Gefangenenmarkt
FÜR die Telefongesellschaften sind die Gefängnisse eine wahre Goldgrube.“1 Längere Haftzeiten, die Einrichtung neuer Strafanstalten (1995 werden in den USA 150 zusätzliche Gefängnisse gebaut) und die Zwangslage der meisten Gefangenen, aus dem geschlossenen Vollzug telefonieren zu müssen, machen den Gefängnismarkt in der Tat zu einer höchst lukrativen Angelegenheit.
Über eine Million Verbraucher, die keine Wahl haben, welche Telefongesellschaft sie in Anspruch nehmen, tätigen fleißig lange Ferngespräche: Ein im Gefängnis aufgestelltes öffentliches Telefon bringt jährlich etwa 15 000 Dollar ein, fünfmal mehr als irgendeine Telefonzelle an der nächsten Straßenecke. Auf diesem immer noch von ATT beherrschten Markt, der pro Jahr 1 Milliarde Dollar abwirft, ist der Anteil der MCI-Gesellschaft innerhalb von drei Jahren von 10 auf 30 Prozent gestiegen. Mit unendlicher Zurückhaltung erklärt John Jacquay, der Vizepräsident von MCI: „Wenn wir wissen, daß bei den Leuten ein starker Wunsch besteht, mit der Außenwelt zu kommunizieren, wollen wir von der Situation profitieren.“
Es ist eine rauhe Schlacht zwischen den Telefongesellschaften: Um einen Markt von 7 500 inhaftierten Kunden zu erobern, mußte MCI im Dezember letzten Jahres die Bedingung akzeptieren, 55 Prozent der Einnahmen aus Gefängnissen an die Strafvollzugsverwaltung von Kentucky abzuführen. Oft investiert die Gefängnisleitung das Geld, das bei der Vergabe des Zuschlags herausspringt, in ... ein System von Telefonabhöranlagen.
S. H.
1 Alix Freedman, „Phone Firms Wrestle for Prisoners' Business in Hot Growth Market“, The Wall Street Journal, 15. Februar 1995.