die Armee ihrer Küste beraubt und durch das Ende der Kolonien und der großen Militärexpeditionen der See entfremdet, reicht ihr Horizont heute nicht weiter als bis nach Korsika, und auch dies nur mit Mühe. André Bertrand sieht darin ein verbissenes Klammern an Europa. „Das Projekt der Spitzentechnologiestraße verkörpert einmal mehr die lateinische Achse. Statt daß man versucht, aus der geographischen Lage für sich selber Vorteil zu ziehen, sieht man das Mittelmeer fast wie eine Mauer an. Aus lauter Angst vor Einwanderung und fremden Menschen zieht man es vor, sich bedürftig zu geben, und fordert EU-Subventionen, statt den Handelshafen auszubauen und Verbindungen zum Maghreb zu knüpfen.“

Von Toulons Zukunft, dem Meer und der Wirtschaft, ist immer wieder die Rede. Allerdings fehlt es bislang an fähigen politischen Schaltstellen, die die Ideen in ein Programm umsetzen könnten. Auf der Linken entdecken eine ausgepowerte KP, eine gespaltene Sozialistische Partei und ein eben Fuß fassender Radical8 die Tugenden der engagierten Basisarbeit und der Einheit neu, doch ihre politische Arbeit zentriert sich ganz um die klassischen Themen; einen wirklich neuen Gesellschaftsentwurf haben sie ebensowenig wie eine charismatische Führungsfigur.

Die Rechte ihrerseits ist gespalten. Der PR ist damit befaßt, die Scherben zu kitten. Der RPR wird von Jean-Charles Marchiani, dem Präfekten, dominiert. Wenn man hört, wie Marchiani die Thesen des Front national noch überbietet, könnte man meinen, er habe es sich zur Aufgabe gemacht, Le Chevallier in den Schoß des RPR zurückzuholen. Im übrigen fehlt es in der Region nicht an Überläufern: Yann Piat, die dank einer geheimen Absprache zwischen PR und FN 1988 als Abgeordnete für Hyères ins Parlament gelangte, wechselte im Jahr darauf zum PR. Der Front national ersetzte sie durch Jean-Marie Le Chevallier, der ein Sprößling der Républicains indépendants ist und von seinen eigenen Mitstreitern verdächtigt wird, Sympathien für die UDF zu hegen.9 Und erst jüngst folgte der Bürgermeister von Nizza, Jacques Peyrat, zuvor ein Parteigänger des Front national, den Lockrufen des RPR. Robert Mesini bringt es auf den Punkt: „Schlimm ist nicht, daß der FN in Toulon die Politik bestimmt, sondern daß seine Ideen in solchem Ausmaß die französische Politik beeinflussen.“

dt. Eveline Passet

1 Siehe Gilbert Rochu, „Marignane, anatomie d'un fief du Front national“, Le Monde diplomatique, August 1993.

2 Verfasser von „Ils ont tué Yann Piat“ und von „Ascenseur pour les fachos“, Toulon (Plein Sud) 1995. Siehe auch Virginie Martin, „Toulon la noire“, Paris (Denoäl) 1996.

3 „Harkis“ sind jene muslimischen Franzosen (und deren Nachfahren), die zur Zeit des algerischen Unabhängigkeitskriegs als Algerier in speziellen Milizeinheiten auf der Seite der Franzosen kämpften, „Fellaghas“ hingegen die algerischen Unabhängigkeitskämpfer und ihre Nachkommen. (Anm. d. Ü.)

4 Poujadismus (nach seinem Begründer Pierre Poujade) ist eine teilweise antiparlamentarisch und antifiskalisch eingestellte, rechtsradikale Mittelstandsbewegung; die OAS war in der Endphase des Algerienkriegs eine Geheimorganisation von Franzosen, die durch Terroranschläge das „algerische Frankreich“ retten wollte; als Pieds- noirs gilt hauptsächlich die französische Funktionärsschicht, die während der Kolonialzeit in Tunesien, Marokko und Algerien angesiedelt wurde. Nach der Unabhängigkeit Algeriens wurden diese Gruppen im „französischen Mutterland“ angesiedelt und erhielten, sofern sie sie nicht ohnehin besaßen, die französische Staatsbürgerschaft (Anm. d. Ü.). Toulon ist die einzige Stadt, die einen Gedenkstein besitzt mit der Inschrift: „Das französische Algerien (1856-1962) im Gedenken an seine Märtyrer“ – ein Zugeständnis von Arreckx an diese einflußreichen Kreise.

5 Für Oberst Gérardin, ehemals Chef der Präsidentenwache im Elysee-Palast unter Valéry Giscard d'Estaing und technischer Berater in Verteidigungsfragen von Jean-Marie Le Pen, für Doktor Lefevre, Stadtrat von Sanary-sur-Mer, für Louis Soccoja, Kulturreferent, und für Eliane Guillet de la Brosse, Sozialreferentin von Toulon.

6 Die Groupe de recherche et d'études sur la civilisation européenne (Gruppe zur Untersuchung und Erforschung der europäischen Zivilisation) ist eine theoretische Plattform der extremen Rechten. (Anm. d. Ü.)

7 Im Nationalverband der Heimkehrer sind die ehemaligen Algerienfranzosen, allen voran alte OAS-Kämpfer, organisiert. (Anm. d. Ü.)

8 Radical ist eine Parteineugründung von Bernard Tapie und anderen, eher linksorientierten Politikern. (Anm. d. Ü.)

9 Die derzeitigen Führungskräfte des Front national sind nach dem Wahlsieg bei den Europawahlen 1984 aus der klassischen Rechten hervorgegangen: Der FN erhielt damals 19,96 Prozent der Stimmen in Toulon. Bei den Europawahlen 1989 waren es 28,32 Prozent der Stimmen, dann 27 Prozent bei den Kommunalwahlen von 1993. Und bei den Präsidentschaftswahlen von 1995 erhielt Le Pen in Toulon die meisten Stimmen: 24 Prozent.

* Journalisten

Le Monde diplomatique vom 12.07.1996, von Y.Salhi und G.Rochu