15.09.1995

Gedanken

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Gedanken

DIE Familie ist wichtig, weil man in ihr den Respekt vor sich selbst und vor anderen lernt. Die Familie ist es, wo man lernt, Verantwortung zu übernehmen, und erstmals die Erfahrung macht, daß die Freiheit Grenzen hat. Familie ist das Gegenteil von blindem Egoismus.

Auf den Fundamenten der Familie errichten wir die Gesellschaft. Ich glaube an die moralische Verpflichtung, den Ärmsten, Schwachen und Arbeitslosen zu helfen. Hier können sich die traditionellen Werte der Linken in der konkreten Anwendung beweisen. Weil sie an die soziale Gerechtigkeit und die Achtung vor dem anderen glaubt, kann die Linke in der Nation ein neues moralisches Empfinden wecken. Sie besitzt die Kraft, Regeln des Miteinander durchzusetzen, weil sie im Herzen einer starken und lebendigen Gemeinschaft verankert werden.

Richtig verstanden, kann die alte Idee der Gemeinschaft uns daher helfen, den Gegensatz zwischen blindem Egoismus und traditionellem Sozialismus zu überwinden. [...]

Die Politikmüdigkeit resultiert zum Teil aus der von den Parteien vermittelten Vorstellung, der Staat könne alles. Aber der Staat verfügt gar nicht über so viele Möglichkeiten, die Geschicke einer ganzen Nation zu gestalten. Der Staat kann seine Vorstellungen von wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt dem Bürger längst nicht mehr aufzwingen. Er kann sich nicht mehr damit begnügen, vorzuschreiben und zu befehlen: unzählige individuelle Entscheidungen machen heutzutage das wirtschaftliche und soziale Leben einer Nation aus. Das ist eine gute Neuerung, aber sie bedeutet, daß wir die Verantwortlichkeiten teilen, die erstrebenswerten Ziele allen zugänglich machen müssen. Und wir dürfen niemals glauben, sie seien zu erreichen, ohne daß unsere Mitbürger ihren Teil dazu beitragen.“

(Tony Blair, in The Times vom 17. Juli 1995)

Le Monde diplomatique vom 15.09.1995, von Tony Blair