Marina Abramovic: Artist Body – Public Body
Die 1946 in Belgrad geborene Performance-Künstlerin Marina Abramovic, die ihr Land vor über 20 Jahren verließ, erregte 1997 auf der Biennale mit ihrer für den jugoslawischen Pavillon kreierten Performance „Balkanbarock“ großes Aufsehen: „Im Haus meines Volkes liegt ein Haufen blutiger Knochen, auf dem eine verrückte Hausfrau steht und in wahnsinnigem Rhythmus versucht, das Blut zu beseitigen“, beschrieb ihr Landsmann Bora Cosic die Szene.
Überragt wird das Arrangement rechts und links von Porträts ihrer Eltern, die als Partisanen nach dem Krieg den Tito-Staat aufbauten. „Nun hat man sie in das stinkende Beinhaus gebracht, damit sie ihren Teil Verantwortung übernehmen in der neurotischen Geschichtswäsche, die ihre Tochter vor den Augen der Welt vornimmt.“
Marina Abramovic, die Erfinderin und Akteurin der „Geschichtswäsche“, arbeitete seit Anfang der siebziger Jahre am und mit dem eigenen Körper, den sie als Material und Projektionsfläche begreift. Ihr Werk, eine Ansammlung von buchstäblich am eigenen Fleisch vollzogenen Erfahrungen, war zuallererst eine Revolte: Abramovic stach sich mit Messern zwischen die gespreizten Finger, sie schrie stundenlang, bis ihr die Stimme versagte.
13 Jahre lang, zwischen 1975 und 1988, erkundete sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem aus Deutschland stammenden Künstler Ulay, die Potentiale körperlicher Begegnungen. Auch hier ging es um Grenzerfahrung – wann ist eine Performance, die den Prozess, nicht das Resultat zum Zentrum hat, abgeschlossen?
Die meisten ihrer Arbeiten sind auf ein „natürliches“ Ende ausgerichtet: zuallererst auf die Grenzen der physischen Möglichkeiten. Die extremen Körpererfahrungen übertragen sich auf den Zuschauer und sind selbst noch in den Videostills zu spüren. In den jüngsten Arbeiten der Ausstellung „Public Body – Artist Body“ sind sie verstärkt auf Rituale und eigene wie fremde Energien bezogen. MLK