Das türkische Modell
MERSIN, in der Nähe von Izmir, ist mit seinem Hafen und seiner günstigen Lage am Schnittpunkt von Straßen und Eisenbahnstrecken eine wichtige Drehscheibe. Auch sein Status als Freie Produktionszone ist von Vorteil – Freistellung von allen Steuern, Lagerung von Waren ohne Zollformalitäten, uneingeschränkter Handel.
Edvar Mumcu, der Direktor von Mesbaș, der Betreibergesellschaft der Zone, ist stolz auf deren Erfolg. Die 472 Gesellschaften – davon 99 ausländische, vor allem aus den arabischen Staaten – erzielen einen Warenumschlag von mehr als 30 Prozent des gesamten Handels, der in türkischen Freien Produktionszonen getätigt wird. Es sind vor allem kleine und mittlere Betriebe der Bekleidungsindustrie, die zum Großteil nach Deutschland und in die Niederlande liefern und mehr als 2500 der insgesamt 4000 Arbeitsplätze in der Zone stellen.
Mersin ist die leistungsstärkste Freie Produktionszonezone der Türkei. „Unser Umsatz ist von 420 Millionen auf 1,7 Milliarden Dollar gestiegen; 1993 erzielten wir ein beträchtliches Wachstum. Von 1996 bis 1997 hatten wir ein Wachstum von 9 Prozent, und für 1998 erwarten wir ein Handelsvolumen in Höhe von 2 Milliarden Dollar“, versichert Mumcu. Angesichts der Nachfrage nach neuen Niederlassungen will er die derzeitige Ausdehnung von 504000 Quadratmetern erweitern. In diesem Jahr sollen 3 Millionen Dollar in die bessere Ausstattung des Gebiets investiert werden, wozu auch die Computervernetzung bis Mitte des Jahres gehört.
DAS Gesetz für die Einrichtung von Freien Produktionszonen in der Türkei wurde 1985 unter Staatspräsident Turgut Özal verabschiedet, der die Liberalisierung der Wirtschaft vorantrieb, um die Türkei zum regionalen Brückenpfeiler zu den Märkten im Nahen Osten und Zentralasien zu machen. Neben der Zone in Mersin, die 1987 als erste eröffnet wurde, gibt es inzwischen drei in Istanbul und fünf weitere in Antalya, Gaziemir, Trabzon, Erzurum und Mardin. Mit einer Umsatzsteigerung von 150 Millionen auf 4,5 Milliarden Dollar erzeugen die mehr als 1500 Unternehmen einen immer größeren Anteil am Gesamtvolumen des türkischen Außenhandels.
Die Zwischenerzeugnisse, die dort zu Endprodukten verarbeitet werden, gelangen in wachsenden Mengen auf den nationalen Markt (51 Prozent des Handels) und in die Europäische Union (20,21 Prozent). Deutschland lag 1997 mit einem Volumen von 191 Millionen Dollar an der Spitze der EU-Länder.
Die jährliche Steigerung des gesamten Warenumschlags um durchschnittlich 50 Prozent weckt bei Investoren ein wachsendes Interesse an den türkischen Freizonen. Derzeit entstehen sieben neue Zonen, und auf dem Schreibtisch des Generaldirektors der Freien Produktionszonen stapeln sich die Anträge auf Niederlassungsgenehmigung.
In diesen Enklaven sind Streiks in den ersten zehn Jahren nach der Eröffnung untersagt. Die soziale Absicherung ist jedoch vergleichbar mit der von außerhalb dieser Gebiete Beschäftigten. Da die Unternehmen der Zone aber keine Steuern zahlen, liegen die Löhne hier im allgemeinen etwas höher.
EMINE USAKLIGIL
Journalistin, Istanbul