Rüstungsmärkte
DER Rüstungsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren auf Seiten der Kunden erheblich verändert. In den ersten Jahren nach der Entkolonisierung lag die Beschaffung von militärischer Ausrüstung in den Händen von ehemaligen Offizieren, die der Armee der einstigen Mutterländer angehören. In einigen Ländern ist es bis heute so geblieben, etwa in Oman, wo britische Offiziere als Militärberater des Sultans tätig sind. Die Schmiergeldsummen lagen in dieser Ära ähnlich niedrig wie die Erdölpreise.
Mit dem Erdölboom traten Mittelsmänner auf die Szene, die vor allem aus dem Nahen Osten stammten (wie Akram Ojjeh, Adnan Kashoogi, Samir Traboulsi) und das Korruptionssystem aufheizten. Heute werden diese Positionen von Technikern eingenommen, die als Produkte der „fetten Jahre“ des Erdölbooms oder des wirtschaftlichen Aufschwungs im Ausland studiert haben. Diese Leute sind zum Teil für die Entscheidungen zuständig und können in gewissen Fällen auch ihre Missbilligung zum Ausdruck bringen. Sie haben höhere technische Ansprüche und sind für Bestechung weniger anfällig. Das erklärt zum Beispiel, dass die Militärs von Katar mit der Liste des militärischem Materials unzufrieden sind, das die Engländer auf der Basis eines Gentlemen's Agreement mit dem neuen Emir im Jahre 1997 an das Emirat zu verkaufen versuchen. Auch deshalb ist bisher noch kein verbindlicher Kaufvertrag zwischen den beiden Ländern zustande gekommen.
Die Art der Korruption ist von Region zu Region verschieden. In den Golfstaaten verteilen die fürstlichen Familien, die den Reichtum des Landes als ihr Erbteil betrachten und den öffentlichen Haushalt mit der königlichen Kasse verwechseln, die Bestechungssummen an Familienangehörige und nahe stehende Personen; in Asien nutzen die Eliten dagegen die Korruptionsgewinne zuweilen als Finanzspritze für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.
Der Golfkrieg hat den Anstoß zu einer Debatte in mehreren Ländern gegeben, so in Kuwait und in Saudi-Arabien. Dass sich die nationalen Armeen trotz ihrer exorbitanten Budgets als ineffizient erwiesen, provozierte kritische Kommentare über die wahren Gründe mancher kostspieligen Anschaffungen. So hat das kuwaitische Parlament gewisse Praktiken der Herrscherfamilie angeprangert und ein Gesetz beschlossen, das „Kommissionen“ legalisiert, sofern sie deklariert und an einen kuwaitischen Staatsbürger gezahlt werden. In Saudi-Arabien wurden die Waffenkäufe unmittelbar nach dem Konflikt von einigen islamischen Geistlichen verurteilt. Erbprinz Abdullah legt neuerdings Wert darauf, als integrer Mann zu erscheinen, der seit dem Golfkrieg nicht einen einzigen Waffenkaufvertrag für die von ihm befehligte königliche Garde abgeschlossen hat und für eine beträchtliche Reduzierung des Rüstungshaushaltes sorgt.
In den asiatischen Ländern, die von der Wirtschaftskrise im Winter 1997 betroffen waren, trat das Problem der Korruption überdeutlich zutage und führte sogar zum Sturz mancher Regime (z. B. in Indonesien) und zu strafrechtlichen Verfolgungen. In Ländern wie Indien und Pakistan wurden bei der Ablösung von Regierungen die früheren Korruptionspraktiken aufgedeckt und gerichtlich verfolgt (z. B. im Fall der Familie von Benazir Bhutto), wobei auch ein Teil der auf ausländischen Banken versteckten Guthaben gesperrt wurde. Andere Länder verfolgen die Bestechungspraktiken mit mehr oder weniger Erfolg und haben eine Regelung beschlossen, die geschäftliche Verträge, bei denen Schmiergelder geflossen sind, ohne Entschädigungsanspruch für ungültig erklären (so in Taiwan und Singapur).
Andererseits legen es die Entscheidungsträger in den Käuferländern immer mehr darauf an, die Ankäufe durch sogenannte Offset-Geschäfte auszutarieren.Dabei bemühte man sich ursprünglich um einen Transfer des nötigen Know-how, um eine nationale Rüstungsproduktion aufzubauen. Als diese Versuche scheiterten, forderten die Käuferländer die Gründung von Joint-Venture-Firmen unter Beteiligung lokaler Unternehmen oder aber Gegengeschäfte (beispielsweise der Kauf von griechischen Korinthen als Gegengeschäft für an Griechenland gelieferte Mirage-Kampfflugzeuge).
Die meisten Länder verlangen nun – manchmal bereits vor der Kaufentscheidung – den Abschluss von Kompensationsgeschäften. Dieses sehr komplexe System lässt genügend Raum für zahlreiche Tricks zur Verschleierung von Schmiergeldzahlungen. So haben die Vereinigten Staaten einen Fonds zur Finanzierung von Offset-Geschäften in Saudi-Arabien geschaffen, und British Aerospace hat zusammen mit der „königlichen Familie“ der Vereinigten Arabischen Emirate einen entsprechenden Fonds (mit Namen Oasis) gegründet.
Joseph K. *
* Pseudonym eines hohen Beamten, Autor von „Stratégie du déclin. Essai sur l'arrogance francaise“, Desclée de Brouwer, Paris 2000