Sue de Beer
„Hans und Grete“ waren einst die Spitznamen von Andreas Baader und Gudrun Ensslin. „Hans und Grete“ lautet der Titel, den die Amerikanerin Sue de Beer (geb. 1973) ihrem Video über jugendliche Amokläufer gegeben hat. Die Geschichten, die sie darin erzählt, sind eine Mixtur aus Grimms Märchen, RAF-Mythologie und gegenwärtiger gesellschaftlicher Wirklichkeit: verstoßene Kinder, die zu mörderischen Helden werden.
Um sich der Gewalt zu nähern, so die letztjährige Philip-Morris-Preisträgerin, muss sie Geschichten erzählen. Dabei verwendet sie Motive aus Kino und Kinderzimmer, aus Popmusik und Jugendkult, verwoben mit den Mythen der Siebzigerjahre. Heraus kommt eine grelle Mischung aus Gefühl, Kitsch und Gewalt.
Doch damit die Geschichten uns erreichen können und nicht in den Diskursen über Gewalt, Medien usw. versteinern, hat Sue de Beer mit surrealen Mitteln unsere Seh- und Denkgewohnheiten außer Kraft gesetzt. Die Klage etwa, dass die Jugendlichen nicht zwischen Wirklichkeit und virtueller Welt ihrer Computerspiele unterscheiden können, hat Sue de Beer transponiert: Ihre Protagonisten haben die Welt ihrer Mythen und Kuscheltiere zur Wirklichkeit erhoben: völlig vertieft darin, ihrem Plüschtier eine Zigarette anzustecken oder es – in einer anderen Sequenz – blutrot-triefend umzubringen.
Der häusliche Terror, in dem ihre Protagonisten agieren, ist die Konsumwelt aus Sex, Drogen, Hardrock, Lebkuchenherzen und Gartenzwergen –jene Accessoires, die in der vorherrschenden Kälte für Momente Ersatzwärme suggerieren. Jeder ist ganz allein mit sich beschäftigt und damit, ob er seine Performance in der Welt hinbekommt.
M.L.K.