17.12.1999

Duma-WahlenParteien, Wahlbündnisse

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Duma-WahlenParteien, Wahlbündnisse

DAS russische Wahlsystem verknüpft föderale Listen – die so genannten Blöcke – mit einer Stimmabgabe nach Wahlbezirk. Die Hälfte der Abgeordneten wird per Listenwahl ermittelt (wobei es eine 5-Prozent-Klausel gibt), die andere Hälfte über die Wahlbezirke. Neunundzwanzig Blöcke hat die Wahlkommission zu den Wahlen zugelassen, in der folgenden Übersicht werden die wichtigsten vorgestellt, zusammen mit den Spitzenkandidaten. Darüber hinaus wird, sofern die Parteien bzw. Wahlbündnisse bereits bei den Parlamentswahlen im Dezember 1995 angetreten waren, in Klammern die Zahl der Sitze aufgeführt, die sie damals erringen konnten.

Mitte-links-Blöcke

Vaterland-Ganz Russland (Juri Luschkow, Wladimir Jakowlew, Jewgeni Primakow). Es handelt sich um eine Koalition von Juri Luschkows Organisation Vaterland mit Politikern der Agrarpartei Russlands, Vertretern des Verbandes der Unabhängigen Gewerkschaften und Gouverneuren aus verschiedenen Regionen. Die Koalition genießt die Unterstützung zahlreicher Vereinigungen (der Veteranen, der Opfer von Arbeitsunfällen, der Unternehmenschefs).

Mehrere Blöcke berufen sich auf sozialdemokratisches Gedankengut, so der Block von General Andrej Nikolajew und Swjatoslaw Fjodorow, geführt von der Partei der Selbstverwaltung der Werktätigen des Chirurgen Fjodorow, der für einen volkstümlichen Kapitalismus und für die Selbstverwaltung in den Privatunternehmen eintritt (1 Sitz), des weiteren die Sozialistische Partei Russlands von Iwan Rybkin, die Russische Sozialistische Partei von Wladimir Brynzalow sowie der Block Sozialdemokraten, der von dem Wirtschaftsspezialisten Gawriil Popow und von Michail Gorbatschow angeführt wird. Diese Parteien dürften nur geringe Stimmenanteile erzielen.

Kommunisten und Patrioten

Spitzenkandidaten des Blocks Kommunistische Partei der Russischen Föderation sind der KP-Chef Gennadi Sjuganow, der Duma-Sprecher Gennadi Selesnjow und der Gouverneur des Gebiets Tula, gleichzeitig Vorsitzender des Kolchosverbands, Wassili Starodubzew (157 Abgeordnete).

Die Gesamtrussische Bewegung „Zur Unterstützung der Armee“, angeführt von Wladimir Iljuchin und dem für seine antisemitischen Äußerungen notorisch gewordenen General Albert Makaschow: Beide sind Mitglieder der Kommunistischen Partei, mit der die Bewegung ein Wahlabkommen geschlossen hat. Ihr ultrapatriotisches Programm soll Wähler erreichen, die die KP nicht zu mobilisieren vermag.

Stalins Block für die UdSSR, angeführt von Wiktor Anpilow, dem Stalin-Enkel Jewgeni Dschugaschwili und Stanislaw Terechow (Vorsitzender der Union der Offiziere), sowie der ebenfalls proletarisch-stalinistisch ausgerichtete Block Kommunisten, Arbeiter Russlands für die Sowjetunion, angeführt von Wiktor Tiulkin und Anatoli Krjuschkow (beide Kader der Kommunistischen Partei Russlands), waren bei den letzten Wahlen als gemeinsamer Block unter dem Namen Kommunisten, Werktätige Russlands für die Sowjetunion angetreten, der 4,53 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte.

Der nationalistische Block „Russländischer gesamtnationaler Bund“ von Sergej Baburin und Nikolaj Leonow möchte Russland wieder als Großmacht sehen. (Der Block Die Macht dem Volke, den Baburin gemeinsam mit Nikolaj Ryschkow angeführt hatte, erhielt bei den letzten Parlamentswahlen 5 Sitze.)

Kongress der russischen Gemeinden, Dimitri Rogosin (5 Abgeordnete). 1995 war General Alexander Lebed einer der Listenführer.

Regierungsnahe Parteien

Unser Haus Russland, Wiktor Tschernomyrdin, Wladimir Ryschkow, Dimitri Ajazkow (Gouverneur des Gebiets Saratow). Dieser Block (55 Sitze) gilt als die Partei von Gasprom, dessen Direktor Wiktor Tschernomyrdin ist.

Wahlblock „Medwed“ (Der Bär), Sergej Schojgu, Minister für Besondere Angelegenheiten, und General Alexander Gurow, der sich während der Sowjetzeit durch seinen Kampf gegen die Korruption einen Namen machte. Dieser Block hofft darauf, Vaterland-Ganz Russland in den Regionen Stimmen abzunehmen.

Mitte-rechts- und rechts-liberale Blöcke

Jabloko (Apfel), Grigori Jawlinski und Sergej Stepaschin (45 Sitze).

Union der rechten Kräfte, Sergej Kirijenko (ehemaliger Premierminister) und Boris Nemzow. Verficht nach wie vor eine Politik der ultraliberalen Reformen. (Der Block Russlands Wahl von Jegor Gajdar, der nun als Kandidat dieser Liste auftritt, hatte 1995 9 Abgeordnete stellen können.)

Extreme Rechte und andere

Schirinowski-Block, Wladimir Schirinowski. Dieser Block gilt als das Trojanische Pferd der Mafia, die sich Vertreter mit parlamentarischer Immunität verschaffen will (eine erste von Schirinowski vorgelegte Liste wurde von der Wahlkommission abgelehnt, da die Spitzenkandidaten in Finanzskandale verwickelt waren) (1995: 51 Sitze).

Bewegung „Spass“ (Erlöser), Alexander Barkaschow, Chef der Nationalen Russischen Union, einer faschistisch orientierten rechtsextremen Organisation. Barkaschow findet eine Reihe von Anhängern unter den Führungskadern der Armee und des Geheimdienstes FSB.

Le Monde diplomatique vom 17.12.1999