12.10.2001

New York, New York!

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New York, New York!

DER holländische Fotograf Kadir van Lohuizen, von dem die Manhattan-Fotos auf den Seiten 6, 9, 10 und 11 stammen, wollte ursprünglich Mitte September nach Serbien fahren – für eine Fotoreportage, ein Jahr nach Kostunicas Sieg. Normalerweise nämlich reist er nicht an Orte, die ohnehin im Brennpunkt der Aufmerksamkeit liegen. Fast wäre er nach dem 11. September, als er wie alle Welt seine Pläne über den Haufen schmiss, statt nach New York nach Pakistan gereist. Im Flugzeug nach New York noch hatte er den Plan, einen der heimlichen Helden, einen der unermüdlichen Leichenberger etwa, zu porträtieren, doch am Boden angekommen, merkte er schnell: Es war nicht erlaubt, mit diesen Leuten in Kontakt zu treten, wie es überhaupt drei Wochen nach den Attentaten nicht erwünscht ist, Bilder zu zeigen, die Schrecken, Trauer und Zerstörung einfangen.

Es gibt mittlerweile in der Öffentlichkeit eine heimliche Bildregie, sagt Lohuizen, die könnte lauten: Wir sind stark, wir arbeiten wieder, wir bauen unser Manhattan wieder auf.

Inzwischen ist das Fotografieren der Ruinen in der „Crime Zone“ (wie der Ort jetzt heißt) offiziell verboten, berichtet er. „Your equipment will be seized and you will be prosecuted“, steht auf den Verbotsschildern. Also fotografierte van Lohuizen die Menschen – und er stellte fest: Selbst Leute, die in Manhattan geboren sind, verirren sich plötzlich. Mit dem Attentat auf die Türme ist ihnen die Orientierung abhanden gekommen, nicht nur im örtlichen Sinne. Die Menschen versuchen, Normalität herzustellen. Große Notstromaggregate liegen dröhnend auf der Straße, alles telefoniert mit Handys. Doch es herrscht eine befremdliche Leere auf der Wall Street: Die Menschen bleiben weg, nicht zuletzt weil die Geschäfte fehlen. An der Endstation Wall Street ist die U-Bahn ist leer.

M. L. K.

Le Monde diplomatique vom 12.10.2001, von M. L. K.