14.07.1995

Wo Angst in Haß umschlägt

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Wo Angst in Haß umschlägt

EIN Jahr nach der Tragödie in Ruanda scheinen weder die internationale Gemeinschaft noch die Zivilregierung in Bujumbura imstande, eine Wiederholung dieses Dramas in Burundi abzuwenden. Hetzschriften und unkontrollierbare Gerüchte erzeugen eine dauernde Spannung und führen zu immer schwereren Ausschreitungen seitens der verstärkt aufgerüsteten Milizen, die ihrerseits dann Repressionsmaßnahmen des Militärs zur Folge haben. Besteht unter diesen belagerungsähnlichen Bedingungen überhaupt noch eine Möglichkeit, die Partisanen beider Lager von der totalen ethnischen Konfrontation abzuhalten?

Von COLETTE BRAECKMAN *

Wann und wo wird die Gewaltspirale in Burundi zum Stillstand kommen? Wann wird die Stabilität der Institutionen die Oberhand über die totale ethnische Konfrontation gewinnen? Seit Monaten scheint es geradezu, als sei eine diabolische Hand im Spiel, die jedesmal, wenn die Krise ein bestimmtes Niveau erreicht hat, die Schraube noch fester anzieht. Und auf den ersten Blick ist man versucht, Burundi heute mit Ruanda gestern zu vergleichen: Als ob der in Ruanda an den Tutsi begangene Völkermord fast aus Gründen der Symmetrie notwendigerweise den Völkermord an den Hutu nach sich ziehen müßte, oder doch zumindest ein Massaker in großem Maßstab.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß sich seit der Tragödie in Ruanda und seit dem militärischen Sieg der Ruandischen Patriotischen Front, RPF, die politischen Krisensituationen in den beiden Ländern – die von ihrer ethnischen Zusammensetzung und den ökonomischen Ressourcen her vergleichbar sind – immer ähnlicher werden. Hutu und Tutsi in Burundi leben in Angst, und der Völkermord in Ruanda schwebt als bedrohlicher Schatten über ihnen: Die Tutsi hier versichern, sie ließen sich auf gar keinen Fall abschlachten wie ihre Nachbarn in Ruanda. Sie stützen sich auf eine im wesentlichen (aber nicht ausschließlich) aus Tutsi zusammengesetzte Armee, in der Hutu kaum Kommandopositionen innehaben. Und sie wehren sich kategorisch gegen jede militärische Intervention von außen, die in ihren Augen nur zum Ziel haben könnte, „ihre“ Armee auszuschalten.

Die Hutu ihrerseits prangern den „schleichenden Staatsstreich“ an, dessen Opfer sie sind. Angesichts von Massakern, Drohungen und gezielten Anschlägen auf ihre Leader fürchten sie, erneut von den Machtpositionen ausgeschlossen zu werden, die sie sich erst durch das Wahlergebnis von 1993 erobert hatten. Sie mißtrauen auch den engen Verbindungen der Tutsi in ihrer Armee zu den Truppen der RPF, die sich mehrheitlich aus jungen, nach Burundi geflüchteten Ruandern rekrutieren.

Diese gegenseitige Angst führt zu einer wachsenden Radikalisierung der beiden Gruppen und zur faktischen Teilung des Landes. In Bujumbura wagt sich kein Tutsi in „die letzte Hutu-Bastion“, das Viertel Karmengue, das die Armee unlängst „geräumt“ hat, um die Hutu- Milizen daraus zu vertreiben. Umgekehrt verlassen die Bauern jeden Tag schon um 4 Uhr nachmittags den Markt und machen sich, verängstigt und eng zu Gruppen zusammengeschlossen, auf den Heimweg in die Hügel rings um die Hauptstadt, da sie fürchten, von jungen Tutsi-Banden, die sich „Ohne Fehl“ oder „Die Unbezwinglichen“ nennen, abgefangen und getötet zu werden.

Auf dem Land haben sich die Tutsi in die Siedlungen geflüchtet und damit in die Obhut der Armee. Viele vegetieren in Flüchtlingslagern dahin, die in Schulen und Verwaltungsgebäuden eingerichtet wurden. Die Hutu ihrerseits leben so gut wie autark auf den Hügeln, zu denen sie den Militärs den Zugang verwehren. Zehntausende, deren Häuser von der Armee zerstört wurden, leben über das Land „verstreut“. Sie schlafen in den Wäldern und Sümpfen, und bestellen tagsüber ihre Felder. Die Aufnahme von 200 000 Flüchtlingen aus Ruanda hat die humanitäre Lage des Landes, in dem 1993 eine halbe Million Menschen ihr Zuhause verloren haben, noch weiter verschlimmert. Daß die ruandischen Flüchtlinge von einer extremistischen Propaganda aufgehetzt sind und von den internationalen Hilfsorganisationen bevorzugt behandelt werden, verschärft die Spannungen noch.

Verlorene Illusionen

UND dennoch ist die Geschichte Burundis nicht die Ruandas, und die beiden Länder sind auch nicht wirklich „Zwillinge“. Seit 1965 wird Burundi von Repräsentanten der Tutsi-Minderheit regiert, mit Unterstützung von Militärs, die vorwiegend aus dem Süden des Landes, aus der Gegend um Bururi, stammen. Die Hutu-Mehrheit, die von der Macht ausgeschlossen ist und längst aller sozialen Aufstiegschancen praktisch beraubt ist, träumt seit jeher von Vergeltung und von der Wiedereroberung ihrer Rechte. Seit dreißig Jahren steht ihr die „Soziale Hutu-Revolution“ in Ruanda als Ziel vor Augen: eine auf ethnische Mehrheitsverhältnisse gegründete „Demokratie“. Mentor der Hutu in Burundi war lange Zeit der ums Leben gekommene ruandische Präsident Juvénal Habyarimana, der zahlreichen Kämpfern aus Burundi Asyl und Hilfe gewährt und ihnen auch hinsichtlich der Regierungsmethoden mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte.

1993 wurde Burundi in ganz Afrika als Beispiel zitiert: Da hatte der letzte militärische Präsident, Hauptmann Pierre Buyoya, nicht ganz ohne internationalen Druck beschlossen, die Vorherrschaft der Tutsi zu beenden, das Wagnis der Demokratie einzugehen und auf nationale Einheit zu setzen. Es folgte: eine Versöhnung, die Charta der nationalen Einheit (verabschiedet im Februar 1991), der Entwurf einer neuen Verfassung (in Kraft getreten am 14. März 1992), die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen – bei denen Buyoyas Partei auf so spektakuläre wie durchsichtige Weise verlor. Sein Gegner Melchior Ndadaye erhielt 65 Prozent der Stimmen, während seine Partei sich in der Nationalversammlung mit 65 Sitzen gegen 16 die absolute Mehrheit sicherte. Zwar herrschte allgemein Bestürzung und Enttäuschung über das Wahlergebnis, doch es wurde respektiert. Auch die Armee beugte sich ihm, freilich nicht ohne es als als im wesentlichen „ethnisch“ zu diffamieren. Melchior Ndadaye weigerte sich nachdrücklich, mit denselben Methoden zu regieren wie sein Nachbar Habyarimana. Er setzte ganz auf die Überzeugungskraft der Großzügigkeit, und so bot er den Posten des Premierministers einer Vertreterin der Minderheitspartei Uprona (Union pour le progrès national) an, um die Unruhe der Tutsi zu beschwichtigen, während sich die zahlenmäßig überlegene Frodebu (Front pour la démocratie au Burundi) in seiner Regierung der Nationalen Einheit mit nur 13 von 23 Sitzen begnügen mußte. Ndadaye gestattete sogar dem ehemaligen Diktator, Oberst Jean-Baptiste Bagaza, die Rückkehr ins Land.

Der Staatsstreich vom 21. Oktober 1993 zerschlug alle Hoffnungen, denn der Präsident der Nationalversammlung, Melchior Ndadaye, und mehrere der Minister wurden ermordet. Fest steht, daß die Mörder in den Reihen der Militärs zu suchen sind und daß in der Armee keiner auch nur das kleinste Risiko einging, um den Staatschef zu schützen. Hingegen kennt man die Namen der zivilen Auftraggeber dieses Putsches bis heute nicht, und die burundischen Behörden geben sich auch kaum Mühe, die Untersuchungen voranzutreiben. So kommt es, daß die mutmaßlichen Auftraggeber ebenso wie die Ausführenden dieses Putsches bis auf den heutigen Tag straffrei geblieben sind.

Es wird vielfach behauptet, dieser Staatsstreich sei ein Fehlschlag gewesen. Dies ist nicht ganz falsch, denn unter dem Druck der internationalen Gemeinschaft, die die Putschisten entschieden verurteilt hat, machte der am Tag nach der Ermordung des Präsidenten eilends einberufene „Krisenstab“ einen Rückzieher; die Armee isolierte die aufständischen Elemente und rief die abgesetzten Minister schließlich in ihre Ämter zurück. Doch betrachtet man die Entwicklung genauer, so erkennt man, daß die Paralyse des Staatsapparates seither stetig gewachsen ist, und man fragt sich, ob die Putschisten ihr eigentliches Ziel nicht vielleicht doch erreicht haben: das Land nachhaltig zu destabilisieren und den Haß zwischen den beiden Volksgruppen zu schüren.

In der Tat zerstörte die Ermordung des ersten gewählten Hutu-Premierministers nach dreißig Jahren das Vertrauen der Hutu in die Armee endgültig, und die daran anschließenden Massaker markieren den Beginn der großen Angst auf seiten der Tutsi. Diese Massaker, die immer wieder als „spontane Wutausbrüche“ der Bauern überspielt wurden, forderten im großen Maßstab mehr als hunderttausend Tote unter den zivilen Tutsi. Diese Aktionen verliefen nach demselben „Modell“ wie der Völkermord in Ruanda wenige Monate später: In den Grenzregionen mit Ruanda blockierten die Killer auf Anordnung der örtlichen Führung der Frodebu zunächst mit gefällten Bäumen die Straßen, um den Anmarsch der Armee aufzuhalten, sodann zogen sie mit Macheten los und zündeten die Häuser an, mit Hilfe von Benzinkanistern, die zuvor unter ihnen verteilt worden waren. Damit befolgten sie die von Radio Ruanda ausgestrahlten „Aufrufe zum Widerstand“, die zu Beginn dieser „spontanen Revolte“ von mehreren Ministern der Frodebu lanciert worden waren.

Die Ermordung von Präsident Melchior Ndadaye, der als Demokrat galt, und die Straffreiheit, die alle Schuldigen genießen – die Putschisten im Heer ebenso wie die für die Massaker verantwortlichen Zivilisten –, verschärften natürlich die Gegensätze. Nachdem es die überlebenden Regierungsmitglieder lange Zeit für opportun gehalten hatten, unter dem Schutz französischer Gendarmen in einer Ferien- und Hotelanlage zu residieren, beschlossen andere Führungskräfte, wie Innenminister Léonard Nyangoma und der Präsident der Nationalversammlung, Pierre-Claver Sendegeya (ein Tutsi, Mitglied der Frodebu), nach Uvira in Zaire zu gehen und dort den „Nationalrat zur Verteidigung der Demokratie (Conseil national pour la défense de la démocratie, CNDD) zu gründen. In ihren Augen ist Ndadayes Nachfolger, Sylvestre Ntibantunganya, eine Geisel in den Händen der Militärs. Deshalb sollte der Dialog mit ihm respektive dem Militär eingestellt und durch den Einsatz von Gewalt abgelöst werden, um so dem „schleichenden Staatsstreich“, der Burundi seit dem Oktober 1993 unterhöhlt, definitiv ein Ende zu setzen.

Die „Kräfte zur Verteidigung der Demokratie“ (Forces pour la défense de la démocratie, FDD), die von Léonard Nyangoma zum selben Zeitpunkt ins Leben gerufen wurden wie der CNDD, im Oktober 1994 nämlich, bestehen aus „bewaffneten Banden“, die mittlerweile die Armee provozieren und ihre Anschläge nicht auf Bujumbura beschränken, sondern auf das ganze Land ausdehnen. In Zaire haben sie Verbindung zu den ruandischen Interhamwe-Milizen aufgenommen. Erleichtert wurde diese Verbindung nicht zuletzt dadurch, daß eine Vielzahl der burundischen Milizionäre an den Massakern in der Region Butare teilgenommen hatten. Im Landesinneren haben junge Hutu Milizen aufgestellt, die Intagohekas („Die, die niemals schlafen“), die ebenfalls regelmäßig die Armee provozieren. So verwundert es nicht, daß der neue Premierminister Antoine Nduwayo sich schließlich zu dem Bekenntnis durchgerungen hat: „Das Landesinnere ist mittlerweile vollständig infiltriert, und die vordringlichste Aufgabe der Armee ist es, dafür Sorge zu tragen, daß die Sicherheit von Bujumbura gewährleistet ist.“

Die Anschläge der Intagohekas werden von seiten verschiedener Tutsi- Gangs wie „Die Unbezwinglichen“, „Die ohne Tadel“ oder „Die ohne Mantel“ mit Lynchjustiz und blindwütigen Morden vergolten. Am Anfang handelte es sich dabei um Banden von mehr oder weniger marginalisierten städtischen Jugendlichen, die von der Uprona zur Unterhaltung bei Wahlveranstaltungen angeworben wurden. In einem Klima wachsender Radikalisierung bedienten sich Anfang 1994 mehrere Politiker dieser Milizen zur Durchführung von Nacht-und-Nebel-Aktionen, um ihren Eintritt in die Regierung zu erzwingen. Ein wenig Geld, politische Indoktrinierung, eine aufgrund der Wirtschaftskrise ausweglose Zukunft und auch die Angst vor Massakern wie in Ruanda, das sind die Beweggründe dieser Banden von jugendlichen Halbkriminellen, die Bujumbura zu einer so gefährlichen Stadt machen. Sehr häufig lassen die Militärs ihnen gegenüber Nachsicht walten, sei es aufgrund von Verwandtschaftsbeziehungen oder weil sie, wie die Hutu behaupten, im Grunde zusammenarbeiten.

Die verschiedenen bewaffneten Gruppen sind auch Ergebnis einer wachsenden Kriminalisierung des Wirtschaftslebens von Burundi. Von der ehemaligen ruandischen Armee verkaufte oder verschenkte oder auf dem internationalen Markt (insbesondere in China) erworbene Waffen zirkulieren reichlich, und die kleinen oppositionellen Tutsi- Parteien, deren Mitglieder der Geschäftswelt angehören, besolden manchmal sogar ganz unverhohlen Milizionäre, die für sie dann die schmutzige Arbeit erledigen.

Die Errichtung einer von der Weltbank befürworteten Freihandelszone in Bujumbura schuf noch weiteren Konfliktstoff: Eine belgische Gesellschaft erhielt die Genehmigung, dort steuerfrei eine Anlage zur Goldveredelung einzurichten, während andere, ortsanssässige Unternehmen sich vergeblich um den Zugang dazu bemüht hatten. Der Minister für Bergbau und Energie, Ernest Kabushemeye, der diesen Sachverhalt im Februar öffentlich anprangerte, wurde wenige Wochen später auf offener Straße ermordet. Dieser „Goldkrieg“ hat regionale Verzweigungen: Edelmetalle, die aus Burundi ausgeführt werden, stammen fast ausschließlich aus dem benachbarten Zaire. Zum Goldkrieg kommt dann noch der Drogenkrieg hinzu: Als Kuriere werden junge Leute eingesetzt, die man zuerst in den Fernen Osten und dann nach Europa schickt. Die Einnahmen aus dem Drogenhandel fließen den lokalen Milizen zu. Marihuana und harte Drogen fordern immer mehr Opfer unter den Jugendlichen in Bujumbura.

Den Waffenhandel stoppen

IN dieser widrigen und verfahrenen Situation glaubt einzig der Sonderbeauftragte der UNO, der Mauritanier Ould Abdallah, noch beharrlich daran, daß die Konvention, deren Annahme er im September letzten Jahres bei der Regierung durchgesetzt hat, das Aufeinanderprallen der Extreme wird abwenden können. Dieses Abkommen zur Aufteilung der Macht weicht zwar von den Wahlergebnissen ab, respektiert aber die realen Kräfteverhältnisse sowie die Gefühle der Angst innerhalb beider Volksgruppen. Es sieht vor, daß 55 Prozent der Ministerposten an die Frodebu gehen und 45 Prozent an die Opposition, die im wesentlichen aus Tutsi besteht. Das Abkommen schränkt die Machtbefugnisse des Präsidenten erheblich ein: In allen wesentlichen Fragen ist er einem Nationalen Sicherheitsrat unterstellt, der sich mehrheitlich aus Mitgliedern der Opposition zusammensetzt und de facto jede wichtige Entscheidung blockieren kann.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist diese Regierungskonvention der einzige Rettungsanker in einem Land, das geradewegs auf die ethnische Katastrophe zusteuert. Jedoch wird sie von beiden Seiten heftig kritisiert. Von den Hutu, da sie sich um ihren Wahlsieg betrogen fühlen und von einer „Institutionalisierung des Staatsstreichs von 1993“1 sprechen, wodurch ihrer Meinung nach der Putsch unter der Hand fortgesetzt wird. Die radikalen Tutsi dagegen halten die Zugeständnisse der Frodebu unter Verweis auf die Ausschreitungen vom Oktober 1993 für ungenügend. Sie wollen eine Partei, die sie als „völkermörderisch“ einstufen, endgültig von der politischen Bühne verbannen und träumen sogar davon, den Rücktritt von Präsident Sylvestre Ntibantunganya zu erzwingen. Dieser wiederum hat in Absprache mit dem nationalen Sicherheitsrat Sondermaßnahmen verhängt, um die zunehmenden Gewalttätigkeiten einzudämmen: Ausgangssperre im ganzen Land, Kontrolle der extremistischen Medien, Verstärkung des Armeeinsatzes in den ländlichen Gebieten... Werden diese Maßnahmen ausreichen, um der Guerilla Einhalt zu gebieten, die sich im ganzen Land ausbreitet?

Entgegen der Forderung vieler Hutus scheint die Entsendung von ausländischen Truppen, deren Aufgabe es dann wäre, die nationale Armee außer Gefecht zu setzen, eher riskant als nützlich: Von den Militärs nicht akzeptiert und von den Tutsi insgesamt abgelehnt, würden ausländische Truppen die Kluft zwischen den beiden Ethnien nur noch weiter vertiefen. Die verheerenden Erfahrungen der Minuar (Mission des nations unies pour l'assistence au Rwanda) in Ruanda, die weder das Massaker an den Hutu- Flüchtlingen in Kibeho noch den systematischen Völkermord von 1994 verhindern konnte, berechtigen ebenfalls zu Skepsis. Sinnvoller wäre da schon eine Verschärfung des Waffenembargos für die gesamte Region. Das würde bei den burundischen Militärs Eindruck machen und die mysteriösen Waffenlieferungen nach Zaire unterbinden, die für die ehemaligen ruandischen Militärs und ihre Freunde in Burundi bestimmt sind.

Vor allem aber wäre ein Ende der Straffreiheit der einzige Wink, den sämtliche kriminellen Kräfte der Region begreifen würden.2 Bisher haben die Ermittlungen zu nichts geführt, weder im Fall der Ermordung von Melchior Ndadaye noch im Fall des tödlichen Attentats auf Präsident Juvénal Habyarimana von Ruanda und auf seinen Kollegen Cyprien Ntaryamira von Burundi, der mit ihm in der gleichen Maschine saß. Während die Milizionäre, Hutu wie Tutsi, in Bujumbura ungestört ihr Unwesen treiben, mischen sich in den Flüchtlingslagern Killer unter die Zivilisten und stacheln sie durch mysteriöse Anweisungen zur Flucht an. Unterdessen sitzen die Verantwortlichen für den Völkermord in Ruanda unbehelligt in Zaire und Tansania und bereiten in aller Ruhe einen neuen Angriff vor. Ihren burundischen Freunden leisten sie dabei alle erdenkliche Hilfe, in der Hoffnung, Kigali eines Tages vom Süden des Landes aus angreifen zu können.

dt. Barbara Kleiner

1 Human Rights Watch Arms Project

2 „Burundi, Breaking the Cycle of Violence“, Filip Reynt Jens, Minority Rights Group International

* Journalistin beim Soir, Brüssel

Le Monde diplomatique vom 14.07.1995, von Colette Braeckman