14.07.2000

Saurer Regen über Zentraleuropa

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Saurer Regen über Zentraleuropa

NACH dem Zweiten Weltkrieg gewann Europa seinen Industriestrom hauptsächlich aus Kohle. Emissionsfilter waren damals unbekannt. Mit Beginn der sechziger Jahre stellte der Westen die Energieerzeugung zunehmend auf Erdöl, Erdgas und Atomkraft um, während Osteuropa weiterhin seine eigenen Energievorkommen ausbeutete, Braunkohle z. B. und minderwertigen Ölschiefer mit hohem Schwefelgehalt. Viele Industrien konzentrierten sich nahe der Kohleförderstätten, im „Schwarzen Dreieck“ von DDR, ČSSR und Polen, das für die regionale Luftverschmutzung und die sauren Niederschläge die Hauptverantwortung trägt.

Trotz dieses Erbes hat sich die Umweltsituation im Laufe der neunziger Jahre verbessert. Die Emissionen von Schwefel- und Kohlendioxyd sind spürbar gesunken. Ursache hierfür sind die Wirtschaftsrezession, der industrielle Strukturwandel, der Einsatz weniger umweltbelastender Rohstoffe und der Einbau von Emissionsfiltern. Gleichwohl hat die jahrzehntelange Umweltverschmutzung die Ökosysteme nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen. Der Zustand der Wälder verschlechtert sich weiterhin. Die Übersäuerung des Bodens setzt stellenweise Aluminium und Schwermetalle frei, die die Oberflächengewässer verseuchen.

Der nördliche Teil der Region – Ungarn, Tschechien, Slowakei und Polen – hat seine Produktionsanlagen erneuert und mit Unterstützung internationaler Organisationen Umweltschutzmaßnahmen eingeführt, deren spektakulärster Erfolg in einer deutlichen Verringerung der Schadstoffemissionen besteht. In Rumänen, Bulgarien, Albanien und Ex-Jugoslawien spielen Umweltschutzbelange nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Wie schleppend die Modernisierung der Industrieanlagen vorankommt, zeigte vor kurzem die Zyanidkatastrophe, die die Theiß verseuchte.

R.M. und Ph. Re.

Le Monde diplomatique vom 14.07.2000, von R.M. und Ph. Re.