König der Tropen
ZWEI Raubtiere am Wasser. Das erste, ein 100 Kilogramm schweres Muskelpaket, lauert schon lange darauf, seine Beute mit den Krallen zu zerfleischen. Heute ist endlich der Moment gekommen, die stille Freude des Siegers steht in seinem – Kabilas – Gesicht geschrieben. Das andere. mit dem hasserfüllten Blick eines Wesens, das den rauhen Atem der Geschichte in seinem Nacken spürt, ist ein alter, von Durchtriebenheit und Müdigkeit ausgelaugter Leopard: Mobutu. Der Kopf ist vorhanden, doch der Körper gehorcht nicht mehr – weder der des vom Krebs zerfressenen Diktators noch der von Zaire, jenem großen Organismus, den er seit Jahren aussaugt.
Wir schreiben den Mai 1997, Nelson Mandela war das Glanzstück gelungen, die beiden unerbittlichen Gegner nach vierzigjähriger Feindschaft auf neutralem Terrain (in Pointe-Noire, Kongo) zu „Friedensverhandlungen“ zu versammeln, an die keiner mehr so richtig geglaubt hatte.
Welch unheimliches Bild, Mobutu und Kabila, zwei Raubtiere in einem Boot, und Zaire, das ins Wasser fällt, wen kümmert das schon? Und welch unheimlicher Blick, der grauenvolle, von Hass und Ohnmacht erfüllte Blick Mobutus, als Mandela das Ereignis als Treffen der „zwei größten Söhne Afrikas“ feiert. Diesen Blick hat der belgische Dokumentarfilmer Thierry Michel in seinem Streifen mit dem lakonischen Titel „Mobutu, König von Zaire“ für uns festgehalten.
Wer ist nun dieser Joseph Désiré Mobutu? Zunächst ein kleiner, ehrgeiziger Journalist, ein Rastignac der Tropen. Archivaufnahmen zeigen ihn 1958 auf der Brüsseler Weltausstellung, wo er mit einem undurchsichtigen Lächeln den belgischen Kollegen Rede und Antwort steht. Ahnte Mobutu damals, dass er eines Tages Herrscher von Zaire und einer der reichsten Männer der Erde sein würde?
Als Belgien am 30. Juni 1960 Zaire widerstrebend aus seiner Obhut in die Unabhängigkeit ziehen ließ, stand nicht er, sondern Patrice Lumumba im Rampenlicht. Mobutu verblieb im Schatten, doch erhielt er die Schlüsselposition eines Generalstabschefs.
Als Lumumba im eigenen Land, aber auch in der westlichen Welt – allen voran den Vereinigten Staaten – in Ungnade fiel, waren alle Blicke auf Mobutu gerichtet. Er übernahm die Zügel in einem Zaire, das von Gewalt erschüttert wurde, erhielt die militärische und logistische Unterstützung des Westens und übernahm schließlich durch den Militärputsch vom 23. November 1965 die Macht. Der zu diesem Zeitpunkt 35 Jahre alte Mobutu war von einer Machtgier und einem ebenso starken Machiavellismus beseelt („Machiavellis 'Der Fürst‘ kannte er auswendig“, so ein ehemaliger hoher Verwaltungsbeamter). Zweiunddreißig Jahre sollte er das Schicksal eines der reichsten Länder Afrikas lenken.
Diese zweiunddreißig Jahre uneingeschränkter Machtausübung ziehen sich wie ein roter Faden durch Thierry Michels Film. Ein Faden so rot wie der Teppich, den man überall zu seinen Ehren ausrollte. So rot, wie das Blut seiner Gegner, die Nacht für Nacht von Hubschraubern in die schwarzen Gewässer Zaires befördert wurden.
Abscheu erfasst einen angesichts dieser grausigen Enthüllungen, der Schwindel packt einen, wenn man sieht, wie eng die offizielle Geschichte – scherzhaftes Geplauder mit westlichen Journalisten am Rande des Swimmingpools, glanzvolle Empfänge, Reisen – mit der Teufelsfratze des Regimes – brutal niedergeschlagene Aufstände und Demonstrationen, öffentliche Hinrichtungen – verflochten ist.
ELISABETH LEQUÉRET
dt. Andrea Marenzeller