13.08.1999

Die Angst

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Die Angst

Achille F. Ngoye, „Yaba Terminus“, Paris (Serpent Noir) 1999.

Mongo Beti, „Trop de soleil tue l'amour“, Paris (Juillart) 1999.

Wollen Sie Afrika kennenlernen, wie es wirklich ist? Dann lesen Sie einen afrikanischen Krimi. Sie werden all das erfahren, was die Bevölkerung schicksalsergeben hinnimmt, einschließlich der alltäglichen Gewalt: Familienväter werden geschlagen und ausgeraubt, ehrbare Matronen vor den Augen ihrer Kinder anal vergewaltigt. Der Mob steinigt Diebe, Verbrecherbanden stürmen Privathäuser, und die Ordnungskräfte betätigen sich als Erpresser. Alles scheint in der Gewalt unterzugehen. Sie halten das für übertrieben? „Was glauben Sie denn, wo Sie sind“, entgegnen da die Autoren. „In einer laxen Demokratie?“

Wenn es ein literarisches Genre gibt, dessen Qualität nicht ausschließlich auf Gewalt beruht, obwohl viele Tote darin auftauchen, und auch nicht auf einem besonders originellen Plot (der stammt fast unverändert aus der Realität), sondern auf der angsterfüllten Atmosphäre, die es erzeugt, dann ist das der afrikanische Krimi.

Weder der Kongolese Achille F. Ngoye noch der Kameruner Mongo Beti versuchen, ihr eigenes Land zu beschreiben. Der gesamte afrikanische Kontinent ist mafiös durchsetzt, wie Sizilien und viele andere Regionen der Welt. Nach den blutrünstigen Caudillos ist jetzt die Zeit der formal unangreifbaren Paten mit ihren Wahlfälschungen, der scheinbaren Mehrparteiensysteme und des Ausverkaufs des Landes an Multis, die die Bodenschätze ausbeuten und Afrika als Müllkippe der Welt benutzen.

Mongo Betis Roman spielt in einem nicht näher bestimmten Land. Ein alkoholabhängiger Journalist wird gejagt. Zuerst wird bei ihm eingebrochen – kein Grund zur Aufregung. Beti schreibt: „Wir sind schließlich nicht in der Schweiz, in Liechtenstein, in Island oder in einem anderen dieser von den Göttern verwöhnten, vielleicht auch nur in unserer Fantasie existierenden Länder, wo das Volk seine Führung frei wählt und die Ordnungskräfte die Bürger schützen.“ Dann schafft man eine Leiche in die Wohnung des Journalisten. Schließlich verschwindet Elizabeth, seine Lebensgefährtin. Daraufhin eilt sein Anwalt, Eddie, ihm zu Hilfe und findet heraus, warum ein verbrecherischer Geschäftsmann so hartnäckig auf sein Verderben aus ist.

Eher metaphorisch, lässt Achille Ngoye in einem heruntergekommenen Hotel der ehemaligen nigerianischen Hauptstadt Lagos Flüchtlinge aus Angola, Zaire und Kongo zusammentreffen, die nach Europa wollen und es doch nie erreichen. So schlagen sie sich notgedrungen durch und kuschen vor Black President, der für sie gleichzeitig Polizei, Richter und Henker ist. Die Heldin des Romans ist die kleine Midy, die bis Belgien gekommen war, von dort aber infolge des Abkommens von Schengen abgeschoben wurde. Sie spielt hier den Part, den Eddie, der per Charterflug aus Frankreich ausgewiesene angebliche Anwalt, im Roman Mongo Betis innehat. Beide spielen die Rolle, die in einem traditionellen Kriminalroman dem Detektiv zukommt. So führen uns zwei Exilafrikaner in die Welt der Gewalt ein, der Vetternwirtschaft, Willkür und Bestechlichkeit.

Midy und Eddie, die weitgereisten Afrikaner, werden zuerst mit offenen Armen aufgenommen, ziehen aber rasch den Hass auf sich, weil sie nicht so sind wie alle anderen. Sie fallen dem afrikanischen Zorn zum Opfer, „der sich nie gegen den ausländischen Unterdrücker oder gegen die korrupte regierende Kaste wendet, sondern immer gegen den rivalisierenden Clan.“

GILBERT ROCHU

dt. Margrethe Schmeer

Le Monde diplomatique vom 13.08.1999, von GILBERT ROCHU