16.02.2001

Gunter Holzmann – ein Nachruf

zurück

Gunter Holzmann – ein Nachruf

FÜR uns in der Redaktion der Monde diplomatique war Gunter Holzmann ein fester Bezugspunkt – ein Freund und zugleich ein Vorbild. Das gilt seit dem Tag, an dem uns Mitte der Neunzigerjahre aus dem fernen Bolivien ein denkwürdiger Brief ins Haus flatterte. Darin teilte uns der Absender namens Gunter Holzman mit, er sei ein alter Bekannter unseres Gründers Hubert Beuve-Méry und im Übrigen ein treuer Leser unserer Zeitung, die er für eine der besten Zeitungen der Welt halte. Nun sei er zweiundachtzig Jahre alt und im Besitz von etwa einer Million Dollar, mit denen er uns unterstützen wolle. Nach der ersten Verblüffung fragten wir uns alle: Wer ist nur dieser Gunter Holzmann?

Als wir ihn in Santa Cruz besuchten, erzählte er uns die Odyssee seines Lebens. Geboren 1912 in Breslau im damals noch deutschen Schlesien, wuchs er in einem deutschnational gesinnten jüdischen Elternhaus auf. Anfang der Dreißigerjahre bekam er den Aufstieg der Nationalsozialisten am eigenen Leibe brutal zu spüren und gründete eine antifaschistische Widerstandsgruppe, die sich mutig der Hitler-Jugend entgegenstellte. Als die Gestapo hinter ihm her war, tauchte er ab, geriet dann aber für kurze Zeit in Haft. Als er 1935 aufgrund der antijüdischen Gesetze von der Universität verwiesen wurde, setzte er sein Medizinstudium im englischen Cambridge fort. Doch weil er weiter auf den Listen der Gestapo stand, wurden selbst kurze Besuche in Deutschland zunehmend gefährlich. Einige seiner Verwandten saßen bereits in Konzentrationslagern.

Deshalb blieb ihm keine andere Wahl, als zu emigrieren. Der Zufall führte ihn zuerst nach Peru, dann nach Bolivien. Dort entdeckte er das kulturelle Erbe Lateinamerikas wie den Reichtum seiner Natur, aber auch die himmelschreienden sozialen Ungleichheiten. Damals begann sein zweites Leben, das dem Erhalt der einheimischen Kulturen, der Rettung der Umwelt und der Verteidigung der Entrechteten gewidmet war. Bereits in den Fünfzigerjahren begann sein Interesse für Umweltschutz, dem er sich in seinen letzten Lebensjahren ganz verschrieb. So hat Gunter Holzmann die großen Kämpfe des 20. Jahrhunderts mitbestritten: in der ersten Hälfte den Kampf gegen den Faschismus, in der zweiten Hälfte den Kampf gegen die wachsende Umweltzerstörung.

Dank seiner großzügigen Spende konnte sich unsere Zeitung zu einer Tochtergesellschaft innerhalb der Monde AG konstituieren, was es ihr leichter machte, ihr eigenes Profil zu bewahren. Denn diese Rechtsform machte es der Redaktion erst möglich, sich als „Association Gunter Holzmann“ zu konstituieren und als solche zu einem der drei Aktionäre des Unternehmens zu werden.

Wir sind Gunter Holzmann zu größtem Dank verpflichtet. Die Nachricht von seinem Tod am 6. Januar dieses Jahres hat uns tief getroffen. Wir alle möchten seiner Familie, vor allem seinen Kindern Teresa, Anaï und Claudio unser Beileid bekunden und sie unserer Solidarität und Freundschaft versichern.

IGNACIO RAMONET

Fußnote: Das Leben des Gunter Holzmann ist in einer faszinierenden Autobiografie nachzulesen: „Und es beginnt ein neuer Tag“, Zürich (Rotpunkt Verlag) 2001.

Le Monde diplomatique vom 16.02.2001, von IGNACIO RAMONET