Thomas Demand, „Hof“
ALS Erstes das Klicken eines Kameraverschlusses. Ein Blitzlicht. Im Vordergrund, unscharf, blaues Blattwerk. Dann wieder Nachtdunkel und Stille. In diese hinein ein anschwellender Ton – Menschenstimmen, Motoren, Hubschrauber. Die Kamera blickt jetzt auf einen halb dunklen, eingezäunten Hof. Sie wird justiert. Während der Ton anschwillt, schwenkt die Kamera weiter. Der Ton erreicht seinen Höhepunkt, das Klicken der Kameraverschlüsse überschlägt sich, ein Blitzlichtgewitter taucht die ganze Szene in Blau. Doch die Sensation, zu der sich Menschen und Medien versammelt haben, ist nicht vorhanden. Es wird wieder still, die Filmkamera gleitet weiter ins Nachtdunkel, das ein letztes Mal – ein Filmbild lang – von einem einsamen Klick und Blitz durchzuckt wird. Dann beginnt die Abbildung des Nicht-Ereignisses – leicht abgewandelt – wieder von vorn.
Vordergründig evoziert Thomas Demand in dem Video „Yard“ die Nacht vom 29. Juni 2001, als Slobodan Milošević im Haager Gefängnishof eintraf. Nur: Milošević fehlt, und die ganze Szenerie ist künstlich: der Ton, das Blitzlichtgewitter, selbst der Hof – nachgebaut aus Pappmaché. Durch seine Rekonstruktion obduziert Demand die Bilder unseres kollektiven Gedächtnisses: Getreu dem Grundsatz, die Lüge der Kunst repräsentiere eine höhere Art von Wahrheit (Nietzsche), tilgt er die realen Personen und Orte der Zeitgeschichte. Seine eineinhalb Minuten dauernde Videoarbeit präsentiert die leerlaufende Sensationsgier auf der Suche nach dem Ereignis. M. L. K.