08.07.2011

Für ein neues China

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Für ein neues China

von Shen Yuan, Guo Yuhua, Jing Jun und Sun Liping

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Nach 30 Jahren wirtschaftlicher Entwicklung im Gefolge der Reform- und Öffnungspolitik ist China an einen entscheidenden Punkt des gesellschaftlichen Umbaus gelangt. Die Situation lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: 1. Die Wirtschaft entwickelt sich schnell. 2. Die politische Stabilität ist gewährleistet. 3. Starke soziale Gegensätze sind entstanden, die aber kaum zu großen Unruhen führen werden.

Deshalb erscheint uns der Zeitpunkt günstig, um die Methoden zur Sicherung der „Stabilität“1 des Landes zu modifizieren. Die Zeit ist reif, einen effizienteren und kostengünstigeren Weg der „institutionellen Staatsführung“ einzuschlagen, der darauf beruht, die divergierenden sozialen Interessen zu berücksichtigen. Weiterhin zu zögern, hinauszuschieben und abzuwarten, könnte sich als historischer Fehler erweisen.

Wir sind in einen Teufelskreis geraten: Auf allen Ebenen investieren die Regierenden immer mehr menschliche, materielle und finanzielle Ressourcen, um die Stabilität zu wahren. Dennoch nimmt die Zahl der Antagonismen und sozialen Konflikte nicht ab, sondern stattdessen beträchtlich zu. Je mehr man versucht, die Stabilität zu erhalten, desto weniger ist sie gesichert. Natürlich gibt es objektive Ursachen für die Proteste. So ist die Ausbeutung der bäuerlichen Wanderarbeiter (Mingong) auf die Einführung der Marktwirtschaft zurückzuführen. Die Konflikte verschärfen sich aber auch deshalb, weil ein neues Modell nötig ist und darüber nicht nachgedacht wird.

Nach offiziellen Statistiken betrug das Budget für innere Sicherheit 2010 514 Milliarden Yuan (etwa 55 Milliarden Euro) und ist inzwischen ebenso hoch wie das Verteidigungsbudget. Das war eine Steigerung um 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bereits 2009 hatte es im Vergleich zu 2008 eine Steigerung um 8,9 Prozent gegeben. Die Kosten für die Wahrung der Stabilität steigen also ständig, ebenso wird immer mehr Personal dafür eingesetzt. „Stabilität“ ist zur Hauptaufgabe der lokalen Behörden geworden. Erst recht, weil die Karrieren der Kader davon abhängen – schlechte Ergebnisse in Sachen Stabilitätssicherung können durch nichts ausgeglichen werden. Sobald besondere Ereignisse oder als sensibel erachtete Jahrestage nahen2 , müssen die Behörden und Unternehmen ihre gesamte Kapazität für die Wahrung der öffentlichen Ordnung einsetzen. Das hat absolute Priorität. In solchen Zeiten ist es kaum noch möglich, die tägliche Arbeit ungestört zu erledigen.

Noch schwerwiegender ist ein weiterer Aspekt: Einschneidende Veränderungen wären notwendig, um die Marktwirtschaft zu verbessern und eine harmonische Gesellschaft zu entwickeln. Stattdessen werden entsprechende Ansätze aus ständiger Angst vor Instabilität erstickt. Reformen des politischen Systems werden nicht angepackt, die Meinungsfreiheit wird eingeschränkt, Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption bleiben ohne Erfolg, und die verschiedenen Interessengruppen werden nicht berücksichtigt. Die ganze Gesellschaft befindet sich in einem Zustand der Regellosigkeit und wachsenden Desintegration.3

So sehen sich sowohl Einzelpersonen als auch Gruppen daran gehindert, ihre legitimen Forderungen direkt zu äußern. Ihnen bleibt oft keine andere Wahl, als auf informelle, manchmal sogar gewaltsame Methoden zurückzugreifen, um ihre Ansprüche geltend zu machen und ihre Unzufriedenheit kundzutun. Dadurch spitzen sich die Proteste weiter zu. Als Folge wiederum setzt sich die Vorstellung fest, ein wichtiges Problem sei durch großen Aufruhr zu lösen und kleinere Probleme durch kleine Unruhen; und ganz ohne Geschrei sei gar nichts zu lösen. Paradoxerweise bringen Repressionen jeden Einzelnen dazu, Unordnung zu stiften, um seine Interessen geltend zu machen. Und allmählich radikalisieren sich einige Aktivisten. Sie werden zu „professionellen Instabilitätsstiftern“: So lautet dann die offizielle Anklage.

In der heutigen chinesischen Gesellschaft gibt es ausgeprägte Unterschiede zwischen den sogenannten Interessengruppen, das heißt eigentlich: den sozialen Schichten. Das Problem besteht darin, dass es für diese Ungleichheiten keine Regulierungs- oder Ausgleichsmechanismen gibt, die die Unterschiede auffangen und mildern könnten.

Auf der einen Seite gibt es die benachteiligten Gruppen – auf dem Land sind es die Wanderarbeiter, in den Städten die Arbeiter oder Angestellten, die ihre Arbeit verloren haben –, für die es keinerlei Anlaufstellen gibt, die sich um ihre Interessen kümmern könnten. Diese Gruppen verfügen über keinerlei Verhandlungsmacht. Sie haben auch keine Möglichkeit, die Politik zu beeinflussen, von der sie betroffen sind, und es ist sehr schwer für sie, sich bei Gerichtsverhandlungen oder Schlichtungsverfahren zu verteidigen. Auf der anderen Seite gibt es soziale Gruppen, die beträchtliche Ressourcen monopolisieren. Sie sind imstande, sich Gehör zu verschaffen und auf verschiedenen Wegen die Entwicklung der Politik zu ihren Gunsten zu beeinflussen, ja sie beinahe selbst zu bestimmen.

Das gegenwärtige Modell hat dazu geführt, dass die Wahrung der Stabilität und die Äußerung sozialer Forderungen als Antagonismus gelten. Nur durch Repression und indem man die Interessen der benachteiligten Gruppen opfert, glaubt man, seien Unruhen zu vermeiden. Das Streben nach kurzfristigem sozialen Frieden ist zum Hauptziel geworden. Diese Lösung erscheint nicht nur kurzsichtig und oberflächlich, sondern schadet der sozialen Gerechtigkeit sehr, weil sie vor allem nur der Wahrung gegenwärtiger Interessen dient.

Zudem wird von manchen Lokalregierungen die Reichweite der Konflikte überbewertet. Beim kleinsten Aufruhr machen sie sich schon größte Sorgen. Natürlich können manche Proteste leicht in die großen Konflikte zwischen divergierenden Interessen münden und zu Unruhen führen. Aber langfristig gesehen hätte die Berücksichtigung solcher Proteste die Entwicklung geeigneter Maßnahmen und eine Politik des sozialen Ausgleichs voranbringen können. Stattdessen werden die unerlässlichen Reformen nicht zu Ende geführt oder nicht einmal in Angriff genommen. Die Ungleichheit wird nicht kleiner, und Interessen werden nur einseitig geschützt oder gefördert. So verpasst die ganze Gesellschaft die Chance, das notwendige Gleichgewicht wieder herzustellen.

Gegenwärtig werden hier und da wieder „Kampagnen“ (yun dong) durchgeführt, wie in den 1960er und 1970er Jahren, als die gesamte Verwaltung wegen eines bestimmten Problems oder gegen einen speziellen Feind mobilisiert wurde. Durch dieses Vorgehen wird das Gesetz diskreditiert und entstellt – wenn nicht sowieso ganz und gar ignoriert. Die örtlichen Behörden stellen Macht oder Zwang stets über das Gesetz. Manchmal schicken sie in ihrer Unbedachtsamkeit die Polizei vor, was zur Kriminalisierung – und einer Ideologisierung – der jeweiligen Situation und auch des Verhaltens führt. Anstatt die Antagonismen zu reduzieren, gießt man mit dieser Methode nur noch mehr Öl ins Feuer und bringt die Bevölkerung gegen die Polizei und die Volksmassen gegen die Funktionäre auf. Auf diese Weise gerät die Regierung in eine Position der Schwäche und Verwundbarkeit.

Mit sogenannten Fonds zur Wahrung der Stabilität wollen sich die Behörden den sozialen Frieden erkaufen. In einem geläufigen Wortspiel heißt es, sie „lösen die Widersprüche des Volkes mit dem Geld des Volkes“.3 In der Praxis entscheiden die Beamten über die Zuteilung von Geldern, ohne sich nach klaren Kriterien zu richten oder ein festgelegtes Regelwerk einzuhalten. Diese Vorgehensweise bestärkt jene in ihrem Verhalten, die meinen, dass sowieso kein Problem gelöst wird, wenn man nicht Unruhe stiftet. Sie führt sogar dazu, dass manche unberechtigte oder unvernünftige Forderungen erheben, um die Verwaltung unter Druck zu setzen. Das alles trägt nur zur Konfusion bei, macht die realistische Einschätzung einer Situation unmöglich und raubt letztlich der ganzen Gesellschaft die Orientierung für richtig und falsch, gerecht und ungerecht.

Das Bild des Garanten der Moral und Verteidigers der sozialen Gerechtigkeit, das die Regierung eigentlich verkörpern müsste, ist dadurch erschüttert. Es wird also Zeit, sich von dieser allzu starren Vorstellung von „Stabilität“ frei zu machen und einen neuen Weg zu erkunden, um den sozialen Frieden zu erhalten.

Zunächst einmal muss man damit beginnen, die sozialen Widersprüche zu verstehen. Die in den letzten Jahren aufgebrochenen Konflikte haben ihre Wurzeln vor allem in der Enteignung von Grund und Boden, in der Zerstörung von Häusern, in der Vorenthaltung von Löhnen, die den Wanderarbeitern zustehen, sowie anderen Arbeitskonflikten. Sie beruhen also alle auf divergierenden Interessen. Dabei neigten die jeweils Verantwortlichen seit langem dazu, ihnen eine ideologische Dimension zu verleihen, um sie auf diese Weise zu politischen Bedrohungen aufzublähen, die an die Grundfesten des Systems rühren würden. Es ist sehr wichtig, bei all diesen Konflikten anzuerkennen, dass sie vollkommen rational motiviert sind. Während sich politische, religiöse oder ideologische Gegensätze oft schwer oder gar nicht lösen lassen, können Auseinandersetzungen, die auf Interessenkonflikten zwischen den sozialen Schichten beruhen, verhandelt und auf der Basis von Kompromissen oder Absprachen gelöst werden. Die Gefahr, dass sie in soziale Unruhen größeren Ausmaßes münden, ist dann eher gering.

Ganz wird man derartige Konflikte niemals ausschließen können. Es wäre deshalb wünschenswert, dass man Regeln festlegt, Methoden entwickelt und institutionelle Kanäle schafft, um Lösungen zu finden. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass man sich in der Beurteilung dieser Konflikte nicht irrt, indem man sie mit politischen Krisen gleichsetzt, die die gesellschaftliche Stabilität gefährden könnten.

Unser Land hat mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen, einige davon sind sehr ernst: die Korruption, die Schere zwischen Arm und Reich, die Existenz der benachteiligten Schichten. Wenn sie nicht angegangen werden, können sie in eine schwere politische Krise führen. Doch auch wenn die Herausforderung groß ist, sind die Konflikte nicht derart, dass sie die Gesellschaft bedrohen würden. Sie beeinträchtigen auch nicht das allgemeine Verlangen nach guter Staatsführung und Stabilität.

Gleichzeitig müssen wir uns von der weit verbreiteten Vorstellung befreien, wir seien auf dem Weg in die Instabilität. Sie stützt sich auf offizielle Zahlen und auf landesweite Untersuchungen, die eine spektakuläre Zunahme der Unruhen zeigen. Tatsächlich mischen solche Statistiken jedoch Wahres und Falsches. Viele Ämter und Organe stützen sich bei ihren Berechnungen auf Untersuchungen, die Zwischenfälle im Alltag und kleine Konflikte mit aufnehmen. Raufereien unter Jugendlichen oder Schülerproteste gegen das schlechte Essen in der Mensa werden so zu „Faktoren der Instabilität“. Wenn man all das zusammenzählt, gelangt man in der Tat zu beeindruckenden Zahlen. Unter den sogenannten Massenzwischenfällen werden die unterschiedlichsten Ereignisse miteinander vermischt, ohne den geringsten Bezug zur Frage der „Stabilität“. Überdies schafft das Fehlen wirksamer Maßnahmen und Regelwerke zur Konfliktbewältigung unangemessene Empfindlichkeiten, so dass häufig nicht einmal eine ganz normale Diskussion möglich ist. Das verknöcherte Denken und die veralteten, nach wie vor angewandten Methoden vergiften nur die Atmosphäre und erzeugen allgemeine Angst. Wenn wir all diese falschen „Faktoren der Instabilität“ beiseite lassen könnten, wäre das Bild am Ende viel klarer. Zumal viele Untersuchungen auch zeigen, dass viele gewaltsame Konflikte erst deshalb entstehen, weil es keinen Mechanismus gibt, der die Interessen der Bevölkerung aufgreift.

In seinem Bericht vor dem Volkskongress erklärte Ministerpräsident Wen Jiabao am 5. März 2010: „Alles, was wir getan haben, geschah, damit die Bevölkerung ein glücklicheres, würdigeres Leben führen kann und damit wir zu einer gerechteren, harmonischeren Gesellschaft gelangen.“ Deshalb müsste die neue Logik darin bestehen, die Verfassung anzuwenden, die den Bürgern ja zahlreiche Rechte gewährt. Nur wenn man diese Rechte garantiert, kann man einen Ausgleich zwischen den gegensätzlichen Interessen schaffen und dadurch tatsächlich den sozialen Frieden sichern. Das ist der Weg, den wir gehen müssen. Anders gesagt: Die Rechte verteidigen heißt, die Stabilität verteidigen.

Um diese Aufgabe erfolgreich zu bewältigen, müssten als Erstes die Funktionen der Lokalregierungen verändert und eingeschränkt werden. Man müsste verhindern, dass diese sich beim Ausbruch sozialer Konflikte sofort an vorderster Front exponieren, und sie stattdessen in der Rolle des Vermittlers und Schiedsrichters bestärken. Als Zweites müssten die Instrumente der Staatsführung dahingehend gefestigt und verbessert werden, dass Recht und Gesetz selbstverständlich zum Einsatz kommen, wenn Unstimmigkeiten zu klären sind. Es müsste institutionalisierte Kanäle für die Artikulation gesellschaftlicher Unzufriedenheit geben; und schließlich müsste die Gründung von Vereinen und Verbänden gefördert werden.

Folgende Maßnahmen müssten dafür Gestalt annehmen:

Das garantierte Recht auf Transparenz und vollständige Information über Forderungen und soziale Ansprüche.

Eine Organisation, in der verschiedene Schichten der Gesellschaft sich öffentlich äußern und austauschen können.

Ein System, in dem die Bürger Gehör finden und sich an Entscheidungsprozessen beteiligen können.

Einflussmöglichkeiten vor allem für die Ärmsten, die nicht über das nötige soziale Kapital verfügen, um Entscheidungen zu beeinflussen.

Abstimmungs- und Verhandlungsorte, in denen unabhängig von den Lokalregierungen die Gesellschaft erste Schritte in Richtung Selbstverwaltung und Selbstregulierung unternimmt.

Eine Schlichtungs- und Schiedsinstanz unter der Schirmherrschaft von Regierung und Justiz.

Diese sechs Mechanismen ergänzen einander und sind so unverzichtbar wie die einzelnen Etagen ein und desselben Gebäudes.

Der Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten gesellschaftlichen Ordnung liegt nicht im Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Konflikten, sondern in der Fähigkeit, diese zu tolerieren und zu lösen. Tatsächlich ist ein gutes System nicht eines, das die Widersprüche eliminiert, sondern eines, das seine Fähigkeit unter Beweis stellt, Uneinigkeit zu ertragen und in institutionellem Rahmen eine Lösung dafür zu finden. Uns ist durchaus bewusst, dass unserer Gesellschaft womöglich eine Periode der Ausbrüche (jingpen qi) sozialer Konflikte bevorstehen könnte, wenn alle Schichten endlich ihre legitimen Forderungen auf legalen Wegen kundtun und vor allem wenn auch die kollektiven Interessen auf normalem Weg artikuliert werden können. Alle werden sich äußern wollen, und man muss mit dieser völlig neuen Situation zurechtkommen. Die schwierige Aufgabe muss bei der Einführung des neuen Systems genau betrachtet werden und darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden – aber sie ist ohne Furcht anzugehen. Kommende Ausbrüche müssen nicht zwangsläufig eine Begleiterscheinung des Übergangs sein: Vielmehr würden die neuen Kanäle der Meinungsäußerung bisher verborgene soziale Konflikte sichtbar machen und erstmals die Möglichkeit bieten, sie wirksam zu lösen. Um diese Etappe so friedlich wie möglich durchlaufen zu können, muss man vernünftige und realistische Übergangsregelungen finden. Man könnte verschiedenartige Wege ins Auge fassen, die einem einfachen Prinzip folgen: Um die alten Probleme zu lösen, greifen wir auf die alte Praxis der zentralisierten Lösungswege zurück; um die neuen Probleme zu lösen, nutzen wir die neuen institutionellen Mechanismen zur Konfliktlösung.

Um allzu heftige Schocks zu vermeiden, ist es auch möglich, schrittweise vorzugehen, von oben nach unten zu planen, vor allem im Hinblick auf Institutionen der freien Meinungsäußerung und Interessenvertretungen. Man müsste darauf achten, dass Regierende wie Regierte entsprechend geschult werden, damit ihnen die Wichtigkeit der neuen Mechanismen bewusst wird und sie die legalen Wege zur Lösung sozialer Konflikte beherrschen lernen. Man könnte gegebenenfalls Pilotverfahren entwickeln, indem man Konflikte auswählt, die auf großen Widerhall stoßen, für die Gesellschaft aber nicht besonders gefährlich sind und sich an Orten abspielen, wo die Bedingungen relativ günstig sind. Damit könnte man die Beamten auf allen Ebenen sowie das ganze Land sensibilisieren.

Die rasante wirtschaftliche Entwicklung sichert die finanziellen Mittel, um die sozialen Antagonismen auf institutionellen Wegen zu lösen. Die grundsätzliche Stabilität des politischen Rahmens auf der anderen Seite ermöglicht es, bei der Lösung dieser Probleme voranzukommen. Obwohl die Struktur der chinesischen Gesellschaft von immer größeren Unterschieden in den schichtenspezifischen Lebensverhältnissen geprägt ist und die Widersprüche immer komplexer werden, will die große Mehrheit der Bevölkerung nicht – und das ist das Wichtigste –, dass Probleme durch Gewalt oder Unruhen gelöst werden.

Wenn man das Recht auch unter den Bedingungen der Marktwirtschaft als Grundlage nimmt, müssen wir die Etablierung eines Systems vorantreiben, das die Formulierung und die Harmonisierung der Interessen berücksichtigt, um so die Basis für einen dauerhaften sozialen Frieden zu schaffen.

Fußnoten: 1 „Stabilität“ ist ein Losungswort der politischen Machthaber, das in vielen Reden vorkommt. 2 Zum Beispiel der Juni wegen des Gedenkens an die Ereignisse auf dem Tienanmenplatz 1989 oder der Jahrestag der Gründung der Republik am 1. Oktober 1949. 3 Geld des Volkes ist die wörtliche Übersetzung für „Renminbi“ (RMB), wie der offizielle Name der chinesischen Währung seit 1949 lautet. Yuan ist nur die Zähleinheit.

Aus dem Französischen von Claudia Steinitz

Shen Yuan, Guo Yuhua, Jing Jun und Sun Liping lehren Soziologie an der renommierten Tsinghua-Universität in Peking. Der vorliegende Beitrag stützt sich auf mehrere Studien über die soziale Entwicklung in China, die von einer größeren Gruppe von Wissenschaftlern am Fachbereich Soziologie stammen.

Le Monde diplomatique vom 08.07.2011, von Shen Yuan und Guo Yuhua / Jing Jun / Sun Liping