13.12.2002

Umweltschutz in Kamerun

zurück

Umweltschutz in Kamerun

EUROPÄER jeglicher politischer Provenienz wundern sich häufig, dass es in Afrika Umweltschützer gibt. In ihren Augen ist Umweltschutz eine Sache der Industriegesellschaften. Doch auf dem Schwarzen Kontinent existiert durchaus ein ökologisches Bewusstsein. Und das hat tief greifende Ursachen: zum einen den Bruch mit den traditionellen Werten und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, besonders durch ausländische Firmen, die mit afrikanischen Machthabern kooperieren; zum anderen das Scheitern der Demokratisierung, was zur Folge hatte, dass Vorstellungen von Allgemeinwohl und Gemeinnützigkeit nie aufkommen konnten.

Im Volksglauben der traditionellen afrikanischen Gesellschaften spielt die Umwelt eine zentrale Rolle. Von der Geburt bis zum Tod dreht sich alles um die natürliche Umgebung. Jedes Individuum ist durch eine persönliche Verbindung mit der Natur geprägt, sei es durch eine Initiation, ein Verbot oder ein anderes Element, das die lebenswichtige Bedeutung der Umgebung zum Ausdruck bringt. Über alltägliche Tätigkeiten wie Jagen, Fischen, Sammeln oder Feldbestellung steht die gesamte Landbevölkerung in engstem Kontakt zur Natur und ihren Ressourcen. Diese Vertrautheit mit der Umwelt, wie auch die Kenntnisse und jahrhundertealten Praktiken – die sich unter anderem in der traditionellen Medizin wieder finden –, begünstigen eine ökologische Einstellung, die den Blick für die wirtschaftlichen, politischen oder kulturellen Probleme zuweilen in die globale Dimension erweitert.

In Kamerun gibt es zahlreiche Umweltgefahren. Der gesamte Norden leidet unter fortschreitender Wüstenbildung, deren Folgen sich bereits in der Mitte des Landes, am Rand der großen Wälder, bemerkbar machen. Für diese Katastrophe gibt es sicher einige natürliche Ursachen, aber der wichtigste Auslöser sind die Methoden der landwirtschaftlichen Nutzung, die der Natur keine Zeit zur Regeneration einer dichten Vegetationsdecke lassen. Hinzu kommt, dass die extreme Armut in diesen Gegenden die Menschen dazu treibt, immer mehr Bäume abzuholzen, um sich Brennholz zu beschaffen. Dieser Kahlschlag greift sogar auf Gebiete über, wo die Regierung Ende der 1960er-Jahre die „Operation grüner Sahel“ initiiert und versucht hat, die fortschreitende Verwüstung durch Anpflanzung von Wasser speichernden Bäumen zu stoppen.

Südlich der Regionen, die von der Wüstenbildung betroffen sind, drohen die Wälder völlig zu verschwinden. In Kamerun stammen 42 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus der Agrar- und Forstwirtschaft, die 60 Prozent der Bevölkerung beschäftigt. Holz stellt nach Erdöl das wichtigste Exportgut dar, Kakao folgt an dritter Stelle. In Zeiten, da noch die alten Traditionen wirksam waren, haben die Bewohner die Wälder genutzt, ohne dauerhafte Schäden zu hinterlassen. Weder die angewandten Techniken noch ihre Bedürfnisse stellten eine qualitative oder quantitative Gefahr für das Ökosystem dar. Das heutige Verschwinden der Wälder hat verschiedene Gründe. Einerseits hat der in der Kolonialzeit eingeführte Kakaoanbau die Waldflächen stark schrumpfen lassen, zumal die Kakaoproduktion später intensiviert wurde, um die Gewinne trotz sinkender Weltmarktpreise zu steigern. Andererseits haben die massiven Holzeinschläge durch ausländische Unternehmen, die angeblich mit der Regierung unter einer Decke stecken, die Entwaldung gefährlich beschleunigt.

Während sich also die Holzunternehmen eine goldene Nase verdienen, versinken Völker in immer tieferes Elend, die, wie die Pygmäen, in Symbiose mit dem Urwald leben. Am 26. März 2002 klagten sieben Dorfbewohner aus Kamerun in Paris gegen die Société forestière de Doumé, eine kamerunische Tochter der französischen Gesellschaft Rougier SA, der sie „Zerstörung fremden Eigentums, Fälschungen, Benutzung von Fälschungen und Beamtenbestechung“ vorwerfen. Das Unternehmen hatte illegal und ohne Wissen der Eigentümer verschiedene Edelholzarten gefällt und Pisten zur Erschließung der begehrten Bestände einfach über fremde Felder geführt. Als die örtlichen Behörden nichts unternahmen, half die Nichtregierungsorganisation „Freunde der Erde“ den Dorfbewohnern, sich mit ihrer Klage an die französische Justiz zu wenden (www.amisdelaterre.org/actu/2002/dossiers_presse/Rougier_mars 2002).

Der Schutz der Tropenwälder wurde zwar auf dem Umweltgipfel von Rio beschlossen und im August 2002 auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg bestätigt, doch die kamerunische Regierung hat bis heute keine der unterzeichneten Verträge und Verpflichtungen in die Praxis umgesetzt.

Eine andere ökologische und gesundheitliche Gefahr geht von der chronischen Verschmutzung der Großstädte aus. Dieses Problem hat sich wegen des unkontrollierten urbanen Wachstums seit Beginn der Landflucht in den 1970er-Jahren immer weiter verschärft. Katastrophal ist vor allem die Gesundheitsversorgung in Duala und Jaunde, den größten Städten, in denen insgesamt etwa zwei Millionen Menschen wohnen. Rund um die Hauptstadt Jaunde türmen sich wilde Müllhalden zu künstlichen Hügeln auf. Es gibt bislang keine politische Initiative und keinen langfristigen Plan, um die Situation in den Griff zu bekommen.

Als weiteres Problem kommt hinzu, dass Kamerun seit einigen Jahren unter dem immer wieder auflebenden Konflikt um den Bau der Ölpipeline Tschad–Kamerun leidet, die immer noch heiß umstritten ist. Am Anfang des Projekts stand die Absicht, die Erdölfelder im Binnenland des südlichen Tschad auszubeuten. Inzwischen hat die Weltbank einem Ölkonsortium, das aus den beiden US-Konzernen ExxonMobil und Chevron sowie der malaysischen Gesellschaft Petronas besteht, ihre Unterstützung für den Bau einer 1 050 Kilometer langen Pipeline zwischen Doba und einem Terminal in Kribi, an der Küste Kameruns, zugesichert.

Das Projekt ist aus mehreren Gründen bedenklich: In ökologischer Hinsicht drohen die Umweltverseuchung durch austretendes Öl wie auch eine verstärkte Entwaldung durch die Bauarbeiten. Ökonomisch unbefriedigend ist, dass die der Bevölkerung zugesagten Entschädigungssummen durchweg weit unter dem realen Wert liegen. Das Leben der Pygmäen beispielsweise droht völlig aus den Fugen zu geraten, ohne dass sie mit einer Gegenleistung rechnen könnten, die sie für die ihnen zugemuteten Umwälzungen entschädigt.

Unter den Einheimischen wird seit Jahren auch deshalb so heftig gegen die Pipeline gestritten, weil man weiß, dass auch in der Republik Kongo (Brazzaville) und in Nigeria die Bevölkerung trotz aller Versprechungen nie von der Ölförderung profitiert hat. Hier sind die Gesundheitseinrichtungen und Schulen nach wie vor in einem elenden Zustand. Im Übrigen setzen die Ölunternehmen bedenkenlos auf Privatmilizen, um die Sicherheit ihrer Anlagen zu gewährleisten, während die Sicherheit der betroffenen Menschen für sie kein Thema ist.

Beunruhigend ist freilich auch die politische Situation in Kamerun. Die fordert das Engagement der Umweltschützer geradezu heraus, denn nur die Errichtung einer echten Demokratie eröffnet Aussichten auf nachhaltige Lösungen für die diversen Umweltprobleme. Oft liegt der Ursprung der ökologischen Schäden in der Tatsache, dass Entscheidungen von der Spitze des Staates kommen, während die Probleme an der Basis entstehen, weit entfernt vom Blickfeld der Obrigkeit. So gesehen muss das gesamte, nur einer Minderheit nützliche System in Kamerun unbedingt einer Revision unterzogen werden.

dt. Grete Osterwald

* Vorsitzender der ökologischen Partei Kameruns, Défense de l’Environnement Camerounais (DEC).

Le Monde diplomatique vom 13.12.2002, von JEAN NKE NDIH