16.02.2001

Der umstrittene Nationalpark

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Der umstrittene Nationalpark

DER Süden von Guyana ist Teil des Guyana-Shield-Gürtels, der sich vom Norden Brasiliens über Französisch-Guyana, Surinam, Guyana und Venezuela bis nach Kolumbien erstreckt und wo noch geologische Formationen bestehen, die vor allem biologischen Leben entstanden sind. In den zum Teil kaum zugänglichen Gebieten hat sich bis in die jüngste Zeit eine enorme Artenvielfalt ausgebildet und erhalten. Der Guyana Shield umfasst das wohl größte intakte Regenwaldgebiet der Welt, und seit Jahren plädieren Umweltschützer für die konsequente Konservierung des gesamten Gürtels.

Schon im 16. Jahrhundert war die Region berühmt für ihre Goldvorkommen. So lässt sich die Geschichte des Guyana Shield als eine sich allmählich zuspitzende Geschichte der Ausbeutung schreiben – von Bodenschätzen, Menschen und natürlichen Ressourcen. Im August 1995 etwa ergossen sich aus einem Riesenreservoir tausende Liter zyanidhaltige Schlacke (Zyanid kommt bei der Goldgewinnung zum Einsatz) in Guyanas größten Fluss und verursachten eine dramatische Umweltkatastrophe. In einem Stausee, der von der Eléctricité de France unter anderem zur Stromversorgung des Ariane-Weltraumbahnhofs in Kourou errichtet wurde, verrottet seit 1995 die Biomasse eines 365 Quadratkilometer großen Regenwaldgebiets und gibt Unmengen an Methangas in die Atmosphäre ab. Das illegale Schürfen von Gold und Mineralien verursacht Wasserverschmutzung und Umweltschäden. Dazu kommen Jagd und Wilderei, die zum Aussterben geschützter Tierarten wie Papageien, Tukane, Jaguare, Kaimane und Tapire führen.

UREINWOHNER Französisch-Guyanas sind die Indios, die vermutlich vor zwölftausend Jahren in Südamerika angekommen sind. In der Neuzeit haben die verschiedenen Kolonialmächte – England, Holland, Frankreich, Spanien und Portugal – der Region ihren Stempel aufgedrückt. So brachten die europäischen Kolonialherren Afrikaner als Sklavenarbeiter mit. Viele von ihnen zogen ein Leben in den unzugänglichen Wäldern den grausamen Bedingungen auf den Plantagen vor. Die Nachkommen dieser entflohenen Sklaven, die Noirs marrons, leben heute im Regenwaldgebiet. Sie haben viele der Überlebenstechniken der Indios übernommen, aber auch Teile ihrer afrikanischen kulturellen und religiösen Traditionen bewahrt.

Sowohl die Noirs marrons als auch die Indios fühlen sich bei der Planung des Guyana-Shield-Nationalparks übergangen. Indios gelten als französische Staatsbürger und haben es insofern schwer, sich überhaupt als indigene Bevölkerungsgruppe mit eigenen politischen und kulturellen Traditionen zu artikulieren. Darüber hinaus bedroht die gegenwärtige Goldgräberstimmung im Lande ihre Lebensweise, die sie mit der Forderung nach eigenem Land zu schützen versuchen.

B. B.

Le Monde diplomatique vom 16.02.2001, von B. B.