14.05.1999

Reichstagskunst

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Reichstagskunst

Mitte April wurde in Berlin der umgebaute Reichstag eingeweiht. Die anfangs umstrittene Kuppel wird mittlerweile einhellig angenommen, die Innenausstattung des Architekten Norman Foster und die Kunst sind Gegenstand zahlreicher Debatten.

„... für diesen epochalen Ort der deutschen Vergangenheit und unserer parlamentarischen Zukunft (sollten) die herausragenden Vertreter und Vertreterinnen jener deutschen Künstlergeneration um ihre gestalterischen Vorschläge gebeten werden, (...) die auch im Ausland das Bild der Kunst in Deutschland maßgeblich bestimmt haben“, hieß es in der Erklärung des Kunstbeirats. Entsprechend der Devise: Keine Experimente wagen! wurden mit den vorhandenen 8 Millionen Mark renommierte Künstler beauftragt. Zudem engagierte man vier Künstler aus den Ländern der vier Siegermächte.

Die Reichstagskunst ist großteils Auftragskunst, was in Zeiten, da die Autonomie der Kunst hochgehalten wird, für eine grundsätzliche Spannung sorgt. Als der Reichstag Anfang des Jahrhunderts eröffnet wurde, entbrannte ein heftiger Streit um den politischen Gehalt der Kunstwerke: Einige wurden gar nicht erst auf-, andere gleich wieder abgehängt. Heute ist es eher ein ostentatives Nichtverhältnis zu Ort und Geschichte, das viele deutsche Beiträge kennzeichnet.

Mit den Abbildungen auf den Seiten 1, 3, 5, und 13 wollen wir sieben Kunstwerke im Raum vorstellen:

den Beitrag der Amerikanerin Jenny Holzer (Seite 1), die im Eingangsbereich auf einer Stele Reichstags- und Bundestagsreden in digitaler Leuchtschrift herunterrieseln läßt; das in eine Cafeteria im zweiten Stock verbannte Historiengemälde des Malers Bernhard Heisig (Seite 3), dessen Beauftragung lange umstritten war; den Beitrag Katharina Sieverdings (Seite 5), der ein Ankauf ist; das Fries Sigmar Polkes (Seite 13) im Eingangsbereich; die Installation des Franzosen Christian Boltanski (Seite 13), der im Kellergeschoß jedem Reichstags- und Bundestagsabgeordneten seit 1919 eine Schachtel widmete; ferner die Arbeiten von Emil Schumacher (Seite 5) und Gotthart Graubner (Seite 13).

Le Monde diplomatique vom 14.05.1999