11.05.2001

Andreas Gursky

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Andreas Gursky

Andreas Gurskys Werke sind verführerisch schön. Doch das, was die Verführung der Bilder ausmacht, macht sie zugleich undurchdringlich: die Totalität des Schönen, die Aufnahme aus der Totalen, die Auflösung alles Spontanen in absichtsvoll Konstruiertem und das Verschwinden alles Individuellen in der Masse. Dem Auge bleibt wenig, an das es sich heften, in das es sich einfühlen könnte.

Andreas Gursky vereint, pries einer der Ausstellungsmacher am MOMA kürzlich, die Antagonismen der heutigen Zeit aufs Trefflichste: dokumentarischen Realismus und digitale Manipulation, modernen Idealismus und postmodernen Skeptizismus, Kunst und Kommerz. Ob in Tokio, New York, Kairo, Stockholm, Hongkong oder Bonn – überall sucht das Auge der Kamera (mit Hilfe der Computertechnik) nach neuen Ansichten bekannter Bilder: im Warenhaus, an der Börse, im Schuhladen, in Hotel-Lobbys oder auf Rave-Konzerten.

Peter Galessi hat in seinem Vorwort zu dem soeben bei Hatje/Cantz erschienenen prächtigen Bildband den künstlerischen Werdegang im Rahmen der Nachkriegskunst und -fotografie nachgezeichnet Drei Schulen hat Gursky absolviert: Die technischen Grundkenntnisse erwarb er bei seinem Vater, der in Düsseldorf Werbefotograf war; nach einem ersten Studium an der Essener Folkwangschule ging er an die Düsseldorfer Kunstakademie zu Bernd Becher. Wie seine Studienkollegen Thomas Ruff, Candida Höfer und Thomas Struth arbeitete er früh mit Farbe. Die Entwicklung der digitalen Fotografie und eine intensivierte Auseinandersetzung mit der Malerei radikalisierten seine Kunst in den Neunzigerjahren: Gursky begann, seine Bildprojekte aus mehreren Aufnahmen zusammenzusetzen und mittels digitaler Bearbeitung zu verschmelzen.

Wer im Foto Bilder der Wirklichkeit sucht, wird von den neueren Kunstwerken Gurskys zunehmend aufs Glatteis geführt. Es überwiegt, mehr als früher, der Eindruck einer hochartifiziellen Scheinwelt. „Beließe ich es dabei“, sagt Gursky, „die Situation so wie gesehen abzufotografieren, liefe ich Gefahr, die Kunst zu verraten.“ M.L.K.

Le Monde diplomatique vom 11.05.2001, von M.L.K.