15.02.2002

Kerosinsteuer

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Kerosinsteuer

DAS Flugzeug gilt als das Massenverkehrsmittel, das am stärksten zur Klima katastrophe beiträgt. Klimaforscher vermuten, dass sich der durch Kerosinverbrennung verursachte Kohlendioxidausstoß bis 2050 verzehnfacht haben wird. Erst seitdem auch das IPCC (International Panel on Climate Change) vor den Folgen des Luftfahrtbooms warnt, denkt die Internationale Luftfahrtorganisation (IAO) über ökologische Schutzmaßnahmen nach. Eine Kerosinsteuer könnte die Eindämmung der die Atmosphäre belastenden Abgase bewirken, die durch den stetig anwachsenden und energieaufwendigen Flugverkehr verursacht werden.

Im Chicagoer Abkommen von 1944, mit dem das internationale Luftverkehrsrecht kodifiziert wurde, beschloss man, das Flugbenzin von der Mineralöl- und Mehrwertsteuer zu befreien. Diese Regelung ist sowohl im EU-Recht als auch in den bilateralen Luftverkehrsabkommen verankert. Solche Steuerbegünstigungen für Luftfahrtgesellschaften sind schon deshalb schwer nachvollziehbar, weil sie andere Verkehrsträger eindeutig benachteiligen.

In Deutschland setzen sich Umweltorganisationen und Bundesregierung seit mehreren Jahren für eine Kerosinbesteuerung bzw. für emissionsbezogene Klimaschutzabgaben im Luftverkehr ein und fordern die Ratifizierung des Kioto-Klimaschutzprotokolls von 1997. Der Bundestagsausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen verabschiedete schon 1997 einen Antrag, der eine Kerosinbesteuerung auf internationaler Ebene forderte. Dabei plädierten SPD und Bündnisgrüne dafür, die Wettbewerbsbedingungen für den Flugverkehr und die übrigen Verkehrsträger gleichzustellen. Dies setze allerdings die weltweite Aufhebung des Chicagoer Abkommens voraus, was wenig wahrscheinlich sei.

Da also eine analoge Regelung zur Benzinsteuer im Rahmen des internationalen und europäischen Rechts schwer durchzusetzen ist, formulierten die Bündnisgrünen einen Alternativvorschlag für eine europaweite Flugverkehrsabgabe, die ähnlich wie eine Kerosinsteuer wirken, jedoch die bilateralen Abkommen umgehen würde. Sie liefe auf eine Art Klimaschutzabgabe hinaus, die auf die Gesamtemissionsmenge aller Flüge zu berechnen wäre, wozu noch eine Gebühr für Start-und-Lande-Bewegungen auf EU-Flughäfen hinzukäme. Diese Abgaben sollen zum einen Anreize zu Energie sparenden Techniken im Flugverkehr bieten, zum anderen den Bau von schadstoffärmeren Flugzeugen vorantreiben.

Nach Ansicht von Mineralöl- und Luftfahrtindustrie soll jedoch die Finanzierung der Infrastruktur des Luftverkehrs weiterhin weltweit über Gebühren erfolgen, die von den Flughäfen erhoben werden. Diese Kräfte wenden gegen die Kerosinsteuer ein, sie verzerre den internationalen Wettbewerb. Ein Alleingang der Bundesregierung oder auch der EU in Sachen Flugtreibstoffbesteuerung liefe auf eine einseitige Belastung für die europäischen Luftverkehrsunternehmen hinaus. Die daraus resultierenden Unterschiede der Treibstoffpreise würden die Fluggesellschaften veranlassen, auf steuerfreie Staaten auszuweichen. Damit wäre die europäische Wirtschaft gegenüber der internationalen Konkurrenz benachteiligt.

Die Einführung der Steuer auf EU-Ebene würde also nach Aussage der interessierten Branchen bedeuten, dass Flugzeuge nicht mehr optimal nach Bedarf betankt werden. Zudem würden die Gesellschaften, um steuerfreies Kerosin aufzutanken, womöglich Umwege oder sogar zusätzliche Flüge in Kauf nehmen, was wiederum erhöhten Kerosinverbrauch und höhere Emissionen bedeuten würde. Zudem würden immer mehr Passagiere angesichts der verteuerten Flugpreise auf ausländische Luftfahrtunternehmen ausweichen.

In der Debatte um eine Kerosinsteuer prallen also zwei ausgesprochen konträre Standpunkte aufeinander. Alternativvorschläge wie die der Bündnisgrünen könnten zwar unter bestimmten Rahmenbedingungen die CO2-Emission verringern und zu einem ökologisch verantwortungsvolleren Konzept des Flugverkehrs führen. Doch die Argumente der Gegenseite, die auf den internationalen Wettbewerb verweisen, werden solchen ökologisch verantwortungsbewussten Konzepten angesichts des Globalisierungsgrades der Luftfahrtbranche die Flügel stutzen.

E. W.

Le Monde diplomatique vom 15.02.2002, von E. W.