11.05.2001

Der Feminismus wird vorgeführt

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Der Feminismus wird vorgeführt

JEDES Jahr verleiht die Association des femmes journalistes (AFJ, Verband der Journalistinnen) eine Auszeichnung für die nichtsexistische Werbung des Jahres. Was selten ist, hat seinen Preis. Schließlich ist die Werbung in dieser Hinsicht ein Korsett aus dem 19. Jahrhundert, getarnt als Tanga von Aubade. So weit haben wir es in hundert Jahren gebracht? Heute zeigt uns die Werbung, wo es langgeht. So auch Boléro, ein anderer Hersteller für Damenunterwäsche: „Hüllen Sie sich in Verführung“, „Zeigen Sie Ihre Moral“. Anstelle der versprochenen Hülle können wir den unumgänglichen Po bewundern, wohlgeformt, das heißt, an den nötigen Stellen mit dem Nötigsten bedeckt. Es gab indes eine Zeit, in der Boléro weit feministischere Töne anschlug: „Frauen wollen, dass ihr Haar jeden Monat sechs Zentimeter wächst“; „Frauen fordern kleine erotische Anzeigen auf jeder Seite“; „Frauen engagieren sich im Kampf gegen den Luftzug“, skandierte die Firma Mitte der Neunzigerjahre. Um hinzuzufügen: „Boléro pusht die Frauen“.

Man muss sie sich auf der Zunge zergehen lassen, diese weiblichen Forderungen, die den feministischen Diskurs nicht konturieren, sondern konterkarieren. Von dort bis zu der Ansicht, dass alle feministischen Forderungen im Grunde von ein und derselben Utopie geprägt sind und, albern, wie sie sind, unmöglich Erfolg haben werden, ist es nur ein kleiner Schritt, den die Werbung völlig unbekümmert, im Stil leichtfertiger Parodie, zurücklegt. Parodistisch bemächtigt sich die Werbung des feministischen Diskurses der letzten dreißig Jahre, verkehrt ihn ins Gegenteil und führt ihn ad absurdum, kurz, sie kehrt zu einem konservativen und archaischen Diskurs zurück.

Die Werbung bringt die Lacher auf ihre Seite, indem sie den feministischen Diskurs ausschlachtet und dabei der Lächerlichkeit preisgibt. So wirbt etwa Ford in Anlehnung an den feministischen Slogan der Siebzigerjahre „Jeder Zweite ist eine Frau“: „Der Ford Galaxy hat nicht vergessen, dass jeder Zweite eine Frau ist.“ Alles in Allem zeigt uns jene Parodie des Feminismus „unechte“ Feministinnen, die sich als überaus verführerische Hausfrauen präsentieren. Dieses karikierende Spiel mit dem emanzipatorischen Diskurs der Frauenbewegung steht im Dienst einer ultrakonservativen, sexistischen Ideologie.

Keine Werbung kann es sich leisten, rassistisch zu sein oder antirassistische Slogans zu parodieren. Andernfalls würde ein Sturm der Entrüstung losbrechen. Mancher Rapper, der gegen den Rassismus wettert, legt dagegen einen ungehemmten Sexismus an den Tag und schreckt oft nicht vor der Verherrlichung von Gewalt gegen Frauen zurück. Der antirassistische Kampf kämpft gegen den Rassismus. Der Antisexismus dagegen hat einen Namen: Feminismus, weniger ein Kampf gegen als ein Kampf für etwas. Für die Frauen. Das macht ihn – wie jede aus einer Benachteiligung entstandene Bewegung – offen für Vorbehalte und Einschränkungen wie „Ich bin zwar keine Feministin, aber . . .“ oder „Ich bin zwar Feministin, aber . . .“

Im Zerrspiegel, den die Werbung uns präsentiert, zeigt sich die Tendenz, dass die Darstellung ethnischer Differenz die Geschlechterdifferenz verwischt oder deren Attribute umkehrt. Das Modelabel Joop zeigt in einer Anzeige einen hellhäutigen Mann in Begleitung einer dunkelhäutigen Frau und verleiht ihm – durch Körperhaltung, Haarschnitt und Choreografie (sie im Vordergrund, er dahinter) – eher feminine, ihr dagegen maskuline Züge. Dieser Nivellierung begegnet man auch in der ausgeprägten Androgynität der Models von Calvin Klein oder Gap, die so multiethnisch sind wie die von Benetton in den Achtzigerjahren.

Auch die Stellenangebote sind aufschlussreich: Der multikulturelle Aspekt rückt zumindest dort, wo Innovation gefragt ist, in den Mittelpunkt der Anzeige. So wirbt etwa Lucent Technologies in Le Monde mit einem plakativen Foto (ein weißer und ein schwarzer Mann) und mit der Selbstbeschreibung: „multikulturelle Teams in 90 Ländern“. Aber sonst spricht die Anzeige ausschließlich von „Mitarbeitern“ (nur in der männlichen Form). Auch in allen anderen Anzeigen dieser und ähnlicher Ausgaben ist immer nur von Ingenieuren, Konzeptern, Projektleitern, Beratern die Rede, selbst da, wo – selten genug – eine Frau gezeigt wird.

Kehren wir zur Bildersprache der Werbung zurück. Seit zwei Jahren zeigen die Werbespots der Firma Kookaï einen miniaturisierten Mann (bzw. eine ins riesenhafte vergrößerte Frau). Zur Zeit kursiert die Darstellung des Mannes als Objekt, schlimmer noch des Mannes als Sklave oder des Mannes in der Gosse: Man macht aus ihm einen organischen Rückstand, Dreck – etwa der unter den Fingernägeln –, dessen man sich durch das Anstellen der Dusche entledigt. Die gigantische Frau ist stets auf Draht, sexy, auffällig geschminkt und von atemberaubender Weiblichkeit. Sie betrachtet den Mann, spielt mit ihm, entscheidet über sein Schicksal (Leben oder Tod) oder lässt ihn auf die eine oder andere Weise ihre Gewalt spüren.

DIESE Werbespots sind in der Tat verführerisch; das heißt, sie bringen uns zum Lachen und liefern ein reizvolles Identifikationsschema vor allem für junge Frauen, die sich nicht mit der Hausfrauenrolle abfinden mögen und den Typus einer modernen Megäre vorziehen. Zeitgeistästhetik und provozierende Aussage verbinden sich hier zu einer extremen Parodie des Feminismus. Extrem, weil unrealistisch, phantastisch (Riesenfrau und Liliputanermann), aber auch, weil Sklaverei, Folter und Entwürdigung dargestellt werden. Die erste Übertreibung dient der zweiten als Grundlage: Wir befinden uns in einer fiktiven Welt, darum darf auch Gewalt gezeigt werden. Mit Kookaï sind wir also in die Parodie der Parodie des Feminismus eingetreten, in der uns der Mann bzw. Mensch im buchstäblichen Sinne als Objekt vorgeführt wird. Eine Art Parodie zweiten Grades, die uns die mehr als ungewöhnliche Umkehrung der männlichen Dominanz zeigt (Männer in der Hand von übermächtigen Frauen) und die ein trauriges Licht auf das Schicksal der Menschheit wirft: unterjochen, foltern, töten. Die Werbung arbeitet mehr mit Inversion als mit Transgression. Sie ästhetisiert sowohl Gewalt gegen Frauen als auch das „Gegenteil“.

Diese Ästhetik haben die Medien unter der Bezeichnung „Edelporno“ übernommen. Versace, Gucci, Dior, Ungaro, Weston und andere stehen der Werbung für eine Sahnesoße der Marke Babette in nichts nach, wo es in etwa heißt: „Babette, ich binde sie, ich schlage sie, und manchmal kocht sie auch.“ Das Magazin Elle kündigte im Inhaltsverzeichnis seiner Ausgabe vom 8. März 2001 eine Meinungsumfrage über Gleichberechtigung an und setzte eine Werbung (für Iceberg) dazwischen, die den Auftakt zu einer kollektiven Vergewaltigung darstellt. Eine Frau – umringt von fünf Männern, die nur Slip und Sonnenbrille tragen, von denen einer die Frau (sie trägt ein Abendkleid und ist geschminkt wie die Bardot in ihren besten Jahren) bei der Wade gepackt hält. Der einzige vollständig angezogene, ganz in Schwarz gekleidete Mann hält die Taille der Schönen umklammert. Gleich daneben steht ein Bett.

In derselben Ausgabe wird ein Artikel über geschlagene Frauen von einer Versace-Werbung eingeleitet: zwei Frauen in üblem Zustand; die eine (von der man nur den strapsverzierten Hintern und die türkisfarbenen Pumps sieht) liegt zusammengekauert da; die andere (weiße Haut und graue Haare) sitzt auf einem Doppelbett. Türkis gekleidet, schaut sie uns aus einem Auge an. Das andere ist zugequollen, sie böse zugerichtet. Für die Zeitschrift Numéro Homme (Nr. 1, Frühjahr/Sommer 2001) haben die Werbeschöpfer – Zielgruppe verpflichtet – die männliche Version ausgewählt: diesmal ist es ein Mann, der neben der schönen Strapsträgerin auf dem Bett sitzt. Nur dass er kein blaues Auge hat.

VALÉRIE BRUNETIÈRE

Dozentin an der Universität Paris V – Descartes Redakteurin der Zeitschrift Lunes

Le Monde diplomatique vom 11.05.2001, von VALÉRIE BRUNETIÈRE