reuters/John Sommers |
von Ulf Kadritzke | Oktober 2016
Das Unternehmen Renault steht mit allen vier Rädern in der Wirklichkeit. Im Espace, dem Großraumgefährt für die Familie gehobenen Einkommens, ist auf dem Display die Türverriegelung von innen als „Ghetto-Schaltung“ angezeigt. Das Versprechen, das Wageninnere gegen das gefährliche Außen zu schützen, greift nicht nur vermeintliche Stimmungen und Bedürfnisse der Käufer auf, es ist selbst ein Signal dieser Ängste und verweist auf deren Ursprung. weiter »
von Ulf Kadritzke | Dezember 2006
Die Begebenheit liegt fast 20 Jahre zurück, aber sie ist, zumal aus heutiger Sicht, erinnerungswürdig. Es war Montag, der 19. Oktober 1987, gerade hatte sich der größte Börsenkrachs seit 60 Jahren ereignet: „Nach und nach strömten Tausende von Menschen aus allen möglichen Ecken von New York in die Wall Street. Verwirrt sahen die Polizisten, wie die Menschenmasse einfach da stand und nach oben starrte. Bis die Sache klar wurde: Alle warteten darauf, dass die ersten verzweifelten Broker sich aus den Fenstern stürzen, … keiner wollte das live event verpassen, den fröhlichen Augenblick, da die verfluchten Yuppies endlich auf den Asphalt prallen würden. Nun warteten sie und warteten sie, aber nichts geschah.“ weiter »
von Raffael Kempf | Mai 2012
Amir Imran, der von Anfang an dabei war, führte uns durch das Occupy-Camp vor der St Paul's Cathedral in London.1 "Mein Zelt steht da hinten, neben der Technikzentrale mit dem Internetanschluss. Wir sind ja ständig in Kontakt mit den anderen Occupy-Gruppen. Außerdem posten wir täglich auf Facebook. Das hier ist die Küche. Da holen wir uns Frühstück, Mittag- und Abendessen. Und hier ist das 'Tea and Empathy'-Zelt. Da steht sogar ein Klavier drin, und es gibt kostenlos Tee und Kaffee".
Am 28. Februar wurde das Zeltlager von der Polizei geräumt. Seit dem 15. Oktober 2011 hatte Amir Imran Tag und Nacht in dem Protestcamp im Herzen Londons verbracht und es nur zweimal in der Woche verlassen, um an der Uni seine Seminare zu besuchen. Der 24-Jährige war damals neu in der Stadt. Er war erst ein paar Monate zuvor nach London gekommen, um sein Journalismusstudium abzuschließen. weiter »
von Alain Gresh | Mai 2012
Die kolonisierte Welt am Vorabend des Ersten Weltkriegs war im Hinblick auf ein mögliches Bündnis zwischen Arbeiterklasse und Mittelschicht in einer ganz anderen Situation als Europa. Eine Arbeiterklasse als solche gab es dort nicht und sozialistische Bestrebungen nur in Ansätzen; die Widerstandsgruppen gegen die Kolonialmächte wurden damals eher von traditionellen oder religiösen Führern geleitet. In Europa galten diese - zumal unter Sozialisten - meist als "feudalistische" oder "reaktionäre" Feinde des Fortschritts. weiter »
von Alexander Bibkow | Mai 2012
Am 29. Februar 2012 verkündete Wladimir Putin kurz vor seiner umstrittenen Wiederwahl zum Präsidenten: "Die Mittelschicht wird schon bald die Mehrheit der Gesellschaft ausmachen." Diese soziale Schicht zwischen der allmächtigen Nomenklatura und einem marginalisierten Proletariat ist zur entscheidenden Zielgruppe für politische Reformen geworden. Seit den Jahren 1992/1993 spielte sie in den Vorstellungen der Vordenker beim Aufbruch in die postsowjetischen Ära eine doppelte Rolle: Zum einen sollte sie stabilisierend wirken und die Gegensätze zwischen verschiedenen sozialen Gruppen entschärfen, zum andern galt sie als die wichtigste Stütze der neuen politischen Machthaber im Kreml. weiter »
von Gilbert Achcar | Mai 2012
Die Vorstellung ist nicht neu, und der Arabische Aufstand hat sie weitgehend bestätigt: Wenn der Widerstand gegen ein herrschendes Regime zu einer Massenbewegung wird, die der Wunsch nach demokratischem Wandel eint, verbündet sich oft ein Großteil der Mittelschicht mit den sozial Benachteiligten. weiter »
von Jean-Louis Rocca | Mai 2012
Die neue Mittelschicht in China, zu der mittlerweile schon ein Viertel der Bevölkerung gehört, verfügt über ein angemessenes Einkommen, ohne reich zu sein. Manche Beobachter - vor allem die, die sich in den Medien zu Wort melden - betrachten sie als die einzige gesellschaftliche Kraft, die das Land demokratisieren könnte, weil man mit ihr sowohl Stabilität als auch das Versprechen auf politischen Wandel verbindet. Für Stabilität sorgen ihre schichtenspezifische Neigung zu Komfort, Ruhe und Besitz und ihre gemäßigte Haltung in sozialen Konflikten, die eher auf Verhandlung und Kompromiss als auf Gewalt setzt. Da es der Mittelschicht im Gegensatz zu den übrigen Gruppen der Gesellschaft in der Regel am besten gelingt, die eigenen Interessen zu verteidigen, traut man ihr auch am ehesten zu, dass sie innerhalb der Kommunistischen Partei einen Demokratisierungsprozess durchsetzen kann. weiter »