10.11.2000

Ökonomischer Artenschutz

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Ökonomischer Artenschutz

Die kenianische Regierung ist darum bemüht, ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen wirtschaftlichen Aktivitäten im Mara-Gebiet aufrechtzuerhalten, wobei der Tourismus besondere Berücksichtigung findet. Um die Einnahmeverluste der Massai auszugleichen, wurden mehrere Korrekturmechanismen angeregt.

Da sich Wildtierfarmen als rentabel erweisen, dürfen rund dreißig Farmen in Kenia mit Genehmigung des Kenya Wildlife Service (KWS) etwa Krokodile oder Strauße wirtschaftlich nutzen und – unter Einhaltung bestimmter Regeln – auch schlachten. Die Wiederzulassung der Berufs- bzw. Sportjagd dagegen hat heftige Debatten ausgelöst. Sie war 1977 nach mehreren Jahren intensiver Wilderei verboten worden und ist nun in Tansania sowie in einigen anderen Ländern im Süden Afrikas wieder erlaubt. Auch in Kenia werden von Zeit zu Zeit Stimmen laut, die eine Wiederzulassung der Jagd fordern. Dies könnte zwischen 12 und 20 Millionen Dollar jährlich einbringen. Das Risiko einer übermäßigen Reduzierung des Wildtierbestands ist allerdings nicht von der Hand zu weisen.

Daphne Sheldrick, Direktorin des David Sheldrick Wildlife Trust und prominente Tierschützerin, stellt fest, dass „die Bevölkerung Hunger leidet. Wenn jemand ein Tier auf seinem Grund und Boden sieht, wird er wohl nicht allzu lange über Quoten nachdenken, weil das Tier sonst morgen schon auf dem Grundstück des Nachbarn sein wird. Der Markt mit Wildtierfleisch hat den Tierbestand in Westafrika dezimiert. Warum sollte das in Ostafrika anders sein?“

Im Serengeti-Nationalpark in Tansania werden jährlich 200 000 Wildtiere illegal getötet. Alles deutet darauf hin, dass die Wilderei auch im Mara-Gebiet anhält. „Kontrollen sind nur schwer durchzuführen, und das Beispiel Tansania mahnt zur Vorsicht“, betont Nehemiah Rotich. „Dort werden die prächtigsten Tiere getötet, die sich ansonsten fortpflanzen würden – und das beeinträchtigt das demographische Gleichgewicht innerhalb der Arten. Tiere, die gejagt werden, wie zum Beispiel Elefanten, flüchten aus ihren angestammten Gegenden, was sich für den Tourismus ungünstig auswirkt. Ich bevorzuge Lösungen, die gemeinsam mit den Grundeigentümern abgesprochen werden.“

Der KWS verfolgt seit mehreren Jahren derartige konzertierte Aktionen: Er bewilligt Kredite für diejenigen, die die Wildtiere nachweisbar auf ihrem Besitz dulden, und schafft zugleich Anreize zur Tourismusförderung. Ihm steht auch ein Teil der Zutrittsgebühren zum Reservat zu, die er an die Farmen weiterleitet. Die Weltbank setzt auf ähnliche Lösungen.

Ein weiterer Ansatz der kenianischen Regierung bzw. des KWS könnte darin bestehen, dass sie den Massai einen Teil des Bodens zum Erhalt der Tierwelt verpachten. Im Gegenzug müssten diese sich dazu verpflichten, Landwirtschaft und Viehzucht in den betroffenen Gebieten einzuschränken.

Andere Projekte gründen auf einer Einteilung in Zonen, wie sie z. B. auf den Farmen Koyaki, Lemek und Ol Chorro Orogwa in Zusammenarbeit mit dem Verwaltungskomitee von Massai Mara praktiziert wird. Es wird von dem African Conservation Centre koordiniert. Wie Helen Gichohi meint, „kommt es darauf an, auf den Farmen verschiedene Bereiche zu schaffen, die jeweils der Viehzucht, der Landwirtschaft, den Wildtieren zugeordnet sind. Es geht auch darum, Wasserstellen zu erschließen und tierärztliche Untersuchungen zu fördern. Und schließlich sollten auch umweltfreundlichere touristische Aktivitäten angeregt werden, die andere Horizonte aufzeigen als der gegenwärtige Exzessivtourismus.“ Die Zukunft wird zeigen, ob die Aufteilung in Zonen mit den ständig umherziehenden Wildtieren wirklich in Einklang zu bringen ist.

A.Z.

Le Monde diplomatique vom 10.11.2000, von A.Z.