09.02.2017

Moskau mischt mit

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Moskau mischt mit

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Zum Leidwesen Usbekistans unterstützte Russland lange die höchste Variante des Rogun-Staudammprojekts (335 Meter). Das verschaffte Moskau einen Hebel, um die bevölkerungsreichste Republik Zentralasiens unter Druck zu setzen. Usbekistan hat rund 30 Millionen Einwohner, Tadschikistan nur etwa 8 Millionen.

2004 versprach Präsident Putin der tadschikischen Regierung Finanzhilfen in Höhe von 2 Milliarden Dollar. Die Stimmung zwischen Russland und Usbekistan war damals schlecht. Das Geld sollte nach Vorstellung des Kreml vom Aluminiumgiganten Rusal kommen, dessen Chef Oleg Deripaska in der Ära Jelzin zum Milliardär aufgestiegen war.

Ein russischer Unternehmer, der Ärger mit dem Fiskus und den Leuten von der Korruptionsbekämpfung vermeiden will, ist gut beraten, die Sozial- und Außenpolitik der Re­gierung zu unterstützen – auch mit Geld. In diesem Fall wurde Rusal aufgefordert, in den Staudamm zu investieren, die Gießerei der Aluminiumfabrik in Tursunsoda wieder instand zu setzen und eine neue Anlage zu bauen. Im Gegenzug sollte Deripaska eine Kontrollmehrheit am Wasserkraftwerk erhalten wie auch eine Kapitalbeteiligung an der Aluminiumfabrik in Tursunsoda. In Duschanbe reagierte man skeptisch auf dieses vergiftete Geschenk, das Tadschikistan verpflichtet hätte, 20 Prozent seiner Aluminiumproduktion an Russland abzutreten.

Doch die tadschikische Regierung kam nicht in die Verlegenheit, das Angebot des Kreml ausschlagen zu müssen. Das verhinderte die Tragödie, die sich am 13. Mai 2005 in der Stadt Andischan im usbekischen Teil des Fer­ghan­tals ereignete, als Usbekistans Präsident Islam Karimow die Protestdemonstrationen der Bevölkerung blutig niederschlagen ließ.

In der offiziellen Bilanz des Massakers ist von 187 Toten die Rede – nach Angaben mehrerer NGOs sollen jedoch mehrere hundert Menschen gestorben sein. Karimow beschuldigte daraufhin die USA, den Aufstand angezettelt zu haben, und begab sich wieder unter die Fittiche Moskaus.

Die Drohung des Kreml, das Rogun-Projekt zu finanzieren, war damit überflüssig geworden. Der Druck Russlands auf Taschkent ließ entsprechend nach, und auch die Höhe des geplanten Staudamms wurde reduziert. Rusal konnte ebenfalls aufatmen, denn in ökonomischer Hinsicht war das Projekt für das Unternehmen nicht interessant gewesen. 2007 wurde das gesamte Vorhaben beerdigt, angeblich wegen Differenzen über die Beteiligungen von Rusal an der Betreibergesellschaft des Wasserkraftwerks und an den Aluminiumfabriken.

Seither hat sich Usbekistan wieder von Moskau entfernt, um sich wieder einmal in Washington beliebt zu machen. 2013 gestattete Taschkent sogar die Eröffnung eines Nato-Verbindungsbüros. Allerdings könnten sich nach dem Tod von Präsident Karimow die russisch-usbekischen Beziehungen erneut verbessern. Denn von Karimows Nachfolger Shavkat Mirziyoyev sagt man, er stehe dem Kreml nah. ⇥R. G.

Le Monde diplomatique vom 09.02.2017