11.05.2001

Die süßeste Verführung

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Die süßeste Verführung

DIE Werbung bedient sich aller Arten von Wunschstrategien und schmückt sich mit den raffiniertesten Verführungstechniken. Sie ist Ideologieträgerin und Überzeugungsmaschine in einem. Ihr Lächeln und ihre gute Laune ziehen an, ja reißen mit: Ihre fröhlichen, erfolgsverwöhnten Gesichter machen all jene zu „Miesmachern“, die daran erinnern, dass die Reklame vor allem und zuallererst Propaganda ist für ein Gesellschaftsmodell, das dem Kapital, dem Markt und dem Konsum Götzendienste erweist.

In der Tat ist es der Werbung gelungen, ihren Wirkungsraum ständig zu erweitern. So lag zum Beispiel ihr letztjähriger Umsatz im Internet-Sektor in Frankreich bereits über dem der Werbung in den Kinosälen. Und als Sponsoring getarnt kennt ihr Einflussbereich längst keine Grenzen mehr: Still und klammheimlich hat sie die Kunst, die Kultur, die Wissenschaft, die Bildung, ja sogar die Religion erobert. Mit der Macht ihrer Investitionen hat sie bereits ganze Bereiche des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens in ihre Abhängigkeit gebracht – allen voran Sport und Medien, aber auch Forschung und Bildung.

Und sogar die Politik greift in Wahlkampfzeiten bereits auf ihre Künste zurück. Ist es etwa ein Zufall, dass der italienische Präsidentschaftskandidat Silvio Berlusconi die größte Werbefirma Italiens leitet?

Bei alldem sollten wir nicht vergessen, dass die Werbung die fragwürdigste aller Künste auf ihr Banner geschrieben hat: die der Manipulation des Menschen.

IGNACIO RAMONET

Lesen Sie hierzu das Dossier auf den Seiten 15-18 mit Beiträgen von Ignacio Ramonet, Dan Schiller,Marc Laimé und Philippe Rivière, Tom Frank, Marie Bénilde und Valérie Brunetière

Le Monde diplomatique vom 11.05.2001, von IGNACIO RAMONET