16.06.1995

Malaysia nach den Wahlen

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Malaysia nach den Wahlen

AM 5. April löste er das Unterhaus auf, verkürzte den Wahlkampf auf neun Tage und setzte die Wahlen für den 25. und 26. April fest: Wie man es von ihm gewohnt ist, hat der malaysische Ministerpräsident Mohamad Mahathir bin Mohamad die Angelegenheit schnell über die Bühne gebracht – und sein Ziel erreicht: Die Nationale Front, ein Zusammenschluß von vierzehn Parteien (darunter eine chinesische und eine indische) unter Führung der UMNO, deren Vorsitzender er ist, hat 63 Prozent der 13 Millionen Stimmen und 81 Prozent der Sitze (161 von 190) gewonnen. Mahathir verfügt jetzt über eine Zweidrittelmehrheit, mit der er auch ohne Zustimmung der Opposition die Verfassung ändern kann. Lediglich der Staat Kelantan, der ärmste und rückständigste der malaysischen Föderation, bleibt in der Hand der Panmalaiischen Islamischen Partei, die die islamische Scharia im ganzen Land einführen will. Die Demokratische Aktionspartei (DAP), die sich im wesentlichen aus Chinesen zusammensetzt und landesweit die größte oppositionelle Kraft ist, hat die Hälfte ihrer Sitze verloren, und es ist ihr nicht gelungen, den industriell geprägten Staat Penang zu erobern.

Mohamad Mahathir, seit 1981 an der Macht, versteht es, die äußeren Formen der Demokratie zu wahren, weniger allerdings ihre Substanz. Öffentliche Versammlungen sind seit zwanzig Jahren verboten, die Medien werden streng zensiert, Oppositionellen wird mit rechtlichen und finanziellen Mitteln das Leben schwergemacht. Man sieht, daß Singapur nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht ein Vorbild ist. Doch angesichts eines durchschnittlichen Wirtschaftswachstums von 8 Prozent in den letzten acht Jahren hat die Regierung an den Wahlurnen nicht viel zu befürchten. Die wirtschaftlichen Erfolge tragen auch dazu bei, das Gewicht Malaysias in Asien und im Westen zu erhöhen und die Modernisierung eines Landes voranzutreiben, das eigentümlicherweise eine konstitutionelle Wahlmonarchie ist. Alle fünf Jahre wählen die neun Sultane1 einen aus ihrer Mitte zum König und damit zum Staatsoberhaupt. Dies ist das einzige politische Vorrecht, das ihnen Mohamad Mahathir gelassen hat, als er 1993 eine Verfassungsänderung über die Privilegien des Königs einstimmig verabschieden ließ.

B.C.

1 Die malaysische Föderation umfaßt dreizehn Staaten. In neun Staaten steht ein Sultan an der Spitze und in vier Staaten (Sabah, Sarawak, Penang und Malakka) ein Gouverneur. Über dieses einzigartige monarchische System informiert: Laurent Metzger, „Les sultanats de Malaisie“, L'Harmattan, Paris 1994

Le Monde diplomatique vom 16.06.1995, von B.C.