GULag-Zeichnungen
DIE GULag-Zeichnungen musste ich natürlich unter Geheimhaltung machen. Niemand durfte davon erfahren. Schließlich habe das ja ich gemacht, ein Angestellter des MWD. Das war gefährlich, und obendrein war ich noch der ‚Sohn eines Volksfeindes‘, wie es von 1938 bis 1956 in meinen Papieren gestanden hat. Wenn ich an den Zeichnungen gearbeitet habe, stand ich immer unter Hochdruck. Wie ein trockener Schwamm habe ich alle Informationen über den GULag aufgesaugt“, erzählt der Kriminalpolizist Dancik Sergejewitsch Baldajew, von dem die Zeichnungen auf diesen beiden Seiten stammen. „Etwa ein Fünftel der Sachen habe ich selbst erlebt. [. . .] Alles andere ist Ergebnis meiner Nachforschungen. Ich habe mit Wärtern und Gefangenen gesprochen. [. . .] Für mich war das wie eine Jagd. Fast zwanzig Jahre habe ich daran gearbeitet.“
In über 150 Zeichnungen hat Baldajew, der als Kind die Erniedrigung der Folter am eigenen Leibe erfuhr, die Wirklichkeit der sowjetischen Lager - und deren Verarbeitung in der eigenen Fantasie - mit drastischen Ausdrucksmitteln zu Papier gebracht. Dabei bedient er sich gesellschaftlicher Stereotype, die er umkehrt, sowie ästhetischer Mittel sowjetischer Handbuchillustrationen und erzeugt eine sadistisch-brutale, gleichwohl ironisch gebrochene Pseudodokumentation. „Wirklichkeit“ ist – so scheint es – zuallererst immer eine Umkehrung der früheren Propaganda – und damit vielleicht ein neuer Ersatz?
Der Band: D. S. Baldajew, „GULag-Zeichnungen“ erschien 1993 bei Zweitausendeins (Postfach, 60381 Frankfurt Main). Zurzeit ist der Band nicht lieferbar, eine Neuauflage ist in Vorbereitung.