10.08.2001

Klimatisierter Kaufrausch

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Klimatisierter Kaufrausch

Von TOM FRANK *

Am Anfang war die Country Club Plaza. Die in den 1920er-Jahren in Kansas City errichtete, von ausgedehnten Wohnsiedlungen umgebene Anlage war damals das weltweit erste voll durchgeplante Einkaufszentrum für ein vom Auto abhängiges Vorstadtpublikum. Die Plaza bildete den zentralen Ort einer vorstädtischen Fantasielandschaft, wo sich die Häuser im Stil der französischen Provinz oder des schottischen Hochlands oder der Küste Virginias gaben, während das Einkaufszentrum selbst offensichtlich als Nachbildung des spanischen Sevilla gedacht war.

Ich bin in dieser Welt aufgewachsen, und ich fand nie etwas Eigenartiges daran, dass die Gegend „Country Club District“ hieß, dass es in den Wohnvierteln keine Bürgersteige gab und dass an den Straßen überall Versatzstücke aus dem alten Europa (Säulen, Statuen, Sonnenuhren usw.) herumstanden. Jahr für Jahr strömten wir in Scharen auf die Plaza, um den traditionellen Auftakt der weihnachtlichen Einkaufssaison zu begehen und dabei zu sein, wenn die weltberühmte Festtagsbeleuchtung eingeschaltet wurde. Damit die ganze Anlage aufgewertet und für das bessere Publikum attraktiv wurde, hatten profane Betriebe wie Lebensmittelgeschäfte oder Bowlingbahnen dichtmachen müssen.

Das Country-Club-Konzept war einer der ersten Versuche, etwas gegen die Ödnis zu unternehmen, die in der Innenstadt von Kansas City herrschte: Man schuf ein fast ausschließlich von betuchten Weißen bewohntes Wohngebiet mit guten Schulen und Schwimmbädern und privaten Polizeikräften, wo die Immobilienpreise nicht verfallen konnten. Und dieses Konzept ging auf, es funktionierte so gut, dass die Anlage heute ein Ziel für Touristen aus dem gesamten Mittleren Westen ist.

Was mit der Plaza begann, setzt sich heute hundert Straßenblocks weiter nach Süden und Westen fort. Hier fressen sich die Vororte von Kansas City Meile um Meile in das ehemalige Farmland hinein, gigantische Einkaufszentren, verspiegelte Bürogebäude und Wohnviertel für die Besserverdienenden säumen die sechsspurigen Stadtautobahnen, die fast schon den Ring um die Stadt geschlossen haben. Auf einst entlegenen Hügeln wuchern neue Villenanlagen, und an den belebten Straßenkreuzungen, die vor einem Jahr noch gar nicht existierten, entstehen Maklerbüros, farbenfrohe Filialen von Restaurantketten und teure Delikatessengeschäfte.

Auf der Fahrt zum Oak-Park-Einkaufszentrum – mit 150 000 Quadratmeter Verkaufsfläche die größte derartige Anlage im Großraum Kansas City – kam ich nur an einem einzigen unbebauten Grundstück vorbei, überwachsen von Präriegras, das von der Hitze schon ganz braun war. Einen Moment lang wollte ich dieses unlogische Versäumnis ergründen, herausfinden, wie dieses eine Grundstück von den Immobilienspekulanten hatte übersehen werden können. Stattdessen tauchte ich in die tiefgekühlte Atmosphäre des Nordstrom-Kaufhauses ein, wo das gut gebaute männliche Begrüßungspersonal mich willkommen hieß im erlauchten Kreis von Typen, die exklusive Herrenparfüms benutzen und sich in holzgetäfelten Verkaufsräumen zu den Klängen von Alternativrockschnulzen teure Sonnenbrillen aussuchen.

Je weiter ich in die Oak-Park-Einkaufsmeile vordringe, desto mehr internationale Firmen lerne ich kennen, die dieses vorstädtische Reich beherrschen. So stoße ich zum Beispiel auf ein Geschäft namens Warner Bros. Studio Store, eine freundliche Einzelhandelsfassade für das gewaltigste aller Kultur-Megakonglomerate, nämlich AOL Time Warner. Das Geschäft hat offenbar nicht so sehr die Aufgabe, Produkte zu verkaufen, als vielmehr die, den Konsumenten auf die zahllosen Möglichkeiten hinzuweisen, mit den Markenzeichen dieser großartigen Firma in Kontakt zu treten. Statt, sagen wir, Sportschuhe zu unterschiedlichen Preisen von verschiedenen Herstellern anzubieten, offeriert dieses Geschäft alle nur erdenklichen Artikel – Uhren, Schlüsselanhänger, T-Shirts –, die mit dem Konterfei von Bugs Bunny, Daffy Duck und all den anderen liebenswerten Comic-Helden von AOL Time Warner verziert sind. Welcher Platz in dieser Welt der Firmen und Marken uns Kunden zugedacht ist, geht mir dann in der Mach-dir-einen-Bär-Werkstatt auf, wo mich eine übertrieben fröhliche Hostess gleich am Eingang dazu einlädt, einen Teddybären zusammenzubasteln. Ich könne mich, erklärt sie mir, für eines der verschiedenen Modelle, einen der verschiedenen Stoffe und eine der Tonkassetten entscheiden und daraus die wunderbarste Kombination verfertigen. Und als ich am Ende aufgefordert werde, diesen putzigen Ausdruck meiner Wahlfreiheit in das große elektronische Teddybären-Melderegister einzutragen, ist der Beweis erbracht, dass Individualismus ein Fließbandprodukt ist.

Heute ist die Zersiedelung der Stadtregionen natürlich überall in den USA ein normales Phänomen. Die erste geschlossene Mall wurde Ende der Fünfzigerjahre von einem Bauunternehmer in Minneapolis ersonnen, und zwar hauptsächlich aus Gründen der Effizienz und des Kundenkomforts angesichts des harten Winterklimas im Norden der USA. In den darauf folgenden vierzig Jahren erlebte die architektonische Form der Mall zwischen New York und Los Angeles eine phänomenale Blüte. Dabei gab es nur wenige Abweichungen von ihren obligaten Grundelementen: ein riesiger, schachtelartiger Baukörper, umgeben von Parkflächen, die für die maximal erwarteten Kundenmengen ausreichen; zwei oder mehr „Anziehungspunkte“ – in der Regel große Kaufhäuser – an den Enden des Gebäudes und dazwischen diverse Boutiquen; ein „Speisehof“, in dem die Kunden die Auswahl zwischen einer Unmenge von Fastfood-Restaurants haben; keine ornamentalen Elemente an der Außenseite der Gebäude, während sämtliche architektonischen Ideen und Neuerungen für das voll klimatisierte Innere reserviert sind.

Authentizität als Markenartikel

DIE Plaza war das inspirierte Werk eines einzigen prometheischen Bauunternehmers. Demgegenüber ist die moderne Shopping-Mall vielleicht die am intensivsten studierte und erforschte, aber auch die raffinierteste aller künstlich gestalteten Welten. Vom Bau und vom Betrieb solcher Malls lebt inzwischen ein ganzer Industriezweig, und ungehemmtes Einkaufen gilt heute als genauso elementarer Bestandteil des amerikanischen Wohlstands wie billiges Benzin. Deshalb beschäftigen Einzelhandelsgeschäfte und Werbeagenturen tatsächlich Anthropologen, die unser Einkaufsverhalten studieren. Deshalb werden die Soundtracks, die uns beruhigen oder auf Trab bringen sollen, so sorgfältig ausgewählt. Und deshalb wird jedes Schaufenster, jedes Plakat, das in einem Geschäft hängt, von den Firmenzentralen genau getestet, bevor es seine Wirkung bei den Käufern in den Vorstädten von Houston oder Philadelphia tun soll. Von der Beleuchtung über die Topfpflanzen bis zur Mischung der verpachteten Geschäfte wird hier nichts dem Zufall überlassen. Nichts ist, wie es ist, nur weil irgendjemand dachte, es sähe so eigentlich ganz gut aus.

Solche Malls und die Zersiedelung, die sie zur Folge haben, sind gewissermaßen das bauliche Abbild des modernen, raffinierten Raubtierkapitalismus. Doch seltsamerweise wird diese auf der Mall basierende Ordnung in einem Großteil der jüngeren US-amerikanischen Suburbia-Literatur (vgl. etwa Joel Garreau, „Edge City“) als eine Art Ausdruck des Volkswillens angesehen. Man müsse Malls nicht unbedingt mögen, heißt es da, aber sie seien eben ein Produkt des Markts, und da Markt nichts anderes als die freie Auswahl bedeutet, sind Malls eben das, was herauskommt, wenn man den Leuten erlaubt, sich frei zu bewegen und frei zu entscheiden. Die Malls sind wir.

Dieses Argument verkommt rasch zum gängigen Marktpopulismus, bei dem die virtuellen „kleinen Leute“ als Rechtfertigung des Kapitalismus herhalten müssen, während jede Kritik an der ungehinderten Ausbreitung der Vorstädte als selbstgerechtes Elitedenken abgetan wird. Die Diskussion über die Zersiedelung wird so zum Klassenkampf, in dem eine Bande egomanischer, snobistischer Linker, die nun einmal auf das Planen abgefahren sind und zu wissen meinen, was für die Menschheit am besten ist, sich gegen die wirklichen Menschen stellt, die sich für die Mall entschieden haben. Dieser ideologische Reflex ist so selbstverständlich geworden, dass sich ein umstrittener Mall-Architekt selbst als „der Architekt des Volkes“ bezeichnet.

Aber das Bild stimmt nicht ganz. Wenn man die Menschen über die Zersiedelung befragt, stellt sich bald heraus, wie sehr ihnen die ganze Entwicklung zuwider ist. Kaum jemand glaubt heute noch, die städtische Misere ließe sich dadurch beseitigen, dass man die Menschen noch weiter über den Stadtrand hinaustreibt, ihnen noch eine neue Mall errichtet, ihnen noch ein Billighäuschen zusammenschustert, damit sie dann den ganzen Tag zwischen ihrem Arbeitsplatz und ihrer vorstädtischen, mit winzigen Bäumen bepflanzten Wohnstraße hin- und herpendeln müssen. Junge Menschen, die es sich leisten können, ziehen scharenweise in genau die Innenstädte zurück, denen ihre Eltern den Rücken gekehrt haben – und treiben die Immobilienpreise in die Höhe. Und von den Menschen, die in den Vorstädten bleiben, wünscht sich keiner weitere Neubausiedlungen, die den Verkehrsstau auf den Ausfallstraßen noch schlimmer machen würden.

Diese neue Anti-Suburbia-Stimmung wird man selbst dann spüren, wenn man noch nichts über die neue Bewegung gegen die Zersiedelung gehört hat. Die Verbraucher reagieren zunehmend verdrossen und zynisch auf das Vorstadtleben und haben keine Lust auf noch ein gesichtsloses Einkaufszentrum. Sie wollen etwas erleben, statt nur auf Geschäfte und Restaurants zu stoßen. Sie wollen das Gefühl haben, woanders zu sein – also gerade nicht inmitten der ewig gleichen Wohnstraßen und Fertighäuser ihrer Vorstädte.

Für die Fahrt von meinem Haus im Süden von Chicago zur Woodfield Mall im Vorort Schaumburg, Illinois, brauchte ich normalerweise anderthalb Autostunden. Die Mall ist in den frühen 70ern gebaut worden und war mit ihren fünf Großkaufhäusern und über 200 000 Quadratmeter Verkaufsfläche noch vor zehn Jahren die größte Shopping-Mall der Welt (heute liegt sie nur noch an dritter Stelle). Neben dem Hauptkomplex der Mall gibt es auf dem Areal inzwischen noch mehrere kleinere Ableger-Malls und eine unübersehbare Anzahl von angrenzenden Geschäftszentren. In jedem einzelnen Laden und in jedem einzelnen Restaurant dieses Konglomerats läuft das immer gleiche Programm ab: der Verkauf von abgepackter Authentizität und dosierter Rebellion gegen das Leben in den Vorstädten. Wer in einer der eintönigen Siedlungen wohnt und seine Arbeitsstunden in einem der Bürokästen verbringt, kann sich in dieser (oder jeder anderen) Mall der Illusion hingeben, ein allen Regeln trotzender Bilderstürmer zu sein, ein hartgesottener urbaner Individualist, eine Person mit erlesenem Geschmack, ein einsamer Wolf unter ängstlichen Herdentieren. Von außen betrachtet ist „Schaumburg“ das Kürzel für alles, was an der Suburbia-Welt konformistisch und seelenlos und falsch ist, und dabei ist dieses Schaumburg ein rauschender Erfolg, gerade weil es die kulturellen Gegenmittel gegen Konformität, Seelenlosigkeit und Falschheit zu bieten vorgibt.

Was einem in der Woodfield Mall als Erstes auffällt, ist die Tatsache, dass hier praktisch jeder seine individuelle Note pflegt. Der Verkäufer Fred, der mich im Marshall-Field-Kaufhaus bedient, hat einen kahl rasierten Schädel mit einem winzigen Pferdeschwanz am Hinterkopf. Im selben Geschäft steht eine Mannequinattrappe mit dem kühnen Spruch: „Ich bin, was ich bin.“ Die Teenager, die hier herumlaufen, haben durchweg Schnauzbärte, Piercings oder Tätowierungen. Und was die Krawatten betrifft, so halten es die Männer mit Keith-Haring-Designs und „Global Peace“-Motiven. Selbst „Lane Bryant“, eine Boutique für übergewichtige Frauen, bietet Modelle namens „Revolution in Denim“ an und T-Shirts mit dem schlichten Aufdruck „Rebel“.

Diese Rebellionsmasche hat für die Läden natürlich nur Sinn, weil sie zugleich immer wieder auf die öde Kultur von damals anspielen, als alles noch nicht hip war. Deshalb konfrontieren uns etliche Geschäfte in der Woodfield Mall auf Schritt und Tritt mit anschaulichen Bildern der sinnlosen Leere des früheren Vorstadtlebens. Ein Geschäft namens „Lucky Brands“ imitiert die unschuldig daherkommende Reklamekunst der Fünfzigerjahre und zieht altertümlichen Schaufensterpuppen – mit einem breiten, unschuldigen Lächeln im Gesicht – Jeansmode an, die ganz besonders hip ist. Und der Fossil-Laden, der alles mögliche verkauft, dekoriert sich mit zahllosen parodistischen Versionen altmodischer Markenzeichen und Plakate mit dümmlichen Stewardessen, die glücklich mit Taschentüchern winken, und mit fröhlichen Männern, die unter ihren Filzhüten hervorgrinsen.

Statt der öden, alten Welt wird uns eine alternative, authentische, extreme Welt geboten. Im „Vans Shop“, einem der zwei Geschäfte für den passionierten Skateboarder, können jugendliche Skater tatsächlich in einer Halbröhre aus Sperrholz herumkurven. Noch vor ein paar Jahren galt das Skaten unstrittig als gemeingefährliche Betätigung, heute ist es in der Mall zu Hause wie alles andere auch: gebannt in die immer gleiche sinnlose Suche nach der verlorenen Seele.

Jedes einzelne Restaurant ist sein eigener Themenpark, und jedes dieser Themen wird als kühner Bruch mit der Normalität angepriesen. Die normalen Bewohner der Vorstädte mögen fades Weißbrot aus dem Supermarkt essen, aber hier lässt man in aufgedonnerten Läden wie „The Corner Bakery“ oder „Au Bon Pain“ die gewöhnliche Welt der Konformisten hinter sich und darf sich in das gute alte Stadtviertel versetzt fühlen, in dem man noch das knusprige Brot europäischer Machart bekommen konnte. Im „Rainforest Café“ speist man im unberührten Amazonasdschungel; chinesische, japanische, italienische, ja sogar kalifornische Küche – alles zu haben. Überall bieten kleine lokale Brauereien eine romantische Alternative zum faden Budweiser. Im Restaurant „Vie de France“ konnte ich sogar ein Häppchen künstlicher Pariser Atmosphäre genießen, als ich an einem Tisch auf dem Bürgersteig saß und einen essigsauren Merlot schlürfte, während gestylte Teenager unter den grellen Halogenleuchten ihre nervösen Runden drehten.

Es sind jetzt gute Zeiten für „überregionale“ Malls wie Woodfield und Oak Park. Aber die Besitzer anderer Shopping-Center haben die letzten zehn Jahre als eine Ära der Enttäuschung und des Niedergangs erlebt. Die Firmen haben ihre Angestellten heute stärker unter Kontrolle als in den Jahrzehnten davor, und so bleibt den meisten Amerikanern immer weniger Zeit, sich in den klimatisierten Passagen der örtlichen Shopping-Mall zu ergehen. Heutzutage wollen sie einfach billig kaufen, ohne das ganze Theater. Die Antwort auf dieses Bedürfnis ist eine explosionsartige Ausbreitung von „Big Box“-Großhandelsmärkten, wo die Ware in Kartons und auf Paletten gestapelt ist, sowie von riesigen Läden, die ein umfassendes Sortiment von Super-Discount-Angeboten – in einem engen Produktsegment wie etwa Spielzeug oder Bürobedarf – in einer Art Lagerhalle anbieten (und damit dem Fachhandel den Garaus machen).

Bei meinem Besuch in Kansas City habe ich mir einen dieser Warenmärkte angesehen. Der Costco-Großhandelsmarkt gehört zu den „Big Box“-Geschäften, die ihre fixen Kosten radikal zusammengestrichen haben, indem sie auf überflüssige Dinge wie Dekor und raffinierte Vitrinen verzichten. Hier türmen sich bergeweise Clorox-, Tide- und Colgate-Packungen, bar jeglichen Markenzaubers und gestapelt bis unter das zehn Meter hohe Hallendach. Normalerweise findet man solche „Big Box“-Märkte in den städtischen Randzonen, wo der Baugrund billig ist. Diese Costco-Filiale liegt allerdings mitten in Kansas City, und zwar genau in einem Wohnviertel mit Apartmenthäusern und einer Kneipenszene. Genau da, wo heute der Costco-Parkplatz ist, stand früher das legendäre „Milton’s“, schon damals das letzte Überbleibsel der Jazzszene der 1930er-Jahre um Count Basie und Charlie Parker. Der Besitzer der Bar hatte bis in die Neunzigerjahre hinein an seinem Konzept festgehalten: billige Drinks, schummriges Licht, eine große Plattenkollektion, ein authentisches (und nicht etwa ironisch gemeintes) Dekor der 1940er-Jahre – und jede Nacht eine Jazz-Session. Hätte sich das „Milton’s“ zum Franchiseunternehmen einer landesweiten Restaurantkette innerhalb einer Mall gemausert, dann hätte sich der Laden vielleicht halten können. Aber da er einfach so an einer Straße lag, schien er allem im Wege zu sein, was nach den damaligen Maßstäben der Stadtentwicklung als risikolos und erstrebenswert galt. Und so musste das Objekt am Ende dem Fortschritt weichen – heute ist dort ein Parkplatz.

Doch im Zuge des allgemein wachsenden Widerwillens gegen die Malls scheint sich heute ein neuer Konsens herauszubilden, wonach Amerika ein urbanes Modell braucht, in dem es Wohnungen gibt und die unterschiedlichsten Geschäfte. In Schaumburg ist bereits ein neues Viertel namens „The Streets of Woodfield“ entstanden – die Kopie eines alten Stadtzentrums mit einer richtigen Straße, in der das Kino und das Restaurant und das Sportgeschäft direkt nebeneinander liegen. Das Ganze natürlich nicht unter freiem Himmel, sondern innerhalb eines großen Gebäudekomplexes. Offensichtlich ist die fantasievolle Imitation einer Stadt die architektonische Errungenschaft, die dem Ideal von Bürgernähe – jedenfalls für Amerikaner – am besten entspricht.

aus dem Engl. von Niels Kadritzke

*  Autor von „The Conquest of Cool: Business Culture, Counter Culture and the Rise of Hip Consumerism“, University of Chicago Press 1997, und „One Market Under God: Extreme Capitalism, Market Populism and the End of Economic Democracy“, New York (Doubleday) 2000.

Le Monde diplomatique vom 10.08.2001, von TOM FRANK