Die USA und das Völkerrecht
■ WER Rechtsgrundsätze, internationale Verträge und Gerichtsurteile verletzt, muß gute Gründe vorbringen können. Kriege, die sich als „humanitäre Intervention“ deklarieren, sind im Spannungsfeld zwischen völkerrechtlichen Verfahrensregeln und humanitärem Völkerrecht angesiedelt. Da alle Aggressoren, bis hin zu Saddam Hussein, ihre „guten Absichten“ beteuert haben, muß sich eine militärische Intervention durch Fakten legitimieren, die schwerer wiegen als die Gefährdung der internationalen Rechtsordnung
Von NOAM CHOMSKY *
Es gibt ein für alle Staaten verbindliches Reglement internationaler Ordnung, das auf der UNO-Charta, UNO-Resolutionen und den Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofes basiert. Danach sind Androhung oder Einsatz von Gewalt ohne ausdrückliche Zustimmung des Sicherheitsrats untersagt (erlaubt ist der Einsatz von Gewalt nur zur Selbstverteidigung gegen „bewaffnete Angriffe“, und auch das nur, bis der Sicherheitsrat handelt).
Es gibt jedoch Spannungen, wenn nicht gar offene Widersprüche zwischen diesen Regeln und den Rechten, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgehalten worden sind. Sie bilden den zweiten Pfeiler der Weltordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf Initiative der USA etabliert wurde. Die Charta ächtet Gewalt, die staatliche Souveränität verletzt; die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte garantiert die Rechte von Personen gegen unterdrückerische Staaten. Das Konzept einer „humanitären Intervention“ entsteht aus dieser Spannung. Die USA beziehungsweise die Nato nehmen im Kosovo das Recht auf „humanitäre Intervention“ in Anspruch – und werden dabei von den Medien unterstützt.
So hat etwa die New York Times am 27. März unter dem Titel „Rechtsexperten bejahen das Recht auf den Einsatz von Gewaltmitteln“ für die Legalität der Kosovo- Mission argumentiert. Dabei wird allerdings nur eine bejahende Stimme zitiert, die einem ehemaligen Berater der UN- Botschaft der USA gehört. Ein anderer Experte bestreitet dagegen rundweg ein Recht auf Intervention. Ein dritter, Jack Goldsmith von der Universität Chicago, bescheinigt den Kritikern der Nato-Angriffe „ziemlich gute juristische Argumente“, meint dann aber, viele Leute würden von diesem Vorbehalt die „humanitäre Intervention“ ausnehmen, und zwar auf der Grundlage von „Gewohnheitsrecht und herrschender Praxis“. So weit das Material, das die New York Times zur Rechtfertigung ihrer im Titel bejahten Schlußfolgerung anbietet.
Das Recht auf humanitäre Intervention, so es denn existiert, basiert auf den „guten Absichten“ der Intervenierenden. Diese sollten nicht an ihrer Rhetorik, sondern an den Fakten gemessen werden, insbesondere an ihrem bisherigen Verhalten gegenüber den Prinzipien internationalen Rechts, den Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofes und so weiter. Als der Iran in Bosnien intervenieren wollte, um Massaker zu verhindern (zu einem Zeitpunkt, als der Westen dies noch ablehnte), wurde sein Angebot mit Spott übergangen, unter anderem weil beim Iran „gute Absichten“ nicht angenommen werden konnten. Aber ist die iranische Bilanz in bezug auf Intervention und Terror schlimmer als die der USA? Und wie sollen wir die „guten Absichten“ des einzigen Landes bewerten, das ein Veto einlegte gegen eine Resolution des Sicherheitsrates, nach der alle Staaten aufgerufen werden sollten, sich an internationales Recht zu halten? Wie also sieht die historische Bilanz dieses Staates aus? Im vergangenen Jahr kam es im Kosovo zu einer humanitären Katastrophe, die in überwältigendem Maße den jugoslawischen Streitkräften anzulasten ist. Hauptopfer ist die albanische Bevölkerung. Nach allgemeiner Schätzung hat es zweitausend Tote und mehrere hunderttausend Flüchtlinge gegeben. In Fällen wie diesem haben Außenstehende drei Möglichkeiten:
I sie versuchen, die Katastrophe zu verschärfen,
II sie tun nichts,
III sie versuchen, die Katastrophe zu lindern.
Nehmen wir zur Illustration einige aktuelle Beispiele mit vergleichbarer Größenordnung.
Kolumbien. Nach Schätzungen des US-Außenministeriums entspricht die Zahl der politischen Morde, die von der Regierung und paramilitärischen Verbänden pro Jahr begangen werden, ungefähr der im Kosovo, und die Zahl der Flüchtlinge, die vor diesen Grausamkeiten fliehen, liegt bei weit über einer Million. Während die Gewalt zunahm, hat Kolumbien mehr Waffen und Ausbildung aus den USA erhalten als jedes andere Land in der westlichen Hemisphäre; diese Unterstützung nimmt unter dem Vorwand der Drogenbekämpfung weiter zu. In diesem Fall also haben die USA zur Methode I gegriffen: Ausweitung der Greueltaten.
Türkei. Nach vorsichtigen Schätzungen hat die Repression des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung mindestens das Ausmaß derjenigen im Kosovo. Allein zwischen 1990 und 1994 flohen über eine Million Kurden vom Land in die inoffizielle kurdische Hauptstadt Diyarbakir, weil die türkische Armee die Dörfer systematisch zerstörte. Das Jahr 1994 war das Jahr der schlimmsten Repression in den kurdischen Provinzen; es war auch das Jahr, in dem die Türkei zum größten Importeur US-amerikanischer Rüstungsprodukte und damit zum größten Waffenkäufer der Welt wurde. Während Menschenrechtsgruppen den Einsatz von US-Flugzeugen bei der Bombardierung von Dörfern aufdeckten, fand die Clinton-Regierung Wege, die in solchen Fällen gesetzlich vorgeschriebene Aussetzung von Waffenlieferungen zu umgehen.
Kolumbien und die Türkei begründen ihre (durch die USA unterstützten) Greueltaten damit, daß sie ihre Länder gegen die Bedrohung durch terroristische Guerillas verteidigen müßten. Wie die jugoslawische Regierung. Auch das Beispiel Türkei zeigt die Methode I.
Laos. Die Ebene von Jars im Norden von Laos ist der Ort der massivsten und wohl grausamsten Bombardierungen ziviler Ziele in der Geschichte. Washingtons wilder Angriff auf eine arme bäuerliche Gesellschaft begann 1968, nachdem die US-Regierung auf Druck der Bevölkerung und der Geschäftswelt Verhandlungen aufgenommen hatte, die zum Ende des ständigen Bombardements Nordvietnams führten. Danach schickten Henry Kissinger und Richard Nixon die Bomber nach Laos und Kambodscha. Die Todesfälle werden von den „Bombies“ verursacht, kleinen Antipersonenwaffen, die weitaus schlimmer sind als Bodenminen. Sie sind zum Töten und Verstümmeln konstruiert und haben keine Auswirkungen auf Lastwagen oder Gebäude. Mehrere hundert Millionen dieser kriminellen Sprengsätze wurden über der Hochebene abgeworfen; sie haben nach Angaben des Herstellers Honeywell eine Fehlzündungsrate von 20 bis 30 Prozent. Diese Zahlen deuten entweder auf eine bemerkenswert schlechte Qualitätskontrolle hin oder aber auf eine beabsichtigte Langzeitwirkung. Derzeit werden (die Angaben schwanken) jährlich zwischen einigen hundert und zwanzigtausend Menschen durch „Bombies“ verstümmelt oder getötet. Der langjährige Asien-Journalist des Wall Street Journal Barry Wein schätzt, daß rund die Hälfte der 20000 Explosionen im Jahr zum Tode führen. Nach Berichten des Mennonite Central Committee, das seit 1977 das anhaltende Gemetzel lindern hilft, sind vor allem Kinder die Opfer. Es gab Versuche, über diese humanitäre Katastrophe zu informieren und sie zu bewältigen. Eine britische Mine Advisory Group (MAG) will die weiterhin tödlichen Waffen entfernen, stößt aber – wie die britische Presse verärgert berichtete – auf die Weigerung der USA, ihr Unterlagen zum Vorgehen bei der Entschärfung auszuhändigen; dies würde ihre Arbeit „erheblich schneller und sicherer“ machen. Die Handhabung der „Bombies“ bleibt ein Staatsgeheimnis. In diesem Fall haben sich die USA für Methode II entschieden: Nichtstun.
Ich verzichte auf weitere Beispiele für die Varianten I und II – wie etwa das große Abschlachten irakischer Zivilisten durch eine besonders bösartige Form biologischer Kriegführung [erzwungene Unterernährung, Zerstörung der Trinkwasserversorgung usw., d. Red.]. Es sei „eine sehr schwere Entscheidung“ gewesen, sagte die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright 1996 im US-Fernsehen, als sie befragt wurde, wie sie auf die Ermordung einer halben Million irakischer Kinder innerhalb von fünf Jahren reagiert habe, aber „es ist den Preis wert“. Nach Schätzungen sterben immer noch monatlich fünftausend Kinder, es ist den Preis immer noch „wert“. An dieses und andere Beispiele sollte man sich erinnern, wenn man vom „moralischen Kompaß“ liest, der die Clinton-Regierung im Falle Kosovo leitet.
Die Basis des Völkerrechts wird bombardiert
WAS genau aber zeigt dieser Fall? Die Androhung der Nato-Bombardierung führte zu einer scharfen Eskalation der Übergriffe der serbischen Armee beziehungsweise der paramilitärischen Einheiten und zum Abzug internationaler Beobachter. Der Oberkommandierende, General Wesley Clark, erklärte, daß die Zunahme des serbischen Terrors „völlig vorhersehbar“ gewesen sei – sie wußten also, was kommen würde. Es gibt glaubwürdige Berichte über die großflächige Zerstörung von Dörfern und über Morde, die den Flüchtlingsstrom anschwellen ließen – all dies eine „völlig vorhersehbare“ Folge der Drohung mit und der anschließenden Ausübung von Gewalt, wie General Clark richtig bemerkt.
Kosovo ist damit ein weiteres Beispiel für die Möglichkeit I, also den Versuch einer Eskalation der Gewalt, mit erwarteten Folgen. Auch Beispiele zur Illustration der Möglichkeit III lassen sich ohne weiteres finden, zumindest wenn man die offizielle Rhetorik beiseite läßt.
Die bedeutendste neueste Studie zum Thema „humanitäre Intervention“ hat Sean Murphy verfaßt. Er zieht zunächst die Bilanz für die Zeit nach Verabschiedung des Kellogg-Briand-Pakts von 1928, der eine Ächtung des Krieges beinhaltete, und anschließend für die Epoche seit Verabschiedung der UN-Charta, die diese Bestimmungen verstärkt und genauer ausformuliert hat. In der ersten Phase, schreibt Murphy, gab es drei herausragende Beispiele für „humanitäre Interventionen“: den Angriff Japans auf die Mandschurei, die Invasion Mussolinis in Äthiopien und Hitlers Besetzung eines Teils der Tschechoslowakei.
All diese Unternehmungen waren begleitet von wohltönender humanitärer Rhetorik, aber auch von faktengestützten Rechtfertigungen. Japan wollte die Mandschurei gegen die „chinesischen Banditen“ verteidigen, um ein „Paradies auf Erden“ zu errichten. Dabei konnten die Japaner auf die Unterstützung durch einen führenden chinesischen Nationalisten verweisen, der eine weitaus glaubwürdigere Figur war als alle Typen, die Washington beim Angriff auf Vietnam aufbieten konnten. Mussolini wollte angeblich Tausende von Sklaven befreien und damit die „zivilisatorische Mission“ des Westens vorantreiben. Hitler sprach von der Absicht, ethnische Spannungen und Gewalt zu beenden, und „das nationale Eigenleben des deutschen und des tschechischen Volkes sicherzustellen“, und bekannte sich „erfüllt von dem ernsten Wunsch, den wahren Interessen der in diesem Lebensraum wohnenden Völker zu dienen [und] dem Frieden und der sozialen Wohlfahrt aller zu nutzen“. Und der Ministerpräsident der Slowakei schickte Hitler ein Telegramm, mit dem er seinen Staat dem Schutz des Großdeutschen Reiches unterstellte.
Eine weitere nützliche intellektuelle Übung wäre der Vergleich solch obszöner Rechtfertigungen mit denen, die in der zweiten Periode, nach Verabschiedung der UN-Charta, für Interventionen, einschließlich „humanitärer“, angeboten wurden. In dieser Periode war das wohl zwingendste Beispiel einer humanitären Intervention die vietnamesische Invasion in Kambodscha (Dezember 1978), die Pol Pots Metzeleien zu einem Zeitpunkt stoppte, als diese auf ihrem Höhepunkt waren. Vietnam nahm dabei für sich das Recht auf Selbstverteidigung in Anspruch. Es war einer der wenigen glaubwürdigen Fälle jener Zeit: Das Regime der Roten Khmer im „Demokratischen Kampuchea“ führte in den Grenzregionen mörderische Angriffe gegen Vietnam aus. Die Reaktion der USA auf die vietnamesische Intervention ist sehr erhellend. Die Medien verurteilten die „asiatischen Preußen“ für diesen ungeheuerlichen Bruch internationalen Rechts. Diese wurden für ihr Verbrechen – die Massaker Pol Pots beendet zu haben – hart bestraft: erst durch eine (von den USA unterstützte) chinesische Invasion, dann durch extrem harte Sanktionen der USA. Und die USA erkannten die vertriebenen Roten Khmer als offizielle kambodschanische Regierung an, weil sie die „Kontinuität“ zum Pol-Pot- Regime repräsentierten, wie das US-Außenministerium damals erklärte. Dieses Beispiel sagt uns alles über die „herrschende Praxis“, die den „sich herausbildenden Rechtsnormen der humanitären Intervention“ zugrundeliegt.
Es gibt keine ernstzunehmenden Zweifel daran, daß die Nato-Bombardierungen alles, was von der fragilen Struktur des Völkerrechts übrigbleibt, weiter unterminieren. Die USA haben das auch in den Diskussionen, die zur Nato-Entscheidung führten, völlig klar gemacht. Außer Großbritannien (das mittlerweile von den USA so unabhängig ist wie das UNO-Gründungsmitglied Ukraine von der damaligen Sowjetunion) standen die Nato-Länder der US-Politik skeptisch gegenüber und waren besonders über Albrights „Säbelrasseln“ (Boston Globe) verärgert. Je näher die Länder (auch Nato-Länder wie Italien und Griechenland) an der Konfliktregion liegen, desto größer war und ist ihre Opposition gegen den Einsatz von Gewalt. Frankreich verlangte eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates – der müsse die Stationierung von friedenssichernden Nato-Truppen autorisieren. Die USA lehnten dies rundweg ab. Die Nato müsse auch „unabhängig von den Vereinten Nationen agieren können“, sagten Beamte des US-Außenministeriums. Die USA verhinderten auch (so die New York Times vom 11. Februar), daß der Begriff „autorisieren“ in der abschließenden Nato-Stellungnahme vorkam – der UNO- Charta und dem internationalen Recht sollte keine Autorität zugestanden werden. Die gleichzeitig stattfindende Bombardierung des Irak war ja ebenfalls eine unverschämte Mißachtung der UNO – die Botschaft war klar. Nur wenige Monate zuvor hatten die USA die Hälfte der Produktionskapazitäten zur Erzeugung von Arzneimitteln in einem kleinen afrikanischen Land zerstört [gemeint ist der Sudan, d. Red.].
Nun könnte man sagen, daß eine weitere Demontage internationaler Regeln eigentlich irrelevant ist (so wie Ende der dreißiger Jahre der Völkerbund seine Bedeutung verloren hatte), daß die Verachtung der Führungsmacht gegenüber dem Regelwerk internationaler Ordnung mittlerweile so groß ist, daß es nichts mehr zu diskutieren gibt. Die Mißachtung internationalen Rechts reicht schließlich weit zurück, wurde unter John F. Kennedy erstmals offen ausgesprochen und geht – das war neu – seit Ronald Reagan und Clinton ganz offen vor sich. Der Internationale Gerichtshof, die UNO und andere Institutionen seien unerheblich geworden, erklärten die obersten US-Behörden unumwunden, weil sie nicht länger den US- Vorgaben folgen würden, wie dies noch in den ersten Nachkriegsjahren der Fall war.
Unter Clinton hat die Mißachtung der Weltordnung so zugenommen, daß selbst den Falken zuzurechnende Fachleute besorgt sind (in der letzten Ausgabe von Foreign Affairs, dem führenden Journal der herrschenden Elite, warnt Samuel Huntington davor, daß die USA dabei seien, „zur verbrecherischen Großmacht zu werden“, die von vielen als „größte einzelne äußere Bedrohung ihrer Gesellschaften“ angesehen würde). Die USA haben im Fall Kosovo einen Kurs gewählt, der die Gewalt „vorhersehbar“ eskalieren ließ und der zugleich einen weiteren Schlag darstellen sollte gegen die internationale Ordnung, die den Schwachen wenigstens ein Minimum an Schutz vor räuberischen Staaten bietet. Das Recht auf „humanitäre Intervention“ wird in den kommenden Jahren wahrscheinlich regelmäßig in Anspruch genommen – vielleicht berechtigterweise, vielleicht auch nicht. In einer solchen Zeit lohnt es sich, der Meinung hoch angesehener Fachleute Beachtung zu schenken.
Leon Henkin etwa gehört zu den hervorragendsten Experten für internationales Recht. In einem Standardwerk zur Weltordnung schreibt Henkin: „Verletzungen der Menschenrechte kommen nur allzu häufig vor, und wenn es erlaubt wäre, ihre Verletzung durch den Einsatz äußerer Gewalt zu ahnden, könnte kein Gesetz den Einsatz von Gewalt irgendeines Staates gegen irgendeinen anderen Staat verhindern. Die Menschenrechte müssen meiner Meinung nach durch andere, friedliche Maßnahmen geschützt werden, und nicht dadurch, daß man der Aggression Tür und Tor öffnet und so alle Fortschritte im internationalen Recht, bei der Ächtung des Krieges und beim Verbot des Einsatzes von Gewalt vernichtet.“ Anerkannte internationale Rechtsgrundsätze, verbindliche Verträge, Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs, Ansichten anerkannter Experten – all das löst nicht automatisch Probleme. Jeder Sachverhalt muß für sich betrachtet werden. Wer sich nicht den Standard von Saddam Hussein zu eigen machen will, muß beweisen können, warum mit Gewalt gedroht oder sie gar (unter Verletzung der Prinzipien der internationalen Ordnung) eingesetzt wurde. Vielleicht kann der Beweis ja erbracht werden, aber das muß gezeigt werden – leidenschaftliche Rhetorik allein reicht da nicht aus. Die Konsequenzen müssen sorgfältig abgewogen werden – unter Berücksichtigung insbesondere dessen, was „vorhersehbar“ ist. Und wer auch nur ein bißchen ernsthaft ist, wird die Handlungsgründe genau abwägen, und sich nicht allein mit der Vergötterung unserer Führer und deren „Moral“ begnügen.
dt. Pit Wuhrer
* Professor am Massachussetts Institute of Technology (MIT), Boston, zuletzt auf deutsch erschienen ist „Sprache und Politik“, hrsg. und übers. v. Michael Schiffmann, Berlin (Philo) 1999.