14.07.2000

Rund um den Aralsee

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Rund um den Aralsee

DIE fünf zentralasiatischen Republiken (Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Kirgisistan und Tadschikistan) wurden in den dreißiger Jahren auf Geheiß Stalins geschaffen. Zu Zeiten der UdSSRwurde die Region stets Reservoir von Arbeitskräften und natürlichen Ressourcen betrachtet. In Kasachstan wurden riesige Bergwerks- und Hüttenkombinate zur Ausbeutung der Metallvorkommen errichtet, die seither der Modernisierung harren und die Atmosphäre regional stark belasten. Im Westen Kirgisistans werden radioaktiven Abfälle aus dem Uranbergbau ohne weitere Vorkehrungen gelagert; sie drohen die Wasserläufe des benachbarten Usbekistan zu kontaminieren. In der nur dünn besiedelten Region Semipalatinsk, wo das „Polygon der Atomversuche“ liegt, sind ernsthafte Verseuchungen aufgetreten, über deren Ausmaß es allerdings kaum Erhebungen gibt.

In ganz Zentralasien versickern etwa 30 Prozent des Trinkwasservorrats, da die Bewässerungsanlagen veraltet sind. Seit den fünfziger Jahren wurden die semiariden Steppengebiete des Nordens (traditionell fruchtbares Weidegebiet) übermäßig bewirtschaftet und schonungslos umgepflügt; sie sind jetzt verheerender Winderosion ausgesetzt. So wie die Arktis ist auch Zentralasien aufgrund seiner extremen klimatischen Verhältnisse eine Region mit äußerst empfindlichen Ökosystemen.

Der Aralsee wurde von den sowjetischen Planern regelrecht geopfert. Das Wasser der zwei wichtigsten Zuflüsse, Syr-Daria und Amu-Daria, wurde zur Bewässerung des intensiven Baumwollanbaus umgeleitet. Massiver Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden hat den Boden ausgelaugt und unfruchtbar gemacht. Der niedrige Wasserspiegel des Aralsees sollte durch ehrgeizige Umleitungsprojekte von Flüssen aus dem Norden Russlands kompensiert werden. Diese Projekte wurden nie verwirklich und der Aralsee trocknet immer weiter aus. Die Versteppung hat zugenommen und ein Teil der freigelegten und versalzenen Böden ist vom Wind in die Anbaugebiete der Nachbarregionen getragen worden, deren Bodenqualität sich rapide verschlechtert hat.

Neue Bedrohungen kommen hinzu. Kasachstan, Usbekistan und Aserbaidschan starten mit Hilfe internationaler Mineralölgesellschaften eine Kampagne zur großflächigen Erschließung ihrer Erdölvorkommen im Niedrigwasser, ein Unterfangen, das mit einem großen Risiko für das Ökosystem des Kaspischen Meers verbunden ist. Usbekistan betreibt weiterhin intensiven Baumwollanbau, praktisch unter den gleichen Bedingungen wie zu Sowjetzeiten (unter starkem Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden), so dass es sehr schwierig sein wird, dieses Land künftig anders als für den Baumwollanbau zu nutzen.

Trotz dieses düsteren Szenarios sollte man nicht vergessen, dass Zentralasien vor allem in seinen Gebirgsregionen des Südwestens riesige Naturgebiete besitzt, die noch relativ intakt sind.

R.M.

Le Monde diplomatique vom 14.07.2000, von R.M.