12.05.2016

International gegen TTIP

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International gegen TTIP

Seit Ende März demonstriert die Bewegung „Nuit debout“ nicht nur gegen die geplanten Änderungen des französischen Arbeitsrechts. Eines ihrer großen Themen, nämlich die Ablehnung des Freihandelsabkommens TTIP, ist auch von internationaler Relevanz, weshalb die Demonstranten hoffen, dass sich ihnen dank „übereinstimmender Kampfziele“ auch Menschen anschließen, die keinen akademischen Hintergrund haben, und dass sich ihre Bewegung internationalisiert. Angesichts des trockenen, schwierigen Stoffs und der langwierigen Verhandlungen kommt es nicht oft vor, dass sich gegen Handelsabkommen breite Protestbewegungen formieren – im Fall von TTIP sind sie bislang vor allem in Deutschland und Belgien stark.

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In den USA haben sich inzwischen alle aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten gegen TTIP ausgesprochen. Dabei spielten die USA seit Ende des Zweiten Weltkriegs stets eine Vorreiterrolle bei der Liberalisierung des Welthandels. Die Hauptargumente für Handelsabkommen, nämlich die Generierung neuer Arbeitsplätze und höhere Löhne, können niemanden mehr überzeugen – und zwar schlicht aus Erfahrung. Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass sowohl Donald Trump als auch Bernie Sanders mit ihrer Kritik punkten können. Und Hillary Clinton dazu zwangen, ihre frühere Unterstützung für TTIP aufzukündigen. Selbst der französische Präsident ist inzwischen umgeschwenkt.

Heute fürchten sich nicht nur Fabrikarbeiter vor Handelsliberalisierungen: Auch Umweltschützer, Landwirte, Verbraucher und Angestellte im öffentlichen Dienst bis hin zu den Feuerwehrleuten sind dagegen. Und zwar so sehr, dass laut New York Times vom 14. Juni 2015 ein Arbeitgebervertreter in den USA erstaunt bemerkte: „Diese Menschen sind vom verschärften Wettbewerb durch billige Im­porte nicht betroffen, aber ihre Gewerkschaft zeigt sich solidarisch mit den anderen.“

In der US-amerikanischen Dienstleistungsgewerkschaft SEIU ist man sich längst darüber im Klaren, dass es langfristig nicht möglich sein wird, die Stellen und Gehälter ihrer 2 Millionen Mitglieder zu verteidigen, während alle nichtorganisierten Arbeitnehmer weiteren Entlassungen und Einsparungen ausgesetzt sind. Selbst die Feuerwehr rechnet damit, dass zahlreiche Wachen geschlossen werden müssen, weil den Kommunen die Mittel fehlen, wenn es immer weniger steuerzahlende Unternehmen und immer mehr Industrie­brachen gibt. Kurz gesagt: Beim Thema Freihandel gibt es schon jetzt viele „übereinstimmende Kampfziele“ – und bereits erste Erfolge.⇥Serge Halimi

Le Monde diplomatique vom 12.05.2016