14.01.2000

Unfruchtbarkeit als Stigma

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Unfruchtbarkeit als Stigma

HIER gilt eine Frau nur etwas, wenn sie Kinder hat.“ Mariam war 37, als ihr der Gynäkologe Dr. Ali Diab El Hadi nach mehreren Monaten erfolgloser Behandlung eine In-Vitro-Fertilisation (IVF) vorschlug. Sie war eine der ersten Senegalesinnen, die diese von den Ärzten Youssoupha Diallo und Diab El Hadi 1989 nach Dakar importierte Methode nutzten. Diab El Hadi erinnert sich: „Damals glaubte so gut wie niemand daran. Doch wir haben bewiesen, dass ein Transfer medizinischer Technologie erfolgreich durchgeführt werden kann.“

Heute ist Mariams Sohn acht. Doch nur wenige enge Freunde wissen, wie das Paar endlich ein Kind bekommen konnte. Mariam erklärt: „Viele Leute akzeptieren diese Methode nicht, weil sie nicht in unserer Tradition verwurzelt ist. Dabei wird eigentlich nur ein ganz klein wenig nachgeholfen.“

Die medizinisch unterstützte Zeugung entspricht einem echten Bedarf in Westafrika, wo 10 bis 15 Prozent der Paare von Unfruchtbarkeit betroffen sind. Zunächst wurde die IVF vor allem in Fällen weiblicher Unfruchtbarkeit angewendet. „Durch die verbesserten Techniken bei der Präparierung des Spermas können wir aber jetzt auch besser auf die Probleme der männlichen Zeugungsunfähigkeit eingehen“, erläutert El Hadi. Früher mussten afrikanische Frauen oft monatelang in Pariser Kliniken auf den Erfolg einer Reagenzglasbefruchtung warten. Heute, zehn Jahre nach dem Anfang in einer privaten Praxis, arbeitet das Ärzteteam Diallo und El Hadi in einer Klinik in Dakar. Die lokale Struktur wurde aufgebaut, nachdem durch die Abwertung ihrer Währung die französischen Kliniken für Afrikaner unerschwinglich geworden waren. Der Preis für eine Behandlung ist nach wie vor hoch: Zu umgerechnet ca. 1 200 Mark pro Versuch ist eine IVF nur für die Mittel- und Oberschicht bezahlbar. Sie muss aus eigener Tasche finanziert werden, denn, wie El Hadi betont, „obwohl Unfruchtbarkeit ein Problem der öffentlichen Gesundheit ist, wird das vorhandene Geld natürlich zuallererst für die dringlichen Aufgaben wie die Senkung der Sterblichkeit von Müttern und Kindern oder Aids ausgegeben. Im Vergleich zu solchen Notlagen gilt Unfruchtbarkeit als Luxusproblem.“

GÉRALDINE ZAMANSKY

Le Monde diplomatique vom 14.01.2000, von GÉRALDINE ZAMANSKY