16.06.2000

Markus Baldegger

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Markus Baldegger

„Genauso wie Zeit nur existiert, wenn sie erlebt und erinnert wird, ist Licht selbst nicht sichtbar. Die Wirksamkeit des Lichts kann nur an der Dynamik von Farbe erfahren werden. Sowohl Zeit als auch Licht werden nicht fassbar als ein so und nicht anders definierter Bestand, sondern eher in einer fließenden, offenen Mittellage zwischen Verdichtung und Zerstreuung, Aufleuchten und Sich-Verdunkeln, Präsent-Werden und Sich-Zurückziehen, kurz: zwischen Erscheinen und Entschwinden.“

Der Schweizer Markus Baldegger, geboren 1947, von dem diese Sätze stammen, kam über den „Umweg“ der Germanistik und Geschichte zur Malerei. In seinem Schaffen geht es ihm nicht um Darstellung oder Bedeutung, sondern um die „innere Reflexion des Visuellen“ (Gernot Böhme). Sein Mittel ist die Farbe, jenes nicht reduzierbare Wesen der Malerei. „Farbe ist eine Metapher des Lichtes, die Lichthaltigkeit der Farbe ist das Thema der Malerei“, sagt er, und seine Bilder reflektieren tatsächlich die Auseinandersetzung mit Chardin, Vermeer, oder Rembrandt. Bei einzelnen Farbfeld-Bildern dringt das Licht immer tiefer in die Leinwand hinein, bei anderen Arbeiten ist das Licht flecken- oder flächenweise auf die zunächst opake Oberfläche aufgetragen.

Im Mittelpunkt vieler Arbeiten Baldeggers steht die Farbe gelb. Wobei die im Laufe der Jahre entstandenen gelben Bilder den Wandel innerhalb seines Werkes verdeutlichen. Anfangs dominierte das Zusammenspiel mit anderen Farben; die jeweilige Bewegung des Pinselstrichs und die dadurch geschaffenen Formen als Ausdrucksmittel standen im Vordergrund und lenkten die Bewegung des Sehens. Nach und nach entfernte sich die Darstellung des Gelben von der Inhaltlichkeit. Heute konzentriert sich Baldeggers Suche auf die malerische Vergegenwärtigung der Farbe Gelb. Je nach Licht und Bildkomposition bekommen die Bilder zusätzliche Volumina. Im Zentrum der neuen, lichten Gegenwart steht die Spannung zwischen der Mitte und den Rändern, denn erst an den Rändern, wo Helligkeit und Dunkelheit aneinander stoßen, wird der Betrachter des Lichtes gewahr.

„Für mich ist Gelb die ungegenständlichste Farbe. Sie ist am freiesten von jeder Vorstellung von Natur, Architektur, Geschichtenerzählen. Weil Gelb so offen zum Kalten und Warmen hin ist, hat es eine sehr breite Skala von Ausdrucksmöglichkeiten. Für mich nimmt die Gelbskala deshalb innerhalb des Farbenspektrums einen viel breiteren Raum ein als die anderen Primärfarben.“ Primär orientiert sich Baldegger an den kalten Gelbtönen, deren explosiven Charakter er bändigen will. „Kaltes Gelb“, sagt er, „ist am lichthaltigsten aus sich selbst heraus.“ Warmes Gelb sei leicht plakativ und somit abweisend.

Seine Bilder aktualisieren visuelle Erfahrungen und Empfindungen, die sich, ihrer persönlichen Geschichte entkleidet, in ihrer unmittelbaren, physischen Dimension dem Betrachter präsentieren. Der Farbauftrag verleiht den Bildern Leben und Atem und legt konkrete Spuren der Empfindung, die dem Betrachter als Mal- und Seherfahrung entgegentreten. Seine Malweise und Malauffassung ist durchweg subjektiv; jede Art von Automatismus ebenso wie die Vorstellung von autonomer Bildlichkeit ist ihm fremd.

M.L.K.

Kataloge: Einen Überblick über sein bisheriges Schaffen bietet der von Theodor Helmert-Corvey herausgegebene Band: „Markus Baldegger, Malerei“, Bielefeld (Kerber Verlag) 1999. Er enthält drei Teile: Gelbe Bilder, Farbtafeln und Farbflächen, Farbfelder.

Zum Weitersehen:  ■ „Licht & Zeit, Markus Baldegger und Karin Irshaid“, hrsg. von Stefan Majetschak, Düsseldorf und Bonn (Parerga) 1997.  ■ Markus Baldegger, „Raum für Kunst“, Aachen 1998.

Le Monde diplomatique vom 16.06.2000, von M.L.K.