09.08.2002

Prävention und Reklame

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Prävention und Reklame

DIE großen Werbetafeln entlang der Autobahnen sind nicht zu übersehen. In grellen Farben verkünden sie merkwüdige Botschaften wie: „Welcher deiner Liebhaber entscheidet über deine Zukunft?“ Oder: „Das ist nicht das Ende deiner Welt“ – daneben liegt ein zerbrochenes Herz. Unterlegt sind die Plakate mit dem Logo: loveLife.

„Wir haben fünf Jahre, um den Trend der Epidemie umzukehren, aber dafür müssen wir überall gleichzeitig sein und massiv auftreten.“ Im ersten Stock des Hauptquartiers von loveLife in Johannesburg erklärt Dr. David Harrison die Strategie seiner Organisation: „Die Zahl der Neuinfektionen wird nur dann abnehmen, wenn wir die 12- bis 17-Jährigen dazu bewegen können, ihr Verhältnis zur Sexualität zu verändern. Die südafrikanischen Jugendlichen interessieren sich für die Medien, für Marken. Deshalb positionieren wir uns als Konkurrenz zu Diesel, Nike oder Guess. Unser Produkt ist ein positiver Lebensstil der Marke loveLife.“ Im Erdgeschoss ist ein Callcenter, in dem alle Sprachen Südafrikas zu hören sind. Hunderte von Jugendlichen suchen Antworten auf ihre Fragen zu Liebe, Treue, Sexualität, Geschlechtskrankheiten.

Die Ethnologin Suzanne Leclerc-Madlala kritisiert das Konzept: „Diese Botschaften sind perfekt abgestimmt – auf die Jugendlichen in Paris oder Boston.“ Andere Hochschullehrer empören sich über die „Geldverschwendung“ und sehen in loveLife „eine Gefahr: Sie bieten hohe Gehälter, monopolisieren einige Aspekte der Aidsbekämpfung und graben den anderen Organisationen dadurch das Wasser ab. Wir brauchen aber einen pluralistischen und nachhaltigen Ansatz, der an die örtlichen Gegebenheiten angepasst ist, so wie in Uganda.“ In Orange Town, einer Township rund 40 Kilometer südlich von Johannesburg, unterhält loveLife das einzige Jugendzentrum weit und breit. Hier können Kinder und Jugendliche Sport treiben, diskutieren, Informatikkurse besuchen – und sich Präservative abholen. Abgesehen von 50 Prozent der Werbeeinnahmen der Zweimonatszeitschrift S‘camto Print finanziert sich keines dieser Projekt aus eigenen Mitteln. Der Löwenanteil der Gelder stammt von zwei amerikanischen Stiftungen: der Henry J. Kaiser Family Foundation und der Bill & Melinda Gates Foundation.

Ph. R.

Le Monde diplomatique vom 09.08.2002, von Ph. R.