11.10.2013

Irans lästiger Partner

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Irans lästiger Partner

Die neue Regierung überdenkt die Haltung zum Assad-Regime von Ali Mohtadi

Irans lästiger Partner
Staaten geschwächt, Dschihadisten gestärkt

Seit 1965 hatte Ajatollah Ruhollah Chomeini im irakischen Nadschaf im Exil gelebt. 1978 entschied er sich das Land zu verlassen, um sich dem Druck des Baath-Regimes von Saddam Hussein zu entziehen. Einige seiner Weggefährten rieten ihm damals, nach Syrien zu gehen, wo ebenfalls ein Baath-Regime herrschte, das allerdings dem Irak und Saddam Hussein kritisch bis feindlich gegenüberstand. Nach seinem irakischen Abenteuer entschied sich Chomeini dann jedoch für Frankreich als Exilland. Gleichwohl wurde Syrien, wo seit 1970 der Assad-Clan herrschte, nach der iranischen Revolution von 1979 zum strategischen Verbündeten der Islamischen Republik Iran. Von dieser Allianz hat das Assad-Regime dreißig Jahre lang in finanzieller, militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht profitiert.

Zur Entstehung des Bündnisses zwischen Teheran und Damaskus haben verschiedene Faktoren beigetragen. Seit Beginn der Gespräche in Camp David zwischen Anwar as-Sadat und Menachem Begin im September 1978, die ein halbes Jahr später zum israelisch-ägyptischen Friedensabkommen führten, suchte der damalige Präsident Hafis al-Assad einen neuen Partner, als Ersatz für Ägypten. Indem er im September 1980, im Gegensatz zu den Golfmonarchien, den irakischen Angriff auf den Iran verurteilte, machte er sich für Teheran zum unverzichtbaren Partner in der arabischen Welt.

Gefestigt wurde diese Partnerschaft durch die Gründung und Konsolidierung der Hisbollah im Libanon, die eine Antwort auf die israelische Invasion von 1982 darstellte. Damaskus wurde für Teheran unentbehrlich, weil die iranischen Waffenlieferungen für die schiitische Organisation über syrisches Territorium liefen. Der herausragende Stellenwert der Beziehungen zu Syrien war daran abzulesen, dass der iranische Botschafter in Damaskus der Einzige war, der direkt vom „Obersten Rechtsgelehrten“, also dem höchsten Repräsentanten des Staats ernannt wurde. Höchst aufschlussreich ist auch die politische Karriere, die einige der iranischen Gesandten in Damaskus später in Teheran gemacht haben: So wurden zwei ehemalige Botschafter in Damaskus nach ihrer Rückkehr nach Teheran in den engen Beraterkreis des Revolutionsführers berufen und verzichteten dafür auf eine Karriere im Außenministerium.

Als Mohammed Chatami 1997 zum iranischen Präsidenten gewählt wurde, bedeutete dies eine Schwächung für die Allianz zwischen Teheran und der Hisbollah, weil die iranischen Reformer ihre Beziehungen zu den arabischen Golfstaaten normalisieren wollten. Der damalige iranische Außenminister Kamal Charrasi forderte zum Beispiel bei seinem Besuch im Libanon 2002 die schiitische Miliz zu mehr Zurückhaltung auf.

Außenpolitik ist die Domäne des Revolutionsführers

Daraufhin reiste Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah nach Teheran, um sich beim obersten Führer Ali Chamenei zu beschweren. In dieser Zeit entwickelte die Hisbollah gegenüber der iranischen Botschaft in Beirut ein derart großes Misstrauen, dass die Aufgabe, die Kontakte mit der schiitischen Miliz zu pflegen, auf die iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) übertragen wurde.

Die Pläne des Reformkabinetts von Mohammed Chatami, die Beziehungen des Iran zum Westen wie zu den Nachbarstaaten zu normalisieren, wurden allerdings schnell durchkreuzt: Im Januar 2002 entschied US-Präsident Bush, den Iran der „Achse des Bösen“ zuzurechnen. Zudem lehnte die Bush-Administration einen Kompromiss im Streit über das iranische Nuklearprogramm ab. Diese Vereinbarung hatten die Außenminister der „EU-3“ – Frankreich, Großbritannien und Deutschland – im November 2004 mit Hassan Rohani ausgehandelt, der damals als Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats die iranische Verhandlungsdelegation im Atomstreit leitete. Dieses „Pariser Abkommen“ sah einen Stop der Urananreicherung im Iran vor, der durch Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) verifiziert werden sollte.1

Diese Verhärtung der Fronten beförderte den Sieg von Mahmud Ahmadinedschad bei den Präsidentschaftswahlen 2005. Der Sicherheitsapparat und die Revolutionsgarden erweiterten ihren Einfluss auf die Gestaltung der Beziehungen Teherans zu seinen Nachbarländern. Der Iran verstärkte seine Unterstützung der Hisbollah, desgleichen seine Beziehungen zum syrischen Regime, das nach der Ermordung des libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri am 14. Februar 2005 geschwächt und international isoliert war. Frankreich und die USA beschuldigten Damaskus damals, für den Tod Hariris verantwortlich zu sein.

Mit dem Ausbruch des Arabischen Frühlings zu Beginn des Jahres 2011 begann für den Iran eine weitere Phase der Unsicherheit über seine Politik innerhalb der Region. Einerseits versuchte Teheran die Idee zu verbreiten, die Umbrüche seien von der iranischen Revolution inspiriert. Die Machtübernahme der Islamisten wurde als die Erfüllung des Versprechens von Ajatollah Ali Chamenei präsentiert, der ein „islamisches Erwachen“ vorhergesagt hatte. Andererseits verurteilte das iranische Regime – das nur zwei Jahr zuvor die eigene Opposition brutal unterdrückt hatte – den Aufstand in Syrien, der nach Auffassung Teherans vom Westen oder von Israel manipuliert wurde. Dagegen wurden die Aufstände in Tunesien, Ägypten, Libyen, Jemen und Bahrein von Teheran befürwortet.

Diese widersprüchliche Politik hielt der Iran etwa ein Jahr durch, dann aber begann Teheran seine außenpolitische Linie den Realitäten anzupassen und die Möglichkeit eines Machtwechseln in Damaskus ohne Beteiligung Assads in Betracht zu ziehen. Seitdem suchte der Iran den Dialog mit der syrischen Opposition und bot sich sogar als eine Art Vermittler an.2

Historisch erklärt sich die schwierige Situation des Iran zum Teil aus der Rivalität mit Saudi-Arabien, einem strategischen Verbündeten der USA. Der Konkurrenzkampf zwischen diesen beiden Staaten hat eine konfessionelle Färbung angenommen: Während der Iran die Hisbollah und andere militante schiitische Gruppen unterstützt, fördert Saudi-Arabien salafistische und dschihadistische sunnitische Gruppierungen. Diese Polarisierung hat die Kluft zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen vertieft, die in früheren Zeiten relativ friedlich zusammengelebt hatten, und zwar in Syrien wie im Libanon oder im Irak.

Doch die Rivalität zwischen Teheran und Riad lässt sich weder auf die religiöse Dimension reduzieren noch auf die Auseinandersetzung zwischen Sunniten und Schiiten. Der Iran hat die Aufstände des Arabischen Frühlings und die sunnitischen Islamisten in Tunesien und Ägypten gefördert und auch mit der Muslimbruderschaft eine engere Beziehung entwickelt. Saudi-Arabien hingegen hat die Bruderschaft in Ägypten verurteilt und den Putsch vom 3. Juli gegen Präsident Mohammed Mursi unterstützt. Wenn Teheran noch immer zu den Machthabern in Damaskus hält, obwohl das Assad-Regime mit den Prinzipien der islamischen Revolution überhaupt nichts am Hut hat, zeigt dies nur, dass diese Partnerschaft mehr mit Geopolitik zu tun hat als mit Religion.

Im iranischen Präsidentschaftswahlkampf dieses Jahr hätte die Außenpolitik keine Rolle spielen dürfen, weil es sich eigentlich um die Domäne des Revolutionsführers handelt. Doch dieser offizielle Konsens wurde aufgebrochen, weil die internationalen Sanktionen, die durch den UN-Sicherheitsrat beschlossen und seitdem in mehreren Resolutionen bekräftigt wurden, zu einer immer stärkeren Isolation des Iran in der Region geführt haben. Als der Kandidat, der die diplomatische Bilanz seines Vorgängers am stärksten kritisierte, konnte Rohani deshalb ziemlich viele Pluspunkte sammeln.

Seit seiner Wahl im Juni und seiner ersten Fernsehansprache hat der neue Präsident, der mit dem außen- und sicherheitspolitischen Apparat bestens vertraut ist, mehrfach von besseren Beziehungen zu Saudi-Arabien gesprochen. Damit knüpfte Rohani an die Strategie seines Amtsvorgängers Chatami an, unter dessen Präsidentschaft er dem Nationalen Sicherheitsrat angehört und 1998 ein Sicherheitsabkommen mit Saudi-Arabien unterzeichnet hatte. Heute bezeichnet er das wahhabitische Königreich als „Freund und Bruder“. Mitte September spekulierten saudische und iranische Medien bereits über einen möglichen Besuch des iranischen Präsidenten in Saudi-Arabien. Eine passende Gelegenheit wäre eine Pilgerfahrt nach Mekka, zu der König Abdullah den iranischen Präsidenten offiziell eingeladen hat.

Der bemerkenswerte Wandel wird bestätigt durch die neuen Arbeitsmethoden in Rohanis Kabinett, aber auch durch die Aussagen des neuen Außenministers Mohammed Dschawad Zarif. In einer Twitter-Antwort vom 5. September an die Tochter von Nancy Pelosi, der ehemaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, wünschte Zarif den Juden in aller Welt ein frohes Neues Jahr und betonte: „Iran hat niemals den Holocaust geleugnet. Der Mann, der als Leugner desselben wahrgenommen wurde, ist nun abgetreten.“3

Rohani hat das Land von seinen Vorgängern in einem katastrophalen wirtschaftlichen Zustand übernommen. Nach Angaben des iranischen Parlaments und der neuen Regierung ist die iranische Volkswirtschaft seit Anfang 2013 um 5,6 Prozent geschrumpft; Rohanis Vorgänger hatte von einem Wachstum um 6 Prozent gesprochen. Angesichts dieser Lage geht es dem neuen Präsidenten vor allem darum, die Wirtschaft wieder anzukurbeln, und das geht nicht ohne Abbau des internationalen Drucks und nicht ohne eine Lockerung der Wirtschaftssanktionen, die im Zuge des Atomstreits gegen den Iran verhängt wurden.

Bei seinem Einsatz für eine „Entspannung“ im Verhältnis mit dem Westen schreckt Rohani auch vor Tabubrüchen nicht zurück. So hat er die letzten Widerstandsnester innerhalb der Revolutionsgarden neutralisiert und die Unterstützung von Ajatollah Chamenei gewonnen, der in einer Rede am 17. September die „heroische Wendigkeit“ der iranischen Diplomatie gelobt hat.

Die Möglichkeiten für eine Öffnung gegenüber dem Westen hängen aber zweifellos von Fortschritten im Atomstreit ab. Die Zuständigkeit in dieser Frage wurde Außenminister Zarif anvertraut. Rohani selbst betonte in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung, die Interessen seines Landes würden zwingend gebieten, „alle verständlichen Zweifel über das friedliche Atomprogramm des Iran zu beseitigen“. Offensichtlich hat der iranische Präsident endlich anerkannt, dass sowohl dem Iran als auch dem Westen die Zeit davonläuft.

In dieser Situation könnte Teheran auch andere Optionen für Syrien in Erwägung ziehen, wofür bereits zahlreiche Indizien sprechen. Am 29. August berichtete die Tochter des Revolutionsführers Chomeini von einer Aussage des ehemaligen Präsidenten Haschemi Rafsandschani über den Giftgaseinsatz in den Damaszener Vororten. Dieser habe gesagt, dass eine Regierung, die chemische Waffen gegen die eigene Bevölkerung einsetze, mit „katastrophalen Folgen“ rechnen müsse. Einige Tage später kursierte im Internet das Video einer Rede Rafsandschanis, in der er die gleiche Äußerung machte. Der ehemalige Präsident hat diese Aussagen nicht eindeutig abgestritten und begnügte sich mit einem halbherzigen Dementi.

Annäherung zwischen Teheran und Riad

Ein weiteres Indiz liefern die Aussagen von Sardar Alaei, einem ehemaligen Kommandanten der Revolutionsgarden, der am 13. September erklärte, leider habe sich seit Beginn der syrischen Krise unter den Völkern der arabischen Welt eine antiiranische Stimmung breitgemacht. Ständig werde Teheran mit der Frage konfrontiert: „Warum unterstützt ihr, die ihr an die Demokratie glaubt, das despotische Regime in Syrien?“ Diese Zweifel am Iran hätten auch „bei den Umwälzungen der vergangenen drei Jahre in den arabischen Ländern“ eine Rolle gespielt. Mit höchst negativen Folgen, denn „das verringert entscheidend den Einfluss des Iran auf das Denken in der arabischen Welt.“

Wenige Tage später ging Alaei noch einen Schritt weiter und warf Assad vor, dass er als Antwort auf eine soziale Protestbewegung nur auf „Unterdrückung und eine militärische Lösung“ setze. Er machte klar, dass der Iran die ausländische „Einmischung“ in Syrien zwar kritisch sieht, im Übrigen aber Assad keine großen Überlebenschancen gibt.3 Der ehemalige Kommandeur der Marineeinheiten der Revolutionsgarden zählt zu den ersten iranischen Persönlichkeiten, die laut über einen Politikwechsel in der Syrienfrage nachgedacht haben. Bereits im Dezember 2012 hatte Alaei in einem Interview erklärt: „Es scheint, dass eine Mehrheit der Gegner der aktuellen syrischen Regierung glaubt, dass ein Rücktritt Baschar al-Assads die Möglichkeit bieten würde, wirkliche Reformen umzusetzen. Auch der Iran denkt allmählich über ein Syrien ohne Assad nach.“4

Natürlich sind solche Aussagen im Iran nicht unumstritten. Der Befehlshaber der Al-Quds-Brigade der iranischen Revolutionsgarden, Qassem Suleimani, betonte zum Beispiel, man werde das syrische Regime „bis zum Schluss“ unterstützen. Aber zumindest ist die Debatte eröffnet.

In Teheran kursiert derzeit ein Spruch: Der schiitische Klerus habe seit der Geburt des Islam 1 400 Jahre warten müssen, bis er an die Macht gekommen ist. Deshalb werde er jetzt die Macht nicht ohne Weiteres wieder abgeben. Die zahlreichen Krisen, die der Iran in den letzten 30 Jahren durchlaufen hat, sind ein einziger Beweis für die Anpassungsfähigkeit des Landes. Sie belegen aber auch, dass politische Richtungsänderungen als Resultat interner Debatten möglich sind.

Trotz des Kriegs gegen den Irak, trotz der Proteste im Innern und trotz der internationalen Sanktionen konnte sich die Islamische Republik an der Macht halten. 1988 bezeichnete Ajatollah Chomeini die Resolution 598 des UN-Sicherheitsrats, die den Krieg zwischen Iran und Irak beenden sollte, als „ungültig“ und ihre Annahme als einen „Akt des Ungehorsams gegenüber dem Propheten des Islam“. Nur ein paar Tage später akzeptierte er jedoch den Text, weil eine Ablehnung den Krieg verlängert und den Iran international isoliert hätte.

Ein zweites Beispiel: 1987 verkündete Chomeini mitten im Krieg mit dem Irak, er könne vielleicht die Jerusalemfrage und sogar Saddam Hussein vergessen, aber niemals werde er sich für sein Verhalten gegenüber der saudischen Königsfamilie entschuldigen, mit der sein Land niemals wieder Beziehungen aufnehmen dürfe. Vier Jahre später akzeptierte Präsident Rafsandschani dennoch ein Treffen mit dem damaligen Prinz und zukünftigen saudischen König Abdullah.

Syrien wird zur Belastung für die iranische Wirtschaft

Angesichts der aktuellen Lage in Syrien bieten sich für Teheran zwei Möglichkeiten: Es kann zur Fortführung des Kriegs beitragen und das Regime von Assad weiter bedingungslos unterstützen. Oder es kann seine Politik in der Region ändern und gleichzeitig seine Interessen wahren. In einer vergleichbaren Situation, der Krise im Libanon zwischen 2006 und 2008, hatte Teheran der Hisbollah grünes Licht für die Unterzeichnung des Doha-Abkommens unter der Schirmherrschaft von Katar und Saudi-Arabien gegeben.

Damit war damals ein Ausweg aus der Krise eröffnet, der zur Abhaltung von Wahlen führte. Dieselbe pragmatische Haltung hatte Teheran zuvor schon beim Taef-Abkommen gezeigt, das 1989 den 15 Jahre dauernden Bürgerkrieg im Libanon beendet hatte. Auch dieser Vereinbarung hatte der Iran zugestimmt, nachdem sichergestellt war, dass die Hisbollah ihre Waffen behalten konnte, während alle anderen Milizen entwaffnet wurden.

Ist ein vergleichbares Szenario in Syrien vorstellbar, das es Teheran erlauben würde, sich auf andere Kräfte als das Assad-Regime zu stützen? Der Abnutzungskrieg in Syrien wird für die bereits geschwächte Wirtschaft des Iran mit der Zeit zur unerträglichen Belastung, denn die iranische Regierung garantiert unter anderem die Besoldung der syrischen Armee. Sollte sich der Konflikt noch lange hinziehen, könnte das den iranischen Einfluss in der Region schwächen und eine Annäherung an die arabischen Länder verhindern. Zudem könnten die Beziehungen zur Türkei belastet werden, was der Iran seit der Revolution von 1979 stets vermeiden konnte.

Vieles wird von den durch die USA und Russland geplanten Verhandlungen zwischen dem syrischen Regime und der Opposition abhängen – und von der Rolle, die Teheran bei diesen sogenannten Genf-II-Verhandlungen spielen wird. Teheran hat wiederholt unterstrichen, dass es gewillt ist, an der Konferenz teilzunehmen, aber nur dann, wenn die Gespräche ohne Vorbedingungen stattfinden. Der Iran wird in jedem Fall versuchen, Garantien dafür zu erhalten, dass die Entmachtung seines Protegés nicht mit einem Aufschwung der salafistischen Kräfte einher geht. Denn damit würden die konfessionellen Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten endgültig zur Hauptkonfliktlinie im Nahen Osten werden.

Die Annäherung zwischen Teheran und Washington im Streit über das iranische Atomprogramm, die am Rande der UN-Vollversammlung Ende September begonnen hat, lässt jedenfalls auf eine produktive Rolle Teherans bei den Bemühungen um eine Lösung des Syrienkonflikts hoffen. Wozu die interessante Information passt, dass Damaskus seine Kampfflugzeuge nach wie vor im Iran geparkt haben soll.

Fußnoten: 1 Siehe dazu die Analyse der Nuclear Threat Initiative vom 1. Dezember 2004: www.nti.org/analysis/articles/board-welcomes-eu-iran-agreement/. 2 Die erste Kritik am syrischen Regime erfolgte bereits im August 2011, als Außenminister Salehi Damaskus aufforderte, auf die Forderungen der Bevölkerung einzugehen. Siehe den Bericht in der New York Times, 27. August 2011. 3 Siehe Iran Daily Brief, 18. September 2013: www.irandailybrief.com/2013/09/18/26041. 4 Siehe, „Iran’s Rohani tweets Rosh Hashana blessing“, Ynetnews, 5. September 2013: www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4426338,00.html. 5 Siehe „Iran Begins to Envisage Syria without Assad“: www.irdiplomacy.ir/en/page/1909896/Iran+Begins+to+Envisage+Syria+without+Assad.html. Aus dem Französischen von Jakob Horst Ali Mohtadi ist Journalist.

Geschwächte Staaten, gestärkte Dschihadisten

Seit dem 11. September 2001 und dem Beginn des „Kriegs gegen den Terror“ haben die Staaten des Nahen Ostens und des Maghrebs vier große Interventionen durch den Westens erlebt. Hinzu kamen die Einsätze Israels im Libanon und in Gaza. Diese Interventionen haben zu einer Schwächung der Staaten und zu einer Ausbreitung dschihadistischer Gruppen beigetragen. Wie auf der Karte zu sehen ist, überschreiten diese Kämpfer Staatsgrenzen und exportieren ihre Ideen, ihre Handlungsmethoden und ihr Know-how. Die Konflikte ziehen Freiwillige aus der ganzen Welt an, auch aus Europa.

Afghanistan, Oktober 2001: Nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington stürzen die Vereinigten Staaten das Taliban-Regime in Afghanistan, einem Land, das durch den Krieg gegen die sowjetische Besatzung verwüstet war. Während der Abzug der Nato-Truppen bis 2014 abgeschlossen sein soll, sind die aufständischen Taliban so stark wie nie zuvor. Insbesondere durch den Einsatz von Drohnen hat sich der Konflikt nach Pakistan ausgeweitet.

Irak, 2003: Die USA stürzen das Regime von Saddam Hussein. Bei ihrem Abzug Ende 2012 lassen die US-Truppen ein zerstörtes und gespaltenes Land zurück. Al-Qaida, die vor der US-Invasion im Irak nicht existierte, organisiert sich und zieht Tausende Freiwillige vor allem aus dem Kaukasus und dem Golf und ehemalige Mudschaheddin aus Afghanistan an. Der Wiederaufbau des irakischen Staats gestaltet sich schwierig.

Libyen, 2011: Mit Unterstützung der USA beteiligen sich Frankreich und Großbritannien direkt an der Beseitigung Muammar al-Gaddafis. Tausende Kämpfer, vor allem aus Afrika, die bis dahin in der libyschen Armee gedient hatten, verstreuen sich in der Region. Die Waffenarsenale sind verwaist und werden größtenteils geplündert. Niemand kontrolliert mehr die Grenzen des Landes.

Mali, Mai 2012: Frankreich interveniert militärisch, um bewaffnete Gruppen zu vertreiben, die die Kontrolle über den Norden des Landes erlangt haben. UN-Truppen haben mittlerweile offiziell die Kontrolle übernommen, doch im Phantomstaat Mali bleibt Frankreich der zentrale Pfeiler des Sicherheitsapparats. Die Kämpfer der al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQIM) haben sich in der Region ausgebreitet.

Der Einsatz von Drohnen durch die Vereinigten Staaten in diesen Konfliktzonen, aber auch in Somalia und im Jemen, hat einige Dschihadisten-Führer getötet. Er hat jedoch auch eine Vielzahl ziviler Opfer gefordert, sogenannte Kollateralschäden, was den antiamerikanischen Hass nährt und Hunderte neue Kämpfer an die Front treibt.

Zu den vier genannten Konflikten kommt der Einsatz Israels gegen den Libanon 2006 hinzu. Er hat das prekäre Gleichgewicht in diesem Land gestört und den libanesischen Staat geschwächt, wovon die Hisbollah profitiert hat. Die beiden Einsätze Israels im Gazastreifen haben außerdem dazu beigetragen die Gründung eines unabhängigen, geeinten palästinensischen Staats zu verhindern.

Le Monde diplomatique vom 11.10.2013, von Ali Mohtadi