15.03.2002

Drogen-Endmarkt Europa

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Drogen-Endmarkt Europa

IN Frankreich haben 23 Prozent aller Häftlinge Heroin konsumiert, 20 Prozent der Drogenkonsumenten sind HIV-positiv. In Europa sterben 7 000 bis 8 000 Drogenabhängige alljährlich an einer Überdosis oder an Vergiftung. Marginalisierung, Kriminalität, Infektionskrankheiten, Tod – gemessen am relativ geringen Heroinkonsum sind die sozialen Folgen außerordentlich gravierend.

Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) schätzt die Zahl der „problematischen Drogenkonsumenten“ je 1 000 Einwohner in Großbritannien, Italien und Portugal auf fünf bis acht, in Frankreich, Spanien und Irland auf drei bis fünf, in Deutschland, den Niederlanden und Belgien auf zwei bis drei; einbezogen wurden dabei injizierende Drogenkonsumenten und regelmäßige Konsumenten von Opiaten, Kokain und Amphetaminen, nicht aber Gelegenheitskonsumenten und Konsumenten von Ecstasy oder Cannabis. (Quelle: http://annualreport.emcdda.org/multimedia/Annual_Report_2001/ar01_de.pdf)

Die Sterblichkeitsziffer bei „Junkies“ liegt 20- bis 30-mal höher als im Bevölkerungsdurchschnitt. Im Winter 2000/2001 kamen 43 Briten und Iren durch Heroin ums Leben, das mit giftigen Substanzen verschnitten war. Die verheerenden Folgen des Heroinkonsums scheinen dank der ausführlichen Medienberichte und Kampagnen abschreckend zu wirken. In den meisten Ländern der Gemeinschaft stagniert der Konsum oder ist rückläufig – mit Ausnahme von Irland und Finnland.

„Hat der Mensch zuerst das Feuer oder die Drogen erfunden?“, fragt ein Anti-Drogen-Clip der französischen Behörden, der Höhlenmenschen beim Kiffen zeigt. Dem sozialen Phänomen Drogenkonsum ist mit bloßer Repression nicht beizukommen. Die EU-Beobachtungsstelle konstatiert, dass „Länder mit einer liberaleren Drogenpolitik wie die Niederlande und Länder mit einer restriktiveren Politik wie Schweden kaum unterschiedliche Prävalenzraten aufweisen“. Dagegen habe sich die Substitutionsbehandlung, etwa mit Methadon, als effektiv erwiesen und trage zur „Vermeidung der Beschaffungskriminalität bei Abhängigen, zur Verbesserung ihres gesundheitlichen Zustands und ihrer sozialen Integration“ bei.

In Großbritannien wird Heroin in Einzelfällen verschrieben, in den Niederlanden, Luxemburg und Deutschland sind Modellversuche im Gang oder geplant. Als in Bremen 1997 an einem einzigen Tag fünf Drogenabhängige an einer Überdosis starben, regten die Polizeipräsidenten von zehn deutschen Großstädten an, Heroin auf Rezept zu verteilen, um die Drogenabhängigen besser integrieren, die Qualität der Drogen überwachen und den Markt austrocknen zu können.

C. G.

Le Monde diplomatique vom 15.03.2002, von C. G.