Das Opus Dei auf dem Vormarsch
■ Während der muslimische Fundamentalismus die Schlagzeilen füllt, geht die christliche Rechte ihren Aktivitäten lieber im dunkeln nach, wie der beunruhigende Aufstieg des Opus Dei z
Während der muslimische Fundamentalismus die Schlagzeilen füllt, geht die christliche Rechte ihren Aktivitäten lieber im dunkeln nach, wie der beunruhigende Aufstieg des Opus Dei zeigt. Das „Werk“ ist eine religiöse Kampftruppe mit starkem Hang zum Sektierertum und zum militanten Antikommunismus und gleichzeitig eine ökonomische und politische Kraft. Es übt in vielfältiger Weise Einfluß sowohl auf die Kirche als auch auf die weltlichen Mächte aus, die es zu unterwandern versucht. Personen, die dem Opus nahestehen, findet man selbst in der Regierung Alain Juppés.
Doch diese weiße Garde des Vatikans, mit deren Beihilfe Johannes Paul II. zum Papst gewählt wurde, stößt auch auf Widerstände. Im Namen ihres Glaubens lehnen viele Christen die „geistliche Diktatur“ des Opus ab und fürchten, daß diese „Armee des Papstes“ ein zweischneidiges Schwert ist, das sich eines Tages gegen ihn selbst erheben könnte.
Von FRANÇOIS NORMAND *
DURCH politisch kalkulierte Bischofsernennungen, die die Wünsche der Ortskirchen so gut wie nie berücksichtigen, treibt Johannes Paul II. sein Restaurationsvorhaben voran. Er bedient sich dabei aller ihm verfügbaren Mittel – auf theologisch-doktrinaler wie disziplinarischer Ebene – und vor allem seiner Amtsautorität. Unterstützung erfährt er dabei von einer Reihe ihm treu ergebener traditionalistischer Bewegungen, die oft sektiererisch und politisch meist rechts orientiert sind.
Sie gehören zu Bewegungen wie der „Charismatischen Erneuerung“ oder tragen Namen wie: Comunione e Liberazione“ (eine in den siebziger Jahren in Italien entstandene Organisation), Focolari (1943 in Trient gegründet), Neokatechumenale Bewegung (1964 in Madrid gegründet), Legionäre Christi (eine in den vierziger Jahren in Mexiko entstandene Geheimgesellschaft). Vor allem aber ist hier das Opus Dei (das Werk Gottes) zu nennen, das 1928 von Pater Escrivà de Balaguer gegründet wurde.
Das Opus Dei, das sich der bedingungslosen Unterstützung durch den Bischof von Rom erfreut, durchsetzt die katholische Hierarchie auf allen Ebenen. Ist das Opus die Geheimwaffe des Papstes in der katholischen Reconquista, oder ist Johannes Paul II. der nichtsahnende Gefangene dieser „weißen Mafia“ auf ihrem Eroberungsfeldzug zur Macht?
Hat Präsident Jacques Chirac Mitglieder des Opus Dei zu Ministern oder Staatssekretären in der Regierung Alain Juppés ernannt? Die Frage mag absurd erscheinen, wenn man weiß, wie wenig der Gründer des RPR für die „klerikale Sache“ übrig hat. Bei der Zusammensetzung der Regierung mußten jedoch die diversen Gruppierungen der französischen Rechten abgefunden werden, die die Kandidatur des Bürgermeisters von Paris unterstützt hatten, insbesondere auch die mächtige konservative katholische Lobby. Man hat zwar auf die relativ hohe Zahl von Frauen im Kabinett verwiesen – 12 der insgesamt 42 Minister- und Staatssekretärsposten sind mit Frauen besetzt –, deren spießigen Traditionalismus aber meist unerwähnt gelassen.
Colette Codaccioni, Ministerin für die Solidarität zwischen den Generationen, Mutter von fünf Kindern und ehemalige Hebamme, sagt von sich selbst: „Ich bin Christin und für eine Erziehung zur Ehrfurcht vor dem Leben“; Elisabeth Dufourcq, Staatssekretärin im Forschungsministerium, hat eine Habilitation über Nonnenorden geschrieben, die sie zu dem Buch „Les Aventurières de Dieu“ (Die Abenteurerinnen Gottes) umgearbeitet hat. Anne-Marie Idrac, Staatssekretärin im Verkehrsministerium, ist die Tochter eines der Gründerväter der katholischen Partei MRP (Mouvement républicain populaire) und selbst in deren Nachfolgeorganisation CDS (Centre des démocrates sociaux) aktiv; und Françoise de Veyrinas (CDS), Staatssekretärin im Ministerium für städtische Problemzonen, stammt aus einer militant katholischen Toulouser Familie.
Bei zwei Personen der neuen Regierung drängt sich die Frage auf, ob sie Anhänger oder gar Mitglieder des Opus Dei sind: bei Hervé Gaymard, Staatssekretär im Finanzministerium, und seiner Ehefrau, Clara Lejeune-Gaymard, Ministerialdirektorin von Colette Codaccioni. Sie ist die Tochter des 1994 gestorbenen Professors und Opus-Mitglieds Jérôme Lejeune, der die Anti-Abtreibungs-Bewegung „Laissez-les vivre“ gegründet hat und von Johannes Paul II. in den Päpstlichen Rat für die Familie berufen wurde. Ein anderer Schwiegersohn von Professor Lejeune, der Philosoph Jean-Marie Meyer, macht aus seiner Mitgliedschaft im Werk Gottes keinen Hehl. Auch er sitzt im Päpstlichen Rat für die Familie. Der katholischen Zeitschrift Golias1 zufolge „gehören die Tochter und der Schwiegersohn von Professor Lejeune zum Opus Dei“, und auch in der Zeitschrift Maintenant konnte man lesen: „Jacques Chirac hat das Opus-Mitglied Hervé Gaymard [damals Abgeordneter von Savoyen] in seine Wahlkampfmannschaft aufgenommen.“
Daß derartige Behauptungen sich nicht beweisen lassen, kann nicht überraschen: Von Anfang an hatte die Bewegung geheimbündlerische Züge. In den (geheimen) Satzungsbestimmungen von 1950 heißt es im Artikel 191: „Die Numerarier und Supernumerarier wahren immer kluges Stillschweigen über die Namen von anderen Mitgliedern; und niemandem enthüllen sie, daß sie selbst zum Opus Dei gehören.“2 Als diese Bestimmungen bekanntgeworden waren3, wurden sie wiederholt kritisch kommentiert, weshalb 1982 neue Statuten ausgearbeitet wurden, in denen es heißt (Artikel 89): „[Die Gläubigen der Prälatur] nehmen nicht gemeinsam an öffentlichen Kulthandlungen wie etwa Prozessionen teil, verbergen aber auch nicht, daß sie der Prälatur angehören.“
Trotz dieses scheinbaren Zugeständnisses an die Transparenz übt sich das Opus weiter in Geheimniskrämerei, arbeitet mit Tarnnamen und Tarnorganisationen und begründet dies scheinheilig mit „kollektiver Demut“ und „apostolischer Effizienz“! „Weil es jede Transparenz verweigert, ruft das Opus Dei Neugier und Feindschaft hervor, was sich manchmal bis zu Verschwörungsphantasien steigern kann.“4
Zahlreiche Politiker gelten als Mitglieder oder Sympathisanten. Raymond Barre war Zeuge im Seligsprechungsprozeß von Escrivà de Balaguer und bescheinigte dem Gründer des Werks Gottes „Merkmale eines Heiligen“. Im Umkreis von Philippe de Villiers werden genannt: Christine Boutin, Parteisekretärin des CDS und Abgeordnete des Départements Yvelines, der ehemalige Innenminister Fürst Michel Poniatowski sowie Françoise Seillier, Koordinatorin äußerst reaktionärer europäischer Familienverbände.
In der Welt der Wirtschaft wird insbesondere auf die verwiesen, die im Pariser Zentrum des Opus, dem Centre Garnelles, Vorträge gehalten haben: Claude Bébéar, Chef der Versicherungsgruppe AXA, Michel Albert, Chef der Versicherungsgesellschaft AGF, Didier Pineau-Valencienne, Manager der Industriegruppe Schneider, und Renault-Chef Louis Schweitzer. Mehrere königliche Familien Europas sollen Sympathie für das Werk Gottes bekundet haben: Otto von Habsburg hat angeblich Werbung für das Opus gemacht, Erzherzog Lorenz von Österreich soll Mitglied sein. König Juan Carlos von Bourbon wurde von Opus-Priestern erzogen, und auch der Sekretär seiner Frau Sofia war ein Opus-Mann. Ebenfalls zu nennen wäre noch der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees und ehemalige Franco-Minister, Juan Antonio Samaranch-Torello.
Die „Diskretion“, die einerseits dazu dient, neue Anhänger unter der Jugend zu finden, ohne daß deren Familien etwas davon ahnen (vgl. nebenstehenden Artikel), und andererseits dazu, ein unsichtbares Netz zu knüpfen, das alle Bereiche der Gesellschaft erfaßt, erklärt sich vor allem aus dem historischen Umfeld, in dem das Opus Dei entstand.
Gegründet wurde das Werk Gottes 1928 in Madrid von dem jungen Priester Josémaria Escrivà de Balaguer. Das Ziel des Werks – „die Heiligung der alltäglichen Arbeit“ – gleicht dem der Action catholique-Bewegungen, die sich zur gleichen Zeit in Frankreich und Belgien bildeten. Das Umfeld zur Entstehungszeit des Opus Dei in den Jahren vor dem spanischen Bürgerkrieg sollte die Organisation dauerhaft prägen. Daraus erklärt sich seine unüberwindliche Abneigung gegen das II. Vatikanische Konzil, sein obsessiver Haß auf den Kommunismus und sein maßloser Hang zur Heimlichtuerei. Auch wenn Escrivà de Balaguer behauptet haben soll, er habe das Prinzip der Heiligung des Alltags „entdeckt“, ist die Idee doch in Wahrheit so alt wie das Evangelium. Viele Heilige haben es gelehrt, wie etwa die Karmeliterin Thérèse von Lisieux. Sehr schnell indes wurde die ursprüngliche Zielsetzung des Opus durch die Persönlichkeit seines Gründers deformiert: Er war ein ehrgeiziger, jähzorniger und eitler Kleinbürger.5 Das Geheimnis seines Erfolgs beruhte auf seinem Enthusiasmus und einem Charisma, denen sich keiner, der ihm nahestand, entziehen konnte.
Tarnnamen und Tarnorganisationen
DIE erste Deformation war die „Klerikalisierung“ des Opus, das immer noch behauptet, eine Laienorganisation zu sein. Doch alle Schlüsselpositionen sind heute in der Hand von Priestern, und die Nichtkleriker, die 98 Prozent der Mitglieder stellen, werden zwar als „gewöhnliche Menschen, die mit beiden Beinen auf der Erde stehen“, dargestellt, gleichen aber eher Ordensmitgliedern, denn sie haben („vertragliche Bindungen“ genannte) Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams abgelegt. Sehr viel mehr an kirchenrechtlichen als an theologischen Fragen interessiert, haben Escrivà und seine Schüler nichts unversucht gelassen, um dem Opus jenen juristischen Status zu verschaffen, der ihnen der passendste zu sein schien.
Nachdem es zunächst als „Fromme Vereinigung“ von Laien definiert worden war, wurde das Opus Dei 1947 das erste „Säkularinstitut“6 der Kirche, bevor ihm von Johannes Paul II. – der dem Werk viel wohlwollender gegenüberstand als seine Vorgänger Johannes XXIII. und Paul VI. – schließlich der ersehnte Titel einer „Personalprälatur“7 verliehen wurde. Dieser beneidenswerte, für das Opus maßgeschneiderte Status gewährt ihm alle Attribute einer echten Diözese, jedoch ohne deren territoriale Begrenzung. Der derzeitige Prälat des Opus, Hochwürden Javier Echevarria Rodriguez, Titularbischof von Cilibia, ist direkt dem Papst unterstellt und damit der Autorität der Diözesanbischöfe entzogen, obwohl die Laienmitglieder des Opus rein formalrechtlich immer noch ihrem jeweiligen Bischof unterstehen.
Die zweite Deformation war politischer Natur. Für den jungen Escrivà de Balaguer war der spanische Bürgerkrieg ein Kampf zwischen Katholiken und den Kommunisten, die er als die Verkörperung des Bösen ansah. Das hat seine Weltsicht dauerhaft verzerrt: Ganz wie Pius XII. verharmloste er die Schrecken des Nazismus (ja selbst die Bedeutung des Holocaust), sah er in ihm doch ein „von der Vorsehung gesandtes“ Bollwerk gegen den Kommunismus. Wladimir Felzmann, ein ehemaliges Opus-Mitglied, berichtet von einem in dieser Hinsicht höchst aufschlußreichen Gespräch mit Escrivà. Nachdem dieser darauf bestanden hatte, daß die mit Hitlers Hilfe erfolgte Machtergreifung General Francos das Christentum vor dem Kommunismus gerettet habe, fügte er hinzu: „Hitler gegen die Juden, Hitler gegen die Slawen, das hieß Hitler gegen den Kommunismus.“
Diese Nachsicht gegenüber dem Faschismus bringt uns zum Engagement des Opus im Francismus. Die Gefühle, die Franco für Escrivà hegte, den er als noch jungen Pfarrer kennengelernt hatte, waren allerdings gemischter Natur. In seiner fiktiven Autobiographie Francos läßt Manuel Vázquez Montalbán den Caudillo sagen: „Nachdem ich fast zwanzig Jahre lang mit Mitgliedern dieser Gesellschaft zu tun gehabt hatte, konnte ich zwar feststellen, daß jeder von ihnen seine eigenen Beweggründe hatte, aber sie alle waren doch geprägt vom Stempel einer Sekte, die sich auserwählt dünkt, die Welt durch ihr Eingreifen von oben zu retten.“
Um aus der 1956 einsetzenden Wirtschaftskrise herauszukommen, umgibt sich Franco immer mehr mit Ministern, die dem Opus angehören. Als er sich überlegt, die Monarchie zu restaurieren, mit Don Juan von Bourbon als seinem Nachfolger, setzt das Opus Dei auf dessen Sohn, Juan Carlos, dessen Erziehung in den Händen des dem Werk angehörenden Hauslehres Anael López Amo liegt. Franco proklamiert 1969 Juan Carlos zum Kronerben. Einige Monate später ist der Triumph des Opus perfekt: 12 von 19 Ministern der neunten Regierung unter General Franco sind Mitglieder des Opus Dei. Das Werk Gottes hat sich in die Politik aufgemacht.
Die dritte Deformation war theologischer Natur. Zum einen förderte die ausschließliche Betonung der „Heiligung durch die Arbeit“ einen Kult des materiellen Erfolgs und das System des liberalen Kapitalismus. Des weiteren ging das Opus in die Falle des Fundamentalismus. Der Theologe Hans Urs von Balthasar (einer der geistigen Lehrer von Johannes Paul II. und progressiver Ideen unverdächtig) beschrieb das Opus Dei als „die stärkste integralistische [d.h. fundamentalistische] Machtballung in der Kirche“10. „Der Integralismus“, schreibt er, „strebt mit allen Mitteln, den sichtbaren und den verborgenen, den öffentlichen und den geheimen, den Erhalt der politischen und sozialen Macht der Kirche an.“
Über seinen Mangel an Transparenz hinaus zeichnet sich der Fundamentalismus durch seinen Anspruch aus, im Besitz der Wahrheit zu sein. So wird das Opus in der organiationseigenen Zeitschrift Cronica als „heiliger, unbefleckter Rest der wahren Kirche“ beschrieben, der gegründet wurde, um „die Kirche und das Papsttum“ zu retten. Vier Jahre nach dem Ende des II. Vatikanischen Konzils klagte Pater Escrivà, eine Zeit des Irrtums sei über die Kirche hereingebrochen: „Das Böse kommt von innen und von ganz oben. Es herrscht eine wirkliche Zersetzung, und es hat derzeit den Anschein, als sei der mystische Leib Christi ein Leichnam in stinkender Verwesung.“
Msgr. Escrivà de Balaguer hätte freilich besser daran getan, sich um seine eigenen schwarzen Schafe zu kümmern. Eine Reihe von Finanzskandalen, in die Mitglieder des Opus verwickelt waren, brachten die Aktivitäten der „Heiligen Mafia“ oder der „Weißen Freimaurerloge“, wie übelmeinende Kritiker das Werk Gottes von nun an nennen sollten, ans grelle Tageslicht.11 Denn hinter der Fassade einer rein geistlichen Vereinigung – „eine arme, nur an Kindern reiche Familie“ – verbirgt sich ein nebulöses Gebilde aus Gesellschaften, Banken und Stiftungen, die von anonym bleibenden Opus- Mitgliedern geleitet werden.
In den siebziger Jahren, während Escrivà gegen die in stinkender Verwesung begriffene Kirche wetterte, knüpften seine Freunde das Finanznetz, das es dem Werk später ermöglichen sollte, mit Dollarmillionen zu jonglieren. Die wichtigste dieser Institutionen ist die 1972 in Zürich gegründete Limmat-Stiftung, die eng verbandelt ist mit Banken oder Stiftungen in Spanien (Fundación General Mediterránea), in Deutschland (Rhein-Donau-Stiftung bzw. Lidenthal-Institut) und in Lateinamerika (Fundación General Latinoamericana in Venezuela).
Heute ist das Opus in Rom allmächtig. Gekrönt wurde sein Aufstieg durch die Seligsprechung von Msgr. Escrivá de Balaguer durch Johannes Paul II. – seit langem ein Freund des Werks – im Jahre 1992, nur siebzehn Jahre nach seinem Tod. Das Seligsprechungsverfahren wurde in aller Hast durchgezogen, wobei nur die positiven Zeugenaussagen berücksichtigt wurden. Schon als Bischof von Krakau war Karol Wojtyla auf Einladung des Opus nach Rom gekommen, wo man ihn im Viale Bruno-Bozzi 73, in einem Nobelviertel Roms, beherbergt hatte. Hier liegt die prächtige Residenz des Opus, das sich dem polnischen Papst gegenüber auch weiterhin großzügig zeigte, indem es sich etwa an der Finanzierung der Solidarność beteiligte.
Kardinal Wojtyla war der Wunschkandidat des Opus für den Heiligen Stuhl. Eine entscheidende Rolle spielte bei seiner Wahl der Wiener Erzbischof Kardinal König, der ebenfalls dem Werk nahestand. Als Papst gewährte Wojtyla dem Opus nicht nur die Personalprälatur und die Seligsprechung von Escrivà – beide Entscheidungen lösten in der ganzen Welt eine Welle der Kritik aus –, er umgab sich auch mit Mitgliedern des Opus. Zu seinen engsten Mitarbeitern zählen die vier Kaplane Joachim Pacheco, Klaus Becker, Fernando Ocariz und Felipe Rodriguez, sein Pressesprecher Joaquin Navarro Valls, als Laie ein Numerarier des Opus, sowie dessen ehemaliger Stellvertreter Kardinal Martinez Somalo, der dem Opus zumindest nahesteht. Alberto Michelini, Abgeordneter der ehemaligen Democrazia Cristiana und Mitglied des Opus, ist Berater des Vatikans in Fragen des Fernsehens, und Gianmario Rovero, ebenfalls Mitglied, ist Finanzberater.
Auch in den römischen Kongregationen sind die Opus-Leute vertreten. Allein in der für die Heiligen zuständigen Kommission, die auch über die Seligsprechung Escrivàs entschieden hat, sind es drei, darunter Rafaello Cortesini, der Abteilungsleiter. Kardinal Palazzini, ein Freund des Werks Gottes, war ihr Präfekt, als 1981 die causa Escrivà anhängig gemacht wurde, während Hochwürden Javier Echevarria Rodriguez, der derzeitige Prälat des Opus und Nachfolger Escrivàs, als Berater fungierte.
Doch damit nicht genug. In Lateinamerika hat der Papst zahlreiche Opus-Mitglieder zu Bischöfen ernannt (sieben in Peru, vier in Chile, zwei in Ecuador, jeweils einen in Kolumbien, Venezuela, Argentinien und Brasilien). Als Brückenkopf für die Offensive des Opus in Lateinamerika wurde Peru gewählt, um den starken Einfluß des peruanischen Theologen Gustavo Gutiérrez zu bekämpfen. Gutiérrez ist der „Vater“ der Befreiungstheologie, die für Escrivà und seine Schüler ein rotes Tuch ist. Auch Präsident Alberto Fujimori steht dem Opus nahe und ist mit Msgr. Luis Cipriani, dem Erzbischof von Ayacucho, befreundet, der das Opus in Peru leitet.
In Europa hagelte es Proteste, als der Opus-Mann Klaus Küng als Bischof von Feldkirch (Österreich) eingesetzt wurde. Ein noch viel größerer Schock war die vor kurzem erfolgte Ernennung von Msgr. Fernando Saenz Lacalle zum Erzbischof von San Salvador, weil dies der ehemalige Sitz des Märtyrers Msgr. Oscar Romero ist, der von der extremen Rechten ermordet wurde, wogegen der neue Bischof – obendrein ein Spanier! – nicht nur zum Opus gehört, sondern auch noch Militärbischof war...
Abgesehen von Italien sind Spanien und Lateinamerika (einschließlich Mexiko) die Regionen, in denen das Opus Dei die größten Erfolge verzeichnet. In Spanien muß das Werk Gottes zwar ein politisches Schattendasein fristen, seit die Sozialisten an der Macht sind, aber es wartet gelassen auf seine Stunde. Denn es ist mehr als wahrscheinlich, daß die Rechte bald zurückkehrt, und da der Führer des Partido Popular, José Maria Aznar, ein Freund des Opus ist, wird dieses dann vier oder fünf Minister stellen, darunter die Abgeordneten Juan Trillo, Loyola de Palacio und Isabel Tocino. Darüber hinaus stehen mehrere Numerarier an der Spitze der Armee.
Obwohl das Opus in den nichtromanischen und zumal in den angelsächsischen Ländern auf mehr Widerstand gestoßen ist, kann es allmählich auch in den Vereinigten Staaten Fuß fassen, wo es mehr als dreitausend Mitglieder zählt, die sich auf 64 Zentren verteilen, von denen die meisten in der Nähe eines Universitätscampus angesiedelt sind. Mehrere Universitätsseelsorger haben sich über die „klandestinen Methoden“, mit denen die Bewegung arbeitet, ebenso beklagt wie über ihr „sektiererisches Verhalten“.12
In Großbritannien hat sich das Opus immer noch nicht von dem schweren Schlag erholt, den ihm 1982 die Enthüllungen von John Roche versetzten. Roche, ein ehemaliger Opus-Dei- Leiter und heute Professor in Oxford, veröffentlichte in der Times eine scharf formulierte Anklageschrift samt Geheimdokumenten als Beweismaterial. Er bezeichnet das Werk Gottes als „eine Kirche in der Kirche“, die „eine seelische Gefahr für die eigenen Mitglieder darstellt“, und zitiert aus Aufsätzen der internen Zeitschrift Cronica, wo behauptet wird, daß „die katholische Kirche von ihrem ureigentlichen Weg abgewichen ist und daß es die Aufgabe des Opus Dei ist, sich mit allen Mitteln über die Welt auszubreiten. Es gibt keinen anderen Weg zum Heil.“
In Frankreich ist der Erfolg des Opus eher mäßig. Trotz der Sympathien verschiedener Politiker ist es dem Werk Gottes nie gelungen, eine ihm gefügige Partei zu finden, wenngleich es mehrere Zentren und Vereinigungen gibt, die ihm verbunden sind.13
Doch die neueste Strategie des Werks Gottes besteht darin, internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, die Unesco oder die OECD zu infliltrieren. Seine besondere Vorliebe gilt dem Europäischen Parlament in Straßburg und der Brüsseler EU-Kommission, deren neuer Präsident, Jacques Santer, ein Sympathisant ist. Europa-Abgeordnete wie Ignacio Salafranca vom spanischen Partido Popular sind Opus-Mitglieder, desgleichen der Portugiese Perreau de Pininck, Mitglied im Kabinett des neoliberalen britischen EU-Kommissars Leon Brittan.
In Brüssel agiert das Opus, wie gewohnt, im geheimen. Da gibt es zum Beispiel die auf englisch, französisch und spanisch erscheinende Wochenzeitung Europe Today, die von Brüssel aus in die Dritte Welt versandt wird, vor allem nach Lateinamerika, wo sie dann umsonst verteilt wird. Sie bezeichnet sich als „internationale Presseagentur, die sich vor allem mit Problemen der Gesundheit, der Gesellschaft und der Erziehung befaßt“, und vertritt die reaktionärsten Positionen der katholischen Rechten. Die Nummer 124 vom 2. August 1994 z.B. titelt auf der ersten Seite: „Die natürlichen Methoden der Geburtenkontrolle sind in 99 Prozent der Fälle wirksam“, während die „künstlichen“ Methoden nur zu 50 Prozent sicher seien. Nirgends in dieser Publikation, die von der Brüsseler Kommission subventioniert wird, erscheint das Etikett Opus Dei. Gleichwohl gehört ihr Chefredakteur, wie andere bei der Kommission akkreditierte Journalisten auch, dem Opus an.
Weitere strategisch wichtige Ziele des Opus in Belgien waren das Robert-Schuman-Institut und die Katholische Universität Löwen. Das Institut ist eine Journalistenschule, die von dem niederländischen Geschäftsmann Piet Derksen gegründet wurde, der der extremen katholischen Rechten nahesteht. Es soll dafür sorgen, daß es in Osteuropa und der Dritten Welt „katholische Journalisten gibt, auf die man sich verlassen kann“. Unter den Lehrkräften stößt man wieder auf den Opus- Mann Andrés Garrigo, Chef von Europe Today... In Löwen dagegen hat das Opus wegen der unnachgiebigen Haltung des stellvertretenden Rektors der Universität, Pater Gabriel Ringlet, eine Schlacht verloren. Der Rektor weigerte sich, den Mietvertrag für zwei Studentenwohnheime zu verlängern, die das Opus auf dem Campus aufgemacht hatte, und verbot ihm, seine Schriften an die Studenten zu verteilen – jedenfalls solange das Werk als Urheber nicht klar erkennbar sei. Diese Entscheidung wurde vom Verwaltungsrat der Universität einstimmig bestätigt. „Das Opus“, sagt Pater Ringlet, „hat es nur auf die Elite der Gesellschaft abgesehen, und das ist an unserer Universität nicht akzeptabel. Darin kann ich meinen Glauben nicht wiedererkennen. Die Suche nach der Vollkommenheit hat etwas äußerst Hochmütiges und Ungesundes an sich. Ich mag keine Religion, die weißer als weiß wäscht ... die Farbe der Gräber! Denn am Ende des Weges stehen immer Ausschluß und Rassismus. Da jetzt die extreme Rechte immer mehr Aufwind erhält, sollten wir uns vielleicht stärker gegen die geistlichen Diktaturen wappnen.“
Um eine Diktatur handelt es sich in der Tat, und das Papsttum droht ihre Geisel zu werden. Diese „Armee des Papstes“ ist ein zweischneidiges Schwert, das sich am Ende gegen ihn wenden könnte.
FRANÇOIS NORMAND
dt. Andreas Knop
1 „Le Monde secret de l'Opus Dei“, Golias, Nr. 30, Sommer 1992. Lesenswert auch das Buch von Gordon Urquhart, „The Pope's Armada“, New York (Bantam Press) 1995. [Anm. d. Übers.: Oder: Matthias Mettner, „Die katholische Mafia: Kirchliche Geheimbünde greifen nach der Macht“, Hamburg (Hoffmann und Campe) 1993.
2 Die Mitglieder des Opus Dei sind in vier Kategorien unterteilt: in Numerarier (zölibatäre Kleriker oder Laien, die sich zur Armut, zur Keuschheit, zum Gehorsam sowie zum Leben in der Gemeinschaft verpflichtet haben), Assoziierte (dieselben Verpflichtungen, aber kein Leben in der Gemeinschaft), Supernumerarier (Laien, die „in der Welt“ leben, aber das Werk finanziell unterstützen) und einfache „Mitarbeiter“. Nach dem päpstlichen Annuarium von 1994 zählt das Opus Dei ungefähr 80000 Mitglieder aus 90 Nationen.
3 Der spanische Verlag Tiempo S.A. publizierte im Juli 1986 die Konstitutionen von 1950 (auf lateinisch und spanisch).
4 Alain Vircondelet, „Jean Paul II“, Paris (Juillard) 1994.
5 Die Mittelmäßigkeit des Denkens von Escrivà de Balaguer fällt auf, wenn man seine Maximensammlung „El Camino“ (Der Weg) liest, in der sich die Dummheit und der Manichäismus gegenseitig überbieten.
6 Das von Pius XII. 1947 geschaffene Säkularinstitut ist „eine Genossenschaft sowohl von Klerikern wie von Laien, deren Mitglieder zur Erreichung der christlichen Vollkommenheit und zur vollen Ausübung ihres Apostolats den Weisungen des Evangeliums folgen“.
7 Die Prälatur „nullius“ (an keinen Ort gebunden) oder Personalprälatur entspricht einer Diözese, jedoch ohne Bindung an ein Territorium.
8 Manuel Vázquez Montalbán, „Autobiografia del general Franco“, 7. Aufl., Barcelona (Planeta) 1993.
9 Der ständig von Escrivà im Munde geführte Satz: „Gott schuf den Menschen, damit er arbeite“, ist eine falsche Auslegung des Genesisverses, der in Wahrheit sagt: „Gott nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, damit er ihn bebaue und pflege“ (und nicht, „damit er arbeite“).
10 Hans Urs von Balthasar, „Integralismus“, in Wort und Wahrheit, 1963, S. 737–744.
11 1969 wurden in der Matesa-Affäre mehrere hundert Millionen Francs unterschlagen und nach Luxemburg transferiert. Dort landeten sie bei der Sodetex, deren Präsident Fürst Jean de Broglie war, ein Sympathisant des Opus und nebenbei auch noch Schatzmeister der unabhängigen Republikaner Valéry Giscard d'Estaings. Kurze Zeit später wurde er unter ungeklärten Umständen ermordet.
1982 wird einer der reichsten Männer Spaniens, José Maria Ruiz-Mateos, Chef des multinationalen Konzerns Rumasa, der Steuerhinterziehung und des Verstoßes gegen Devisenvorschriften angeklagt. Die Untersuchung ergibt, daß er die Aktivitäten des Opus Dei finanziell unterstützt hat. Er selbst gesteht, daß er dem Werk 300 Millionen Peseten hat zufließen lassen.
Der größte Minderheitsaktionär des Banco Ambrosiano, der 1982 auf spektakuläre Weise Bankrott machte und dessen Direktor Roberto Calvi erhängt unter einer Themsebrücke in London gefunden wurde, war die Vatikanbank, das „Institut für religiöse Werke“ (IOR), deren Geschäfte Erzbischof Paul Marcinkus führte.
12 Dianne DiNicola, deren Tochter Tammy gerade noch vor dem Opus „gerettet“ wurde, hat die Vereinigung „Opus Dei Awareness Network“ (ODAN, Netzwerk zur Information über das Opus Dei) gegründet, um Eltern, die sich keinen Rat mehr wissen, zu helfen.
13 Insgesamt etwa dreißig. Des weiteren eine Hotelfachschule, einen Verlag und ein undurchschaubares Geflecht von Aktiengesellschaften, die den Aktivitäten des Werks als Tarnorganisationen dienen.
* Journalist