11.09.1998

Ein fatales Wahlsystem

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Ein fatales Wahlsystem

DAS einzige Verdienst der Wahlen wird sein, zu zeigen, wie sinnlos sie sind.“ Christopher Bennett, Leiter der International Crisis Group (ICG), ist pessimistisch, was den Ausgang der Wahlen betrifft. Er kritisiert das Wahlsystem, das seiner Ansicht nach die „ethnischen“ Parteien fördert. „Für den Wahlausgang entscheidend ist nach wie vor die Angst vor den anderen Volksgruppen“, erklärt er. „Die Wähler geben ihre Stimme der Partei, von der sie sich den besten Schutz erhoffen, das heißt den Nationalisten.“ Der Teufelskreis ist perfekt: Die radikalen Kräfte in den drei Volksgruppen stärken sich gegenseitig den Rücken und setzen auf die „ethnischen“ Ängste, um die Wahlen zu gewinnen.

„Das Problem ist, daß die Kandidaten im gegenwärtigen Wahlsystem nur um die Stimmen ihrer eigenen Volksgruppe werben müssen“, führt Chris Bennett weiter aus. Für das dreiköpfige Staatspräsidium von Bosnien-Herzegowina wurde im Dayton-Abkommen in Anhang IV, Artikel 5, festgelegt, daß „der kroatische und der bosniakische Repräsentant auf dem Gebiet der Föderation und der serbische Repräsentant auf dem Gebiet der Republika Srpska gewählt werden“.

Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, schlägt die ICG vor, die Stimmen zu kreuzen. Jede Volksgruppe sollte zuerst ihren Vertreter und dann in einem weiteren Schritt je einen Kandidaten der beiden anderen Volksgruppen wählen. In der gegenwärtigen Konstellation würde jeder Wähler einen „Hardliner“ des eigenen Lagers, aber einen gemäßigten Kandidaten der anderen beiden Gruppen wählen, womit die Extremisten geschlagen würden. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die mit der Durchführung der Wahlen in Bosnien-Herzegowina betraut ist, hat diesen Vorschlag jedoch nicht aufgegriffen. Den Anhängern der ethnischen Spaltung kann das nur recht sein.

T. H.

Le Monde diplomatique vom 11.09.1998, von T. H.