11.02.2000

Flüchtlinge und Diaspora

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Flüchtlinge und Diaspora

Beginnend mit dem ersten arabisch-israelischen Krieg von 1948/49 gab es mehrere Fluchtwellen, in deren Verlauf Palästinenser in verschiedene Aufnahmeländer verstreut wurden. Beim Palästina-Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) waren am 30. Juni 1999 3,6 Millionen palästinensische Flüchtlinge registriert. Hinzu kommen einige hunderttausend Vertriebene, die 1967 aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen geflohen sind und sich vorwiegend in Jordanien niedergelassen haben, sowie weitere hunderttausende nicht registrierte Flüchtlinge. In der Resolution 194 vom 11. Dezember 1948 hat die UN-Vollversammlung den palästinensischen Flüchtlingen ein „Recht auf Rückkehr“ in ihre Wohnorte zuerkannt, das seither in jedem Jahr durch einen Beschluss bekräftigt wurde. Flüchtlinge, die auf die Rückkehr verzichten, sollen eine Entschädigung erhalten.

Das Problem der palästinensischen Flüchtlinge wird heute in drei unterschiedlichen Gremien verhandelt. Zum einen wurde im Rahmen der Konferenz von Madrid, deren Verhandlungen am 30. Oktober 1991 begannen, die „Multilaterale Arbeitsgruppe zu Flüchtlingsfragen“ eingerichtet. Sechs Nationen des Nahen Ostens hatten damals Delegationen nach Madrid entsandt: Israel, Ägypten, Jordanien, Palästina, Syrien und der Libanon – die beiden Letztgenannten verweigerten allerdings die Teilnahme an den Arbeitsgruppen. Nach Ansicht Israels hätten in der Arbeitsgruppe alle Flüchtlingsprobleme der Region verhandelt werden sollen, einschließlich der Kurdenfrage und der Probleme der aus arabischen Ländern emigrierten Juden. Das Gremium hat seit Dezember 1995 nicht mehr getagt, möglicherweise tritt es in naher Zukunft wieder zusammen. Zum anderen ist im Rahmen der Oslo-Verträge ein „Viererkomitee“ (Israel, Jordanien, Ägypten und die Palästinenser) geschaffen worden, dessen Aufgabe es sein sollte, während der Übergangsphase das Problem der 1967 vertriebenen Bevölkerung zu lösen. Es gab jedoch keine ernsthaften Vorschläge. Und zum Dritten gehört das Flüchtlingsproblem auch zu den Fragen, die im Rahmen der bilateralen Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern über den endgültigen Status der Autonomiegebiete erörtert werden. Da es sich dabei um eine Angelegenheit von regionaler Tragweite handelt, wird es früher oder später unumgänglich sein, die Aufnahmeländer Syrien, Jordanien und Libanon in die Verhandlungen einzubeziehen.

Die grundsätzlichen Haltungen der PLO und der israelischen Regierung zu diesen Problemen sind unvereinbar. Für die Palästinenser geht es zum einen darum, dass die Verantwortung Israels für die Entstehung des Flüchtlingselends herausgestellt wird, zum anderen um die Anerkennung des Rechts auf Rückkehr – über dessen Einlösung sie allerdings zu verhandeln bereit wären. Die israelische Regierung ist dagegen nicht geneigt, irgendein „Recht auf Rückkehr“ anzuerkennen, sie tritt dafür ein, den Flüchtlingen durch internationale Hilfe die dauerhafte Ansiedlung in den Aufnahmeländern zu ermöglichen.

Le Monde diplomatique vom 11.02.2000, von ALAIN GRESH