Usbekistans gestärkte Rolle
DIE Eroberung von Masar-i Scharif durch die afghanische Nordallianz verstärkt die entscheidende Rolle, die Usbekistan bei den Operationen gegen Afghanistan zukommt. Die Stationierung von US-Flugzeugen und -Soldaten auf dem usbekischen Militärstützpunkt in Chanabadvon unterstreicht die wachsende Kooperation mit den USA, von der Präsident Islam Karimow schon lange träumt. Dank seiner zentralen Lage und seiner Armee wird Usbekistan seine strategische Rolle noch weiter aufwerten können.
Aber mit mehreren tausend politischen Häftlingen, einer permanenten Medienzensur und der Unterdrückung jeder Opposition betreibt Karimow auch eines der autoritärsten Regime auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR. Die weitgehend staatlich kontrollierte Wirtschaft befindet sich seit zehn Jahren im Niedergang. Zudem leidet das Land an einem „ideologischen Vakuum“, denn die Symbole der Sowjetzeit wurden lediglich durch einen Nationalismus ohne historische Tiefe ersetzt.
Seit Dezember 1997 wurden einige hundert Moscheen geschlossen und angeblich über 7 000 Muslime, Fundamentalisten wie einfache Gläubige, verhaftet. Die Repression verstärkte den Zulauf zu den Rebellen in Tadschikistan, die von dem Usbeken Dschuma Namangani angeführt wurde. Der hatte sich 1997, nach dem innertadschikischen Friedensabkommen ins tadschikische Karategin-Tal und nach Afghanistan zurückgezogen. Seine Islamische Bewegung von Usbekistan (IMU) griff 1999 im Süden Kirgisistans und im Sommer 2000 an anderen Fronten an. Ihre jüngste Offensive im Frühjahr 2001 stellten die Rebellen jedoch seltsamerweise in dem Moment ein, als mit einer großen Offensive gerechnet wurde.
Auf der Liste von 27 „terroristischen Gruppen“, die George W. Bush am 24. September 2001 veröffentlichte, stand auch die IMU, der die USA enge Verbindungen zu al-Qaida und den Taliban nachsagen. Jetzt befürchten humanitäre Organisationen, Usbekistan könnte die Grenzen schließen, eine Visumpflicht einführen und die ökonomische Zusammenarbeit mit den Nachbarn einschränken.
Jede Hilfe für die Nordallianz muss zwangsläufig den Weg über Tadschikistan nehmen. Die Hauptstadt Duschanbe ist seit 1997 das diplomatische Zentrum der afghanischen Opposition, die den Flughafen von Kulyb als Basis für ihre Luftflotte und logistische Zentrale nutzt. Doch anders als Usbekistan steht Tadschikistan unverändert stark unter dem Einfluss Moskaus, das Truppen in einer Stärke von 10 000 Mann stationiert hat und strategische Einrichtungen wie die Flughäfen, aber auch die Grenze zu Afghanistan kontrolliert.
Ein langer Krieg mit Afghanistan würde den inneren Frieden Tadschikistans gefährden, der auf der Machtteilung zwischen der Regierung und der vormals militanten islamistischen Opposition beruht. Der Vorsitzende der Islamischen Partei der Wiedergeburt, Said Abdollah Nuri, hat zwar die Aufrufe zum Dschihad zurückgewiesen, die US-Luftangriffe aber nicht befürwortet. Die Hardliner des Regimes könnten den Krieg ausnutzen, um die Islamische Partei der Wiedergeburt auszugrenzen. Das könnte die Islamisten stärken. Besorgt ist die Regierung auch über den wachsenden Einfluss Usbekistans, was die Konkurrenz um die Hegemonie in der Region verschärfen könnte.
Die Einmischung der USA in Zentralasien vermag kurzfristig die Macht der autoritären Regierungen zu stärken. Langfristig jedoch dürfte sie die Gesellschaften polarisieren, ohne den Dissidenten das Wasser abzugraben. Damit begeht Washington in Zentralasien dieselben Irrtümer wie im Nahen Osten: Indem man sich mit korrupten und unpopulären Machthabern verbündet, läuft man Gefahr, am Ende als „Feind“ aller veränderungswilligen Kräfte dazustehen.
dt. Passet/Petschner